In Deutschland sind 2021 rund 762 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt worden. Wie das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz am 15. März bekanntgegeben haben, sind das gut 33 Millionen Tonnen oder 4,5 Prozent mehr als im Jahr davor. Welche Gründe es für den Anstieg gibt und was getan werden muss, um diese Zahlen wieder zu senken, erklärt UBA-Präsident Dirk Messner.
Herr Messner, in Deutschland werden wieder mehr Treibhausgase ausgestoßen. 33 Millionen Tonnen im Vergleich zu 2020 sind allerdings eine große Hausnummer. Wie ist dieser Anstieg um 4,5 Prozent zu erklären?
„Das besorgt uns natürlich und das hat zwei tiefere Gründe. Der erste Grund ist: Die Corona-Krise neigt sich dem Ende zu. Deswegen springt die Konjunktur wieder an – und mit der Konjunktur die Emissionen. Und der zweite Punkt ist: Wir sind bei den Erneuerbaren nicht wirklich vorangekommen, wir haben sogar weniger Strom aus Erneuerbaren erzeugt. Das sind die beiden fundamentalen Trends.“
Wo wurden denn die meisten Treibhausgase freigesetzt?
„Ja, wir haben unglückseligerweise die höchsten Steigerungsraten, nämlich 12,5 Prozent mehr Emissionen, in dem Sektor, der auch das größte Volumen zu verantworten hat, das ist der Energiesektor. Und der Grund dafür ist: Wir haben zu wenig Erneuerbare zugebaut. Und der zweite Grund ist: Wir haben mehr Kohle verbrannt als wir uns das leisten könnten. Wir wollen ja aussteigen aus der Kohle, daran müssen wir jetzt was ändern.“
In welchen Bereichen sind die Treibhausgasemissionen noch angestiegen?
„Wir haben eine Steigerung von 5,5 Prozent im Industriebereich, das hat mit der wieder anspringenden Konjunktur zu tun. Und dann haben wir ebenfalls im Verkehrsbereich eine Steigerung von 1,1 Prozent der Treibhausgasemissionen. Wichtig ist vielleicht noch festzuhalten, wir haben ja Ziele auf die Jahre gesehen für Sektoren. Und da müssen wir dieses Jahr feststellen: Im Gebäudebereich und im Verkehrsbereich werden diese Ziele um jeweils zwei Millionen Tonnen überschritten und deswegen müssen da Programme aufgelegt werden, um diese Defizite auszugleichen.“
Die Bundesregierung hat sich ja zum Ziel gesetzt, die Emissionen im Vergleich zu 1990 bis 2030 um 65 Prozent zu senken. Wie realistisch ist das angesichts des Anstiegs?
„Tja, wir müssen jetzt wirklich in die Gänge kommen, das ist ganz klar. Entfesselung der Erneuerbaren und Entfesselung in Bezug auf Dekarbonisierung der Wirtschaft ist jetzt ganz wichtig. Wir müssen sechs Prozent Reduktion pro Jahr schaffen in dieser Dekade, in der vergangenen Dekade lagen wir bei um die zwei Prozent Reduktion, also Faktor drei. Und in Bezug auf den Ausbau der Erneuerbaren ähnliche Größenordnung: Wir brauchen Faktor drei bei der Erweiterung der Erneuerbaren. Das ist noch möglich, aber wir müssen jetzt wirklich handeln.“
Was bedeutet das konkret für die Bürgerinnen und Bürger?
„Wer jetzt neue Wohnungen kauft oder ein neues Haus kauft oder auch irgendwo zur Miete einzieht, sollte darauf achten: Wärmepumpen sind die Zukunft. Öl- und Gasheizungen, das muss jetzt langsam zu Ende gehen aus Klimaschutzgründen. Der zweite wichtige Bereich ist die Mobilität, wir brauchen eine Elektrifizierung der Mobilität, auf E-Mobile umsteigen. Dafür muss die Bundesregierung die Grundvoraussetzung bei der Infrastruktur bieten, aber wir als Bürgerinnen und Bürger müssen diesen Umstieg dann voranbringen. Und vielleicht ein ganz einfacher Tipp: Wenn sie um zwei Grad die Raumtemperatur absenken, dann spart das zehn Prozent der russischen Gasimporte und ist zugleich ein Beitrag zum Klimaschutz. Das scheint mir vernünftig zu sein.“
Aber besteht nicht gerade auch so ein bisschen die Gefahr, dass der Klimaschutz wegen des Ukraine-Kriegs an Bedeutung verliert?
„Also es darf nicht an Bedeutung verlieren, denn wir müssen in dieser Dekade, in den 2020-Jahren, diese Reduktionen schaffen, über die wir eben gesprochen haben. Das muss ja auch weltweit passieren, sonst ist Klimaschutz auf einem Pfad jenseits der zwei Grad globaler Erwärmung, die wir uns vorgenommen haben. Wir müssen handeln! Und vielleicht, und das ist meine große Hoffnung, vielleicht haben wir jetzt eine Chance gerade wegen des Krieges, dass wir die Investitionen im Erneuerbaren-Bereich, die Investitionen in die Energiesicherheit und Energieeffizienz, aber auch Sparen von Energie, dass wir das vielleicht jetzt beschleunigt sogar nach vorne bringen können. Möglicherweise geht da was zusammen: Das ist ein tragischer Zusammenhang, aber Klimasicherheit und unsere internationale Sicherheit und Energiesicherheit, die gehören zusammen.“
[…] Treibhausgasemissionen sind gestiegen: In Deutschland sind 2021 rund 762 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt worden. Wie das Umweltbundesamt (UBA) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz letzte Woche bekanntgegeben haben, sind das gut 33 Millionen Tonnen oder 4,5 Prozent mehr als im Jahr davor. Die höchsten Steigerungsraten, nämlich 12,5 Prozent liegen in dem Sektor, der auch das größte Volumen zu verantworten hat, das ist der Energiesektor. Ein Grund, so UBA-Präsident Dirk Messner: „Wir haben zu wenig Erneuerbare zugebaut. Und der zweite Grund ist: Wir haben mehr Kohle verbrannt als wir uns das leisten könnten. Wir wollen ja aussteigen aus der Kohle, daran müssen wir jetzt was ändern.“ fair-economics.de […]