Dieser Julimonat war der wärmste Monat seit dem Beginn der Wetteraufzeichnungen. Und in diesem Jahr scheinen sich Meldungen über Wetterextreme und nie zuvor gesehene Entwicklungen im Erdsystem zu häufen, heftige Unwetter in Slowenien und der Juli 2023 war der heißeste Monat seit Beginn der Aufzeichnungen mit einer Durchschnittstemperatur von rund 17 Grad Celsius.
Die globalen mittleren Temperaturen der Oberflächenwasser der Ozeane sind seit April höher als gewöhnlich und lagen im Juli 0,7 bis 0,8 Grad über dem langjährigen Mittel. Dies stellt bei den stabilen globalen Meerestemperaturen eine große Abweichung dar. Das antarktische Meereis wächst in diesem Winter so langsam wie niemals zuvor und es fehlen über zwei Millionen Quadratkilometer verglichen mit der durchschnittlichen Meereisausdehnung für diese Jahreszeit. In verschiedenen Weltregionen – etwa dem Mittelmeerraum, Südasien und Nordamerika – gab es in den letzten Wochen Hitzewellen mit Temperaturen weit über 40 Grad Celsius, ausgedehnte Waldbrände und Warnungen vor Massenbleichen von Korallen.
tellt diese Häufung von Extremereignissen angesichts des voranschreitenden Klimawandels die neue Normalität dar? Oder befinden wir uns in einer vorübergehenden Ausnahmesituation, begünstigt durch das Klimaphänomen El Niño, das im Juli begonnen hat? Sind die aktuellen Wetterextreme unerwartet – oder im Rahmen dessen, was Klimamodelle vorhergesagt haben?
Prof. Dr. Daniela Domeisen
Assistenzprofessorin am Institut für Atmosphäre und Klima, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz
Beobachtungen im Einklang mit Klimaprognosen?
„Klimaprojektionen sagten schon lange die höhere Wahrscheinlichkeit von Extremereignissen wegen des Klimawandels vorher — diese Vorhersagen sind (leider) korrekt. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis diese Extreme stark gehäuft, intensiviert und global auftreten. Dies ist eine weitere Bestätigung, dass die Vorhersagen der Klimamodelle Bestand haben, und sollte Warnung genug sein, den Klimawandel so stark wie aktuell noch möglich zu beschränken.“
Zusammenhang mit El Niño
„Wir haben es hier mit zwei unabhängigen, aber überlagerten Phänomenen zu tun: dem menschgemachten Klimawandel, welcher uns den Aufwärtstrend in der globalen Mitteltemperatur beschert und dem natürlichen Phänomen El Niño, welches alle paar Jahre auftritt. El-Niño-Jahre sind im globalen Mittel fast immer wärmer als nicht-El-Niño-Jahre, da bei El Niño eine so große Oberfläche im tropischen Pazifik erwärmt wird. Die Auswirkungen von El Niño auf die verschiedenen Weltregionen sind jedoch sehr unterschiedlich und können sich in warmem, kaltem, nassem oder trockenem Wetter äußern, abhängig von der Region und Jahreszeit. Zudem sind diese Auswirkungen nicht jedes Jahr exakt gleich. Gerade auf Europa hat El Niño im Sommer kaum Auswirkungen, und die aktuelle Hitze ist daher vor allem dem Klimawandel geschuldet.“
„Global gesehen kann El Niño die Auswirkungen des Klimawandels je nach Region entweder abschwächen oder verstärken. Das Problem besteht hier hauptsächlich für Regionen, in denen sowohl der Klimawandel als auch El Niño ähnliche Auswirkungen haben und die beiden zusammen daher einen verstärkenden Effekt haben. Als Beispiel kann man das Absterben von Korallen durch die erhöhten Wassertemperaturen um Australien nennen, welche durch El Niño als auch durch den Klimawandel begünstigt werden.“
„Die aktuellen global auftretenden Extreme sind keine kurzfristige Ausnahmesituation, im Gegenteil. Die Forschung zeigt, dass die Extreme in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch weiter zunehmen werden. Auch falls nun nochmals einige wenige Jahre mit leicht tieferer globaler Mitteltemperatur folgen sollten – zum Beispiel durch ein La-Niña-Ereignis – geht der langfristige globale Temperaturtrend aktuell steil nach oben. Dies wird so weitergehen, wenn die Emissionen nicht auf Netto-Null gebracht werden.“
