Bei Desinfektionsmitteln denkt man landläufig an Chemie. Umso erstaunlicher, dass nun ein typisches mittelständiges deutsches Unternehmen eine Lösung für ein Pflanzenbasiertes Desinfektionsmittel gefunden hat. FAIReconomics Chefredakteur Frank Tetzel sprach mit Ralf Ohlman, dem Wissenschaftlicher Forschungsleiter  und CEO von Just in Air® Luft- & Hygienefachinstitut.   

Bei Desinfektionsmitteln denkt man in erster Linien an hochprozentigen Alkohol oder Chlorverbindungen. Sind pflanzenbasierte Desinfektionsmittel ähnlich wirksam?

Natürliche Substanzen sind in allen Anwendungsbereichen wesentlich effektiver als kurzzeitiger entwickelte synthetische Stoffe, da diese sich über viele Millionen Jahre bis zur Perfektion entwickeln konnten. Dabei hat jede Pflanze, je nach dem wo sie wächst und welchen Mikroorganismen sie standhalten muss, eine spezielle Abwehr gegen Schadmikroorganismen entwickelt. Somit finden wir in unterschiedlichen Pflanzen Substanzen gegen Bakterien, Schimmel, Viren, etc. Diese als Mischung verschiedener Pflanzeninhaltsstoffe, ergibt ein natürliches Desinfektionsmittel gegen alle Keime, was chemische Desinfektionsmittel nicht können.

Sie setzen auf antibakterielle Wirksamkeit von Pflanzen, bislang dachte ich, dass Pflanzen und viele Bakterien eigentlich in Symbiose leben….

Das ist richtig, wenn es um die Nährstoffaufnahme geht. Hier brauchen Pflanzen bestimmte Mikroorganismen, was zu der Symbiose führt. Ähnlich wie bei uns Menschen, die wir circa fünfmal mehr Bakterien in uns tragen als eigene Körperzellen. Aber die sogenannten Schadmikroorganismen, die z.B. die Pflanze selbst als Nahrungsquelle ansehen, oder krank machen, müssen von der Pflanze abgewehrt werden können, wie es ja selbst der (schwache) menschliche Körper bedingt macht.

Wenn man Pflanzenextrakte gewinnen kann, dann stehen diese in niedrigen Mengen zur Verfügung. Wie bekommt man ein skalierbares Produkt hin, also ein Produkt, das auch für industrielle Anwendungen zur Verfügung steht?

Dieser Fragestellung haben wir uns gleich am Anfang des Forschungsprojektes gewidmet und dementsprechend die Zielpflanzen ausgewählt. Das sind z.B. Kaffeeabfälle, die im Ursprungsland pro Jahr mit ca. 40.000 t anfallen und bei dem steigenden Kaffeekonsum eher weiter steigen werden. Auch Hopfen ist als Anfallprodukt beim Bierbrauen in großen Mengen verfügbar. Das können wir durch die ganze Bandbreite der pflanzlichen Lebensmittelherstellung wie Orangensaftherstellung (Schalen), oder Marmelade ziehen, wo immer eine hohe Menge der für uns wichtigen Rohstoffe vorliegt.

Aus welchen Regionen stammen die Pflanzen, gilt der Schutzmechanismus für alle Pflanzen oder gibt es Arten, die eine besondere Form des Schutzes entwickelt haben?

Aus allen Regionen der Welt, dort wo diese Pflanzen angebaut und auch schon Vorverarbeitet werden. Wie schon zuvor beantwortet, haben verschieden Pflanzen unterschiedliche Abwehrmechanismen als funktionale Phytoextrakte, die wir als Gemisch verwenden, um dann eine Effektivität gegen alle Mikroorganismen vorliegen zu haben.

Ist daran gedacht, in welcher Zukunft auch immer, Plantagen zu bewirtschaften? In welcher Phase der Entwicklun befinden Sie sich derzeit?

Eine gesonderte Bewirtschaftung oder zusätzlicher Anbau ist nicht notwendig. Hier greifen wir auf die bestehenden globalen Ressourcen zurück und erweitern mit dem zusätzlichen Nutzen der Desinfektionsmittelgewinnung nur die Wertschöpfungskette der Kulturpflanzen, die zur Ernährung angebaut und verarbeitet werden. Das ist perfekte Kreislaufwirtschaft und Schonung von Ressourcen durch erweiterte Nutzung natürlicher Ressourcen.

Andere sehr wichtige Umweltschutzaspekte der natürlichen Desinfektionstechnologie sind;

  • Herstellung unter geringer / keiner Schadschöpfung
  • Verarbeitung umweltneutral und humantoxikologisch unbedenklich (für Anwender & Verbraucher)
  • Müssen nicht nach- / abgespült werden wie chemische Desinfektionsmittel, was den Wasserverbrauch reduziert und das Abwasser nicht mit umweltschädlichen chemischen Desinfektionsmittelfrachten belastet
  • Bei Kontakt mit Lebensmitteln entsteht keine Fremdstoffverunreinigung, wie es bei chemischen Desinfektionsmitteln oft vorkommt und zu Rückrufaktionen führen kann
  • Einsatz in der Agrarwirtschaft, der Lebensmittelverarbeitung und auch im Handel, z. B. über einfache Vernebelung, was zu einem geringeren Lebensmittelverderb führen kann