von Klaus Lengefeld, Senior Advisor Sustainable Tourism – Member of Tourism Dream Team

Für die Umsetzung der EU-Taxonomie im Bereich Umwelt und Klima sind Kriterien, Standards und Prüfverfahren in der finalen Abstimmung. Für die Umwelt- und Klimaanforderungen liegen bereits nachprüfbare Kriterien vor, die jetzt für die Beurteilung der Nachhaltigkeit von Finanzierungen verbindlich gelten sollen. Für den Bereich Soziales liegt ein Vorschlag der Sustainable Finance Plattform vor, der drei Anforderungsbereiche für eine soziale Taxonomie vorschlägt:

  • Faire Arbeit („Decent work“), auch in den Lieferketten
  • Adäquate Lebensbedingungen für Endverbraucher
  • Inklusive und nachhaltige Communities und Gesellschaften

Allerdings sollen diese sozialen Anforderungen der EU-Taxonomie nach jetzigem Stand bei der Beurteilung nachhaltiger Finanzierungen noch nicht berücksichtigt werden. Denn während es für das Feststellen und Messen der Umweltperformance keine gravierenden Unterschiede in den Mitglieds­ländern gibt – ob es dabei um den CO2 Ausstoß oder den Wasserverbrauch geht – sind die sozialen Unterschiede zwischen den 27 EU-Staaten so erheblich, dass die EU-Kommis­sion eine einheitliche Vorgabe im Bereich sozialer Wirkungen für derzeit nicht durchsetzbar hält.

 Was bedeutet das für Sustainable Finance beim Hotelinvestment?

Nach derzeitigem Stand fordert die EU-Taxonomie von Immobilieninvestoren in erster Linie die Minimierung des Öko- und Klimafußabdrucks der von ihnen finanzierten Gebäude. Da die Hotellerie und insbesondere die weltgrößten Hotelgruppen schon in den 1990er Jahren im Rahmen der „International Hotels Environmental Initiative (IHEI)“ damit begon­nen haben, zur Reduzierung der Kosten und ihres Umweltfußabdrucks ihren Energie- und Wasserverbrauch und die Abfallmengen zu vermindern, stellt das keine Hürde für Sustainable Finance für Hotelinvestitionen dar.

Die neue Herausforderung besteht darin, dass in Zukunft auch die Emissionen im Lifecycle des Hotelgebäudes zu berücksichtigen sind, also beispielsweise der Klimafußabdruck aller beim Bau verwendeten Materialien, d.h. auch die bei deren Gewinnung und Transport entstandenen Treibhausgasemissionen.

Social Impact spielt nur eine sehr unbedeutende Rolle

Bedauerlicherweise spielen in der bisherigen Diskussion um die EU-Taxonomie bei der Immobilienfinanzierung die vom Betrieb eines Gebäudes ausgehenden sozialen Wirkungen nur eine untergeordnete Rolle. Die sozialen Anforderungen wurden vor allem im Hinblick auf Wohngebäude formuliert, also beispielsweise soll darin möglichst viel bezahlbarer Wohnraum entstehen, oder das Gebäude barrierefrei sein. Für den „Social impact“, also die positiven sozialen Außen­wirkungen durch den Betrieb einer Gewerbeimmobilie gibt es dagegen noch kein operatio­nalisiertes Erfassungs- und Bewertungssystem innerhalb der ESG-Taxonomie.

Das ist insbesondere für die Hotellerie sehr bedauerlich, da ein Hotel nach unseren bisheri­gen Untersuchungen zu den Gewerbeimmobilien zählt, welche auf lokaler und regionaler Ebene die höchsten positiven sozio-ökonomischen Beiträge und damit den größten social impact generieren.

Hierzu einige Zahlen: in einem Langzeitvergleich von 2004-2011 gab es bei den damals 5 weltweit größten Hotelgruppen pro Million Euro Umsatz um Durchschnitt 20 Arbeitsplätze, in 11 anderen weltweit wichtigen Branchen zwischen 2 und 6 Jobs, und in der Erdölindustrie sogar nur 0,5 Jobs. Der Bau eines Hotels generierte demnach 40x mehr Jobs als der Bau einer Raffinerie. Hinzu kommen bei einem Hotel die um ein Vielfaches höheren Ausgaben für die Zulieferung von Waren und Dienstleistungen sowie die Ausgaben der Hotelgäste in der lokalen Wirtschaft, von denen hotel­nahe Anbieter profitieren können.

Auch bei der Investment/Job creation-Relation liegt die Hotellerie weit vorne: Pro Million Euro Investment entstanden damals in der Hotellerie 7 neue Jobs, nur übertroffen vom Einzelhandel, der 10,7 Jobs pro Million Euro Investment generierte. In allen anderen Branchen führten Investitionen zu keinem nennenswerten Arbeitsplatzzuwachs, bei einigen sogar zu Jobverlusten.

