Extremwetterlagen werden in Deutschland zunehmen und die Bundesrepublik wird – im Vergleich zu den weltweiten Mittelwerten – stärker betroffen sein.

Dies und andere Ergebnisse findet man in einem Faktenpapier, das jetzt beim Extremwetterkongress in Hamburg vorgestellt wurde.

Der Präsident der World Meteorological Organization (WMO), Prof. Gerhard Adrian, richtete einen eindringlichen Appell an die Versammlung:

„Wir Fachleute müssen noch aktiver auf die Öffentlichkeit zu gehen. Weltweit sind immer mehr Menschen unmittelbar vom Klimawandel betroffen. Aus Sicht der WMO muss ich leider ein drastisches Fazit ziehen: Alle wichtigen Stellschrauben drehen sich unverändert in die falsche Richtung. Die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre nimmt immer noch zu. Corona wird sich da kaum auswirken. Alle Beobachtungen zeigen: Unser Wetter und unser Klima werden extremer: Weltweit, in Europa und hierzulande. Wir sind alle aufgerufen, uns im eigenen Interesse für Klimaschutz einzusetzen und noch viel mehr miteinander ins Gespräch zu kommen. Dabei sind wissenschaftliche Erkenntnisse und die Vermittlung dieser Fakten eine wichtige Basis.“

Das Faktenpapier belegt, dass die gegenwärtige globale Erwärmung in Deutschland viel stärker wirkt, als im globalen Mittel. Während die globalen Temperaturen in der aktuellen Dekade um etwa 1,1 Grad über der Zeit von 1881-1910 liegen, so sind es in Deutschland fast zwei Grad.

Der Klimawandel richtet auch in Deutschland bereits große Schäden. Prof. Dr. Mojib Latif, Vorsitzender des Deutschen Klimakonsortiums: „Wir wissen seit Jahrzehnten über das Klimaproblem Bescheid. Die Menschheit muss ihre Trägheit aufgeben und schnell und entschieden handeln, wenn sie das Klimasystem in weniger gefährlichen Bahnen lenken will. In Kalifornien sehen wir gerade, dass es auch Grenzen der Anpassung gibt. Wichtig dabei ist zu verstehen, dass nicht alle extremen Wetterereignisse häufiger auftreten. Wir sehen beispielweise eine Abnahme der starken Fröste und keine Zunahme von Stürmen in Norddeutschland. Aber wir sehen eben auch eine Reihe von extremen Wettereignissen, die sich häufen und intensivieren. So hat sich die Zahl schwerer Tropenstürme im Vergleich zur Gesamtzahl erhöht. Und bei den Temperaturen führt der Trend in eine sehr klare Richtung hin zu mehr Hitzewellen, global und auch in Deuschland.“

Arved Fuchs, Polarforscher: „Um das Maß der globalen Erwärmung für die Menschheit erträglich zu halten – für viele auch existentiell -, spielt die Geschwindigkeit der Maßnahmen eine entscheidende Rolle. Ich sehe auf meinen Reisen in die Arktis, wie rapide sich unser Planet in dieser Region verändert. Permafrostböden weichen und lassen Dörfer versinken. In diesem Sommer gab es lange Phasen in den 30 Prozent der Fläche Grönland in einen Schmelzprozess eingetreten sind. Sie können da mit eigenen Augen sehen, wie das System kippt. Das Eis schmilzt! Die Arktis erwärmt sich mehr als doppelt so schnell wie der Rest der Welt . Die Auswirkungen der Erderwärmung sind mittlerweile auch an der deutschen Küste zu spüren. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren und müssen die Klimaschutzziele von Paris einhalten.“

Wissenschaftler warnen vor den Folgen der Erwärmung in Deutschland -Dürre und Hitzewellen

