Trifft man Joe Chialo dieser Tage, dann muss man mit allen Vorurteilen im Kopf erst einmal aufräumen. Als Sohn tansanischer Diplomaten 1970 in Bonn geboren, machte er Abitur bei den Salesianern Don Boscos bei Köln und absolvierte eine handwerkliche Ausbildung zum CNC Fräser. Danach studierte er einige Semester Geschichte, Politik und wirtschaftliche Staatswissenschaften in Erlangen.

Doch es zog ihn in die Musik, er gab sein Studium zugunsten eines Plattenvertrags bei Sony Music und einer Gesangskarriere bei Blue Manner Haze auf, was sich für ihn als nicht zum Nachteil herausstellte. Sein weiterer Lebensweg führte ihn nach Köln, Amsterdam, München und schließlich 2002 mit dem weltweit größten Musikkonzern Universal Music von Hamburg nach Berlin. FAIReconomics sprach mit ihm über die CDU, christliche Werte, Popkultur und Pandemie und nicht zuletzt über Afrika und über das was, zwischen Deutschland/Europa und dem Nachbarkontinent passieren muss.

FAIReconomics: Joe Chialo, Sie sind in Bonn geboren und als Diplomatensohn scheint dies eine recht behütete Kindheit gewesen zu sein, so in den Bonner Rheinauen spielen zu dürfen….

Joe Chialo: Das hört sich auf den ersten Blick so an, ja, natürlich waren wir als Familie aus Tansania privilegiert, aber nicht zu vergessen, wir sind ein Entwicklungsland und finanziell war es für meinen Vater nicht so attraktiv. Zudem war es so, dass ich als schwarzer Junge im Deutschland der 1970er Jahre natürlich auch Rassismus erfahren habe und zwar den klassischen Alltagsrassismus.

FAIReconomics: Sie sagen, sie verstehen sich als Brückenbauer. Wie ist das zu verstehen. Und warum sind sie gerade an die CDU gegangen, die Grünen oder die SPD wären doch viel naheliegender gewesen?

Joe Chialo: Wir benötigen dringend einen Perspektivwechsel. Zum einen, weil Afrika ein junger Kontinent ist, dessen Durchschnittsalter unter 25 Jahren liegt und wir dort eine demografische Dividende haben. (Foto: Chaperon)

Joe Chialo: Mein politischer Weg hat in den 90er Jahren tatsächlich bei den Grünen begonnen. Mir hat vor allem Joschka Fischer gefallen, der mit Verve für seine Sache einstand und kämpfte. Ein Überzeugungstäter. Dass Teile der Partei nach dem Zerfall Jugoslawiens die Bundeswehreinsätze auf dem Balkan ablehnten und die Reaktionen auf dem Parteitag – der berühmte Farbbeutelwurf auf den damaligen Außenminister Fischer, der einen Trommelfellriss erlitt – bewegte mich allerdings wieder zum Austritt.

Zur CDU bin ich auch aufgrund meines festen Glaubens und meiner ethisch-religiösen Werte gegangen. Seit 2016 bin ich Mitglied auch oder gerade wegen der Flüchtlingspolitik Angela Merkels. Ich fand ihre Haltung gegenüber den flüchtenden Menschen, sei es aus Syrien oder Afghanistan, beeindruckend. Für mich war das praktizierte christliche Nächstenliebe. Der klare Kompass, der Sicherheit bot.

FAIReconomics: Als Sie in Armin Laschets Kompetenzteam berufen wurden, fühlten sie sich nicht sozusagen als „Quotenschwarzer“?

Joe Chialo: Nein, ganz und gar nicht, ich bin ja Unternehmer und habe in meinem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft eine Kompetenz, die von niemanden bestritten wird. Und die möchte ich beim Wiederaufbau der CDU einsetzen.

FAIReconomics: Reden wir über Afrika – Sie verstehen sich als Brückenbauer. Wie schätzen sie derzeit die deutsche Entwicklungspolitik ein?

Joe Chialo: Wir benötigen dringend einen Perspektivwechsel. Zum einen, weil Afrika ein junger Kontinent ist, dessen Durchschnittsalter unter 25 Jahren liegt und wir dort eine demografische Dividende haben.

Mit unserer Perspektive des Brunnenbauens werden wir den Entwicklungen nicht gerecht, sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften befinden sich auf dem afrikanischen Kontinent. Und es ist spannend, die neuen Eliten bei StartUps, in der Technologie zu sehen und zu sprechen – exzellent ausgebildet. Zum anderen beobachten wir Leapfrogging, sogenannte Sprunginnovationen – warum Telefonkabel verlegen, wenn wir Mobiltelefonie haben oder elektronische Zahlungssysteme wie MPesa in Ostafrika? Wir wissen, dass 2060 etwa eine Milliarde Menschen zur Mittelschicht in Afrika gehören werden – hier wird ein gigantischer afrikanischer Binnenmarkt entstehen.

Und eines ist sicher – die Afrikaner werden nicht auf die Europäer warten. Zum einen sind die Chinesen schon dort und bauen nicht nur Infrastruktur auf, auch Russland mischt beispielsweise in Mali mit, das einst – ich will es mal so formulieren – französisches Einflussgebiet war.

Wir brauchen deshalb eine Neuausrichtung unserer strategischen Außen- und Entwicklungspolitischen Interessen nach Afrika. Das ist gerade wegen des Ukrainekrieges umso wichtiger. Wir brauchen mehr Kooperation auf Augenhöhe, mehr Austausch, mehr wirtschaftliche und kulturelle und gesellschaftliche Perspektiven auf beiden Seiten.

Joe Chialo hat am 12. Oktober ein neues Buch herausgebracht.

„DER KAMPF GEHT WEITER“

Mein Leben zwischen zwei Welten

Verlag: Murmann, 2022

Seiten: 200

ISBN: 978-3-86774-739-4

Preis: 24,00 Euro