Solche Fakten müssen bei der Beurteilung der „Environmental and Social Governance“ für den Bau einer Hotelimmobilie zwingend berücksichtigt werden. Denn wenn – wie die EU das aktuell vorsieht – zunächst nur die Umweltperformance einer Immobilie bei der ESG-Taxonomie für Sustainable Finance berücksichtigt wird, kann das zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für Hotelinvestitionen führen. Denn in der Regel hat ein Hotel trotz aller Einsparbemühungen einen deutlich höheren Wasser- und Energieverbrauch und generiert mehr Abfall je Fläche als ein normales Bürogebäude oder eine andere Gewerbe­immobilie. Wenn das nicht in Relation gesetzt wird zu dem deutlich höheren Social impact eines Hotels, ist die Gefahr sehr groß, dass sich Hotelinvestitionen nicht für Sustainable Finance qualifizieren.

Umwelt- und Klimafußabdruck abhängig von der Kategorie

Auch für die verschiedenen Unterkunftskategorien vom Hostel bis zum Luxusresort ist es sehr wichtig, den Umwelt- und Klimafußabdruck in Relation zum Social impact zu betrach­ten, wie dieses aktuelle Beispiel zeigt:

Der Gast im Mehrbettzimmer eines Hostels beansprucht deutlich weniger Fläche und verbraucht in der Regel auch weniger Energie und Wasser als der Gast in einem Fünfsternehotel. Also würde das Hostel bei einer auf den Bereich des Umweltfußabdrucks beschränkten ESG-Analyse deutlich besser beurteilt werden als das Fünfsternehotel.

Allerdings werden dabei die sehr unterschiedlichen sozio-ökonomischen Beiträge und Wirkungen dieser Hotelkategorien nicht in direkte Relation gesetzt zum Umwelt- und Klimafußabdruck. Denn ein Fünfsternehotel beschäftigt ein Vielfaches an Personal im Vergleich zu einem Hostel. Hier einige aktuelle Zahlen dazu:

Europas größte Hostelgruppe, die a&o Hostels, beschäftigen bei aktuell 28.000 Betten in mehr als 8000 Zimmern laut eigenen Angaben mehr als 1.000 Angestellte, also pro 8 Zimmer eine/n Angestellte/n.

Das umsatzstärkste Hotel Deutschlands, der Bayerische Hof in München, hat für seine 337 Zimmer eine Personalstärke von 700, also pro Zimmer mehr als 2 Angestellte, und damit 16mal so viel Personal je Zimmer wie a&o Hostels.

Natürlich ist der Energie- und Wasserverbrauch je Übernachtung im Bayerischen Hof deutlich höher als im a&o Hostel, allerdings nicht 16mal so hoch. Damit ist die Relation Energie- und Wasserver­brauch zu Arbeitsplätzen und damit dem wichtigsten Teil der „Social Gover­nance“, den Beiträgen des Hotels zur Beschäftigung, beim Bayerischen Hof deutlich besser als im a&o Hostel und damit auch die Gesamtbilanz der ESG, Environmental&Social Governance dieses Luxushotels.

Umgekehrt ausgedrückt brauchen die a&o Hostels 5.600 Zimmer, um ebenso vielen Menschen Arbeit&Brot zu bieten wie der Bayerische Hof bei 337 Zimmern. Und in diesen 5600 Zimmern verbrauchen die Hostelgäste mit Sicherheit sehr viel mehr Energie und Wasser als die Gäste dieses Fünfsternehotels in 337 Zimmern. Hinzu kommt, dass die Fünfsternegäste auch deutlich mehr für Essen, Einkäufe, Trinkgelder etc. ausgeben als die Backpacker in einem a&o Hostel. Damit vergrößert sich der Abstand in der Gesamtbilanz Umweltverbrauch zu sozio-ökonomischen Beiträgen weiter zugunsten des Bayerischen Hofes.

Fazit

Wenn die Hotellerie nicht die Anschlussfähigkeit an die neuen Vorgaben zur EU-Taxonomie zu Environmental&Social Governance verlieren will, muss sie sich dringend als die Branche mit einem sehr großen positiven Social impact präsentieren. Und damit zugleich darauf hin­wirken, dass dieses „Pfund“ mit dem sie wuchern kann, auch wirklich berücksichtigt wird. Ansonsten könnte das Risiko bestehen, dass wichtige Investoren sich aus der Hotel­finanzierung zurückziehen. Denn die schon während der Pandemie lauter gewordene Tourismuskritik könnte versuchen, das Thema Umwelttaxonomie zu Ungunsten von Hotel­investitionen zu instrumentalisieren. Deshalb ist eine offensive Strategie der Hotellerie beispielsweise unter dem Motto „Wir sind die größte Umverteilungsbranche von Wohl­haben­­deren zu weniger Wohlhabenden“ jetzt dringender denn je.