Einfluss auf Kippelemente im Klimasystem
„Am kritischsten sind die nicht umkehrbaren Prozesse, zum Beispiel dauerhafte Veränderungen im Ozean oder das Abschmelzen des Eises, auch wenn diese Systeme im Vergleich zur Atmosphäre langsamer reagieren. Denn sollte der Klimawandel zum Beispiel im Ozean langfristig Änderungen bewirken, können diese Jahrhunderte lang anhalten. Solche Prozesse umzudrehen, geht über unsere heutigen technischen Möglichkeiten hinaus – dafür reicht es nicht mehr, später der Atmosphäre CO2 zu entziehen, sondern es müsste jetzt dafür gesorgt werden, dass solche Prozesse gar nicht erst in Gang gesetzt werden.“
Blick auf die Berichterstattung
„Der Fokus auf die kurzfristige Überschreitung der 1,5-Grad-Marke ist nicht wirklich zentral. 1,5 Grad ist ein wissenschaftlich motivierter, aber politischer Grenzwert, den wir uns gesetzt haben, um die Folgen des Klimawandels möglichst gering zu halten. In Wahrheit zählt jedes Zehntelgrad, und daher jede einzelne Emissionsreduktion und jede vermiedene Erwärmung, um den Klimawandel zu beschränken. Die Auswirkungen des Klimawandels sind ja bereits jetzt weltweit schmerzhaft spürbar, obwohl wir die 1,5-Grad-Marke noch nicht überschritten haben. Worauf warten wir noch?“
► Prof. Dr. Jakob Zscheischler
Leiter der Arbeitsgruppe Compound weather and climate events, Department Hydrosystemmodellierung, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), Leipzig
Beobachtungen im Einklang mit Klimaprognosen?
„Meines Wissens ist vieles, was wir im Moment beobachten, sehr konsistent mit unseren Modellprojektionen – vor allem die außergewöhnlichen Hitzewellen über Land und im Meer, aber auch die gelegentlichen Extremniederschläge. Bei der Anomalie in der Nachbildung des antarktischen Meereises ist das ein bisschen anders. Die Meereisausdehnung ist weit unterhalb dessen, was wir normalerweise für diese Jahreszeit erwarten — mehr als fünf oder mittlerweile sechs Standardabweichungen. Ich glaube, das ist auch außerhalb von Modellsimulationen und zeigt, wie komplex die Prozesse um das arktische Meereis sind. Hier müssen wir jetzt besser verstehen, was diese Anomalie verursacht hat.“
Zusammenhang mit El Niño
„Wir haben im Moment ein El-Niño-Jahr, da erwarten wir generell etwas wärmere Temperaturen als in neutralen Jahren. Wir können aber nicht davon ausgehen, dass die folgenden Jahre wesentlich kühler werden, ganz im Gegenteil. Die volle Wucht des jetzigen El Niños werden wir wahrscheinlich erst in ein bis zwei Jahren spüren. Es ist auch so, dass die vergangenen Jahre durch La Niña leicht kühler waren als sie sonst gewesen wären. Solange die Treibhausgasemissionen nicht sinken, werden die Temperaturen auch in Zukunft weiter ansteigen.“
Blick auf die Berichterstattung
„Generell begrüße ich, dass überhaupt so viel über das Wetter und Klima berichtet wird. Auf der anderen Seite gibt es immer noch sehr viele Berichte, die keinen klaren Bezug zum menschengemachten Klimawandel nehmen. Ich denke, das wäre wichtig, damit den LeserInnen klar wird, dass es sich hier nicht um Ereignisse handelt, gegen die man nichts tun kann. Bei vielen dieser Ereignisse spielt der menschengemachte Klimawandel eine maßgebliche Rolle. Aufklärung darüber könnte dazu beitragen, dass Menschen sich engagieren, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Vor allem bei Hitzewellen, schmelzenden Gletschern und Meereis oder extremen Waldbränden kann man mittlerweile mit recht großer Sicherheit sagen, dass der menschengemachte Klimawandel das Ereignis zumindest verstärkt hat, auch ohne eine spezifische Attributionsstudie durchgeführt zu haben.“
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