Treibhausgas-Emissionen überall schrittweise runter auf null: Selbst diese Strategie wird Prognosen zufolge für sich genommen nicht mehr reichen, um die Erderhitzung wie verabredet auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen.

Inzwischen geht es auch um „negative Emissionen“, also das Zurückholen vor allem des wichtigsten Treibhausgases CO₂ aus der Atmosphäre. Manche diskutieren gar unter „Solar Radiation Management“ eine Manipulation der Sonneneinstrahlung. Die Akzeptanz solcher Optionen beleuchtet jetzt eine neue Studie unter Leitung des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change.

Die Studie wurde veröffentlich in der renommierten Fachzeitschrift Global Environmental Change.

„Es ist wichtig, dieses Thema nicht nur in der Sphäre von Wissenschaft und Politik zu diskutieren, sondern die Öffentlichkeit einzubeziehen“, sagt Finn Müller-Hansen, Wissenschaftler in der MCC-Arbeitsgruppe Angewandte Nachhaltigkeitsforschung und Leitautor. „Wir wollen in unserer Studie Haltungen und Besorgnisse in Bezug auf die sich entwickelnden Technologien zu Treibhausgas-Entnahmen und Solar Radiation Management verstehen – wenn diese in den politischen Prozess einfließen, kann das soziale Konflikte vermeiden helfen. Über Umfragen geht das nicht so leicht, weil man bei Themen, mit denen man nicht vertraut ist, stark durch die Art der Fragestellung beeinflussbar ist. Deshalb wählten wir einen anderen Weg: Uns interessierte, was die Menschen sagen, wenn sie gar nicht gefragt werden.“

Twitter – x – untersucht

Zu diesem Zweck fokussiert die Studie auf den Kurznachrichtendienst X (früher Twitter): mit einer Auswertung sämtlicher rund 1,5 Millionen Tweets, die seit dem Start im Jahr 2006 und bis Ende 2021 in aller Welt auf Englisch zu diesem Themenbereich gepostet wurden. Konkret ging es um elf Varianten der Treibhausgas-Entnahme (von Aufforstung über beschleunigte Verwitterung von Böden bis zum Abscheiden von CO₂ in Klimaplantagen und Luftfilter-Anlagen), ferner um fünf Varianten von Management der Sonneneinstrahlung (vom Ausbringen von Aerosolen in der Stratosphäre bis zur Installation gewaltiger Sonnensegel im All) sowie um Tweets zu dem für all das geläufigen Oberbegriff „Geoengineering“.

Nach Einschätzung des Forschungsteams bringt die Auswertung wichtige Erkenntnisse für Politik und Wirtschaft, auch wenn die X (Twitter)-Community nicht exakt so tickt wie die Gesamtbevölkerung. Im Zeitverlauf zeigt sich die zunehmende Relevanz des Themas: Sein Anteil am der Gesamtheit der Nachrichten war im Zeitraum 2014 bis 2021 mehr als dreimal so hoch wie zuvor. Während Solar Radiation Management absolut gesehen noch ein Nischenthema bleibt, mit insgesamt nur 50.000 der 1,5 Millionen Tweets, hat sich die Diskussion über Treibhausgas-Entnahme auf einzelne Varianten verfeinert. Und das automatisierte Auslesen der in den Tweets transportierten „Stimmungslagen“ und „Gefühlsregungen“ offenbart: Je differenzierter die Debatte zu negativen Emissionen wird, desto wohlwollender ist die Bewertung.

Bei den fast 800.000 Tweets ausschließlich zum Oberbegriff Geoengineering überwiegen noch die negativen Meinungsäußerungen (30 Prozent aller Tweets) deutlich die positiven (6 Prozent). Hingegen überwiegt bei Tweets zu einzelnen Varianten der Treibhausgas-Entnahme die Zustimmung. Der Trend ist umso ausgeprägter, je stärker die Entnahme als „natürlich“ wahrgenommen wird, am größten ist die Zustimmung also bei Aufforstung. Sehr kritisch wird die sogenannte Ozeandüngung gesehen, bei der das Algenwachstum mit Nährstoffen angeregt wird, um CO₂ zu binden.

Manipulation des Sonnenscheins wird abgelehnt

Eine ausgeprägt negative Stimmung und das Vorherrschen von Gefühlen wie „Abscheu“ und „Furcht“ zeigt die Analyse beim X (Twitter)-Traffic zu einer möglichen Manipulation des Sonnenscheins. Insbesondere der Aerosol-Einsatz in der Stratosphäre wird rundweg abgelehnt. Das Forschungsteam verweist in diesem Kontext auf Sorgen vor unkontrollierten Umweltfolgen und fehlender internationaler Koordinierung. Die Studie mündet in die Empfehlung, mit Blick auf solche Ängste den unscharfen Oberbegriff Geoengineering, nicht mehr zu verwenden und die Debatte auf die Optionen der Treibhausgas-Entnahme zu fokussieren.