In Deutschland sind die Veränderungen in Folge der globalen Erwärmung vor allen Dingen im Bereich der Hitze und Dürre zu sehen. Tobias Fuchs, Vorstandsmitglied und Leiter des Geschäftsbereichs Klima und Umwelt des Deutschen Wetterdienstes: „Das Thema Wetterextreme steht weit oben auf derwissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Tagesordnung. Zu Recht, denn die zum Teil katastrophalen Folgen von Stürmen, Hitzewellen oder Starkregen können heute fast jeden von uns treffen. Hinzu kommt: Mit dem fortschreitenden Klimawandel müssen wir künftig mit noch intensiveren und oft mehr Wetterextremen rechnen – auch in Deutschland. Darauf müssen wir alle uns frühzeitig vorbereiten.“

Veranstalter sieht Bedeutung von Rationalität und Dialog gestiegen

Frank Böttcher, Sprecher der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft, sieht den Dialog mit der Gesellschaft als eine wesentliche Aufgabe: „Wir stehen der globalen Erwärmung nicht hilflos gegenüber. Wir können heute sicher sagen, unter welchen Rahmenbedingungen wir die Lebensbedingungen für die nächsten Generationen erhalten können. Das darf uns den Mut geben, diese Bedingungen zu schaffen. Viele Menschen haben noch immer starke Zukunftsängste. Es wird nicht helfen, wenn wir uns für die kommenden 100 Jahre in einen permanenten Alarmzustand in Sachen globale Erwärmung versetzen. Da Ängste auf der emotionalen Ebene bearbeitet werden, wird mit zunehmender Angst die Fähigkeit geringer, sich mit sachlichen Argumenten auseinandersetzen zu können. Daher ist es aus meiner Sicht wichtig, die Ergebnisse der Wissenschaft stets mit der gebotenen Ruhe und Sachlichkeit zu diskutieren.“

Wirtschaftsvertreter fordern bessere Rahmenbedingungen für Transformation

Für Beobachter wurde auf der Eröffnung deutlich: Die Wissenschaft hat das Klimasystem und die zu erwarteten Folgen in Abhängigkeit von menschlichen Handeln im wesentlichen verstanden. Um den Folgen einer weiterhin ungebremsten Erwärmung entgegen zu wirken, sehen die Wissenschaftler*innen auf dem Kongress weiterhin Chancen.

Prof. Maximilian Gege, Vorsitzender von B.A.U.M. e.V. drückt aufs Tempo und fordert das politische Berlin auf, noch stärker an den notwendigen Rahmenbedingungen zu arbeiten:

„Wir haben bereits viel zu viel Zeit verloren für die zwingend notwendige Transformation der Wirtschaft/Gesellschaft. Die drei fundamentalen Ziel-Kategorien für eine sehr schnelle Umsetzung lauten: De-Karbonisierung, De-Materialisierug und Re- Naturierung. Eine drastische Reduzierung der CO-2 Emissionen und des gesamten Ressourcen-Verbrauchs führen auch zu massiven Kosteneinsparungen, neuen Arbeitsplätzen, zusätzlichen Steuereinnahmen für Bund, Länder und Kommunen und zu einer besseren Lebensqualität. Durch intensiven Einsatz der Erneuerbaren Energien, Steigerung der Energie-Effizienz durch z.B. Kühlung, Beleuchtung, Abwärmenutzung, skalierbare Energie- Management-Systeme, Energie-Speicherung, Kreislaufwirtschaft, Mehrfachnutzung und Abfallvermeidungskonzepte, Mess-Steuerungs- Regelungstechnik und digitalisierte Prozesse lässt sich das Ziel einer engerieautarken und CO-2-neutralen Industrieproduktion erreichen.

… Kosteneinsparungen bis zu 70/80 Prozent sind dabei absolut realistisch und finanzierbar. Dafür braucht es aber viel bessere politische Unterstützung. Um aus der Coronakrise eine Chance für die Transformation zu machen, wollen wir von B.A.U.M. den geplante Europäische Green Deal, ein erster und wichtiger Schritt, mit einem 800 Milliarden Zukunfts-Klimaplan, basierend auf Milliarden Privatkapital, flankieren und unterstützen. Ich nenne das Green-Doing!“