Die 28. Weltklimakonferenz in Dubai sollte heute am Dienstagmittag zu Ende gehen. Der Entwurf für die Abschlusserklärung missfällt aber noch vielen Staaten Für EU-Chefverhandler Wopke Hoekstra ist der Entwurf des Gastgebers Vereinigte Arabische Emirate „enttäuschend“ und „unzureichend“. Und geht sie in die Verlängerung.
An diesem Dienstagmittag soll die 28. Weltklimakonferenz laut Plan enden. Die zweiwöchigen Verhandlungen der knapp 200 Regierungen könnten aber, wie fast immer in den vergangenen 20 Jahren, in die Verlängerung gehen.
Kurz vor dem geplanten Ende der COP 28 wollen die EU und dutzende weitere Staaten noch weitreichende Nachbesserungen am Abschlusstext durchsetzen. Den Entwurf des Gastgebers Vereinigte Arabische Emirate von Montagabend stuft EU-Chefverhandler Wopke Hoekstra als enttäuschend und unzureichend ein.
Fassungslosigkeit bei NGOs
Vertreter von Umweltorganisationen äußerten sich teils fassungslos und empört. Hintergrund ist, dass der von mehr als 100 Staaten geforderte Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas nun gar nicht mehr im Text auftaucht – anders als in vorherigen Versionen.
Es ist schwer, bis morgen Mittag hier zu einem Ergebnis zu kommen“, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag. Für die europäische Delegation sei das kein Problem: „Wir haben Zeit, und wir sind darauf eingestellt, auch noch ein bisschen länger zu bleiben“, erklärte Baerbock, die sich zuvor enttäuscht über den Beschlussentwurf gezeigt hatte.
„Der vorgelegte Entwurf wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Fossile Brennstoffe als Ursache der Klimakrise werden erstmals explizit erwähnt – aber die unzähligen Abschwächungen rundherum wiegen das leider deutlich auf“, sagt beispielsweise die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne). Verbesserungen würden nun gefordert, „Ausreden haben wir schon genug gehört“.
Gespräch mit High Ambition Coalition
Gegen einen Beschluss zum Ausstieg aus den fossilen Energien hatten zuletzt etliche Länder Bedenken geäußert, darunter das ölreiche Saudi-Arabien, aber auch China, der Irak, Indien und Russland.
Am späteren Abend trafen sich alle Delegationschefs, um die verfahrene Lage zu besprechen. Hoekstra und die deutsche Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan kamen zudem mit der High Ambition Coalition zusammen – einer Gruppe von Industriestaaten und besonders verwundbaren Ländern, die mit Ehrgeiz im Kampf gegen die Klimakrise vorangehen möchte.
Hoekstra schrieb auf der Plattform X, das 2015 in Paris vereinbarte 1,5-Grad-Ziel für die maximale Erderhitzung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit müsse erhalten bleiben. „Das verlangt die Wissenschaft, und das verdienen unsere Kinder.“ Der Chefverhandler der vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Marshall-Inseln, John Silk, sagte, man sei nicht nach Dubai gekommen, „um unser Todesurteil zu unterschreiben“. Dem Text fehlten unter anderem konkrete Instrumente, um überhaupt noch auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen und die nötige Energiewende gerade in vielen Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas anzuschieben – was diese Staaten in Dubai stark eingefordert hätten.
Von Anfang an hatte es viel Kritik daran gegeben, dass Konferenzpräsident Sultan Al Jaber gleichzeitig Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc ist und dass gut 1.400 Lobbyisten für Kohle, Öl und Gas offiziell akkreditiert wurden. Al Jaber sagte, die Zeit der Diskussionen gehe nun zu Ende, deutete am Abend aber ebenfalls an, dass er noch Nachbesserungen am Text erwarte. „Wir müssen noch viele Lücken schließen“, sagte er. „Wir müssen ein Ergebnis liefern, das die Wissenschaft respektiert und das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite hält.“ Er erwarte von den Delegierten in allen Punkten höchste Ambition – „auch in Bezug auf die Sprache zu fossilen Brennstoffen“.
Bei den ersten 25 UN-Klimakonferenzen gab es zwei Worte, die tabu waren: fossile Energien. Erst vorletztes Jahr auf der COP 26 in Glasgow schaffte es zumindest die Kohle in den Abschlusstext.  Die Staaten einigten sich darauf, „Schritt für Schritt“ aus der Kohle auszusteigen. Die nächste Konferenz, die COP 27 in Sharm el-Sheikh, brachte keine weiteren Fortschritte. Dafür sind dieses Jahr die fossilen Energien endlich das zentrale Thema und viele Länder wollen einen Komplettausstieg beschließen.
Ein Geschäftsmodell geht verloren
Im Laufe der Konferenz wurde der Druck auf die Staaten, die fossile Energien fördern, immer größer. Und die  vor allem in der organisierten Länder sehen ihr Geschäftsmodell schwinden, wie der britische ThinkTank Carbon Tracker konstatiert:  Von 40 untersuchten Ländern verlieren 28 mehr als die Hälfte der erwarteten Einnahmen aus Öl und Gas­, und das bereits bei einem „mäßigen“ Tempo der globalen Energiewende. Dies gilt auch für den COP‑28-Gastgeber, die Vereinigten Arabischen Emirate, und seinen großen Nachbarn Saudi-Arabien.
Bei beiden machen die Öl- und Gaseinnahmen rund 40 Prozent der Staatseinnahmen aus und diese Einnahmen werden um 60 Prozent sinken. Das werde weitreichende Folgen haben, erwartet Guy Prince, einer der Autoren des Berichts: „In vielen Erdölstaaten hat sich ein politisches System etabliert, in dem die Bürger hohe Gehälter im öffentlichen Sektor, niedrige oder gar keine Steuern und einen großzügigen Sozialstaat erwarten. Die Umstrukturierung ihrer Volkswirtschaften wird wahrscheinlich parallele politische Reformen erfordern, um die Gesetzgeber rechenschaftspflichtiger zu machen und den Bürgern eine stärkere Vertretung zu geben.“

 

Außerdem soll in Dubai ein globales Anpassungsziel verabschiedet werden, bei dem die arabischen Staaten bisher Fortschritte verhindert haben, um Zugeständnisse bei den fossilen Energien zu erhalten. Dies behindert auch eine Annäherung zwischen der EU und den ärmsten Ländern der Welt, für die Anpassungsmaßnahmen besonders wichtig sind.

Einige große Entwicklungsländer wie China, Indien und Brasilien sind nicht grundsätzlich gegen den Ausstieg aus fossilen Energien, fordern jedoch eine Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

 

Die COP 28 behandelt neben dem Ausstieg aus fossilen Energien auch andere wichtige Themen, darunter kurzfristige Maßnahmen und globale Anpassungsziele. Die arabischen Staaten haben jedoch bisher Fortschritte bei den Anpassungszielen verhindert, um Zugeständnisse bei den fossilen Energien zu erhalten und eine Annäherung zwischen der EU und den ärmsten Ländern der Welt zu verhindern.