Die Diskussion um die EU-Richtlinie zur Gebäudeeffizienz konzentrierte sich hauptsächlich auf die Frage, ob eine Sanierungspflicht erforderlich ist. Kürzlich wurde im EU-Trilog ein Kompromiss erzielt: Bis 2035 soll der Energieverbrauch von Wohngebäuden im Durchschnitt um etwa 20 Prozent gesenkt werden, wobei rund die Hälfte dieser Reduzierung durch die Sanierung der am wenigsten energieeffizienten Gebäude erreicht werden soll.
Dies bedeutet, dass eine allgemeine Sanierungspflicht für ineffiziente Wohngebäude nicht mehr vorgesehen ist, aber der Schwerpunkt auf dieser Gebäudegruppe bestehen bleibt. Bei Nicht-Wohngebäuden ist jedoch geplant, dass bis 2033 die 26% am schlechtesten abschneidenden Gebäude saniert werden.

Des Weiteren wurde vereinbart, dass ab 2030 alle Neubauten emissionsfrei sein müssen und bis 2050 der gesamte Gebäudebestand aus solchen Nullemissionsgebäuden bestehen soll. Bei Neubauten und Sanierungen von Nicht-Wohngebäuden wird der Einbau von Solaranlagen verpflichtend. Zudem sollen die EU-Mitgliedsstaaten in ihren nationalen Gebäuderenovierungsplänen darlegen, wie sie bis 2040 vollständig auf fossile Heizsysteme verzichten wollen.

In den ursprünglichen Verhandlungspositionen der Europäischen Kommission, des Rats und des Parlaments war eine Sanierungspflicht vorgesehen, die ein zentraler Bestandteil der Wärmewende werden sollte. Die Haltung des Rates und insbesondere der deutschen Regierung, vertreten durch Bauministerin Klara Geywitz, hat sich jedoch im Laufe der Zeit verändert und stand der Sanierungspflicht kritisch gegenüber.

Bevor die Richtlinie in Kraft treten kann, müssen der Rat und das Parlament sie formal annehmen. Anschließend muss sie in nationales Recht umgesetzt werden, was in Deutschland eine Überarbeitung des Gebäudeenergie-Gesetzes erfordern würde. Um sicherzustellen, dass in der öffentlichen Debatte über die Kosten und den Klimanutzen der Richtlinie nicht nur die Stimmen der Interessensverbände gehört werden, wurden Experten vom Science media Centre gebeten, ihre fachlichen Einschätzungen zur Gebäudeeffizienz-Richtlinie vor und nach dem EU-Trilog zu teilen.

► Dr. Lisa Vollmer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Urbanistik, Bauhaus-Universität Weimar

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Die Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Stadt- und Wohnungsforschung zur sozial-ökologischen Wohnungsfrage finden bislang nur wenig Widerhall in der politischen und öffentlichen Debatte. In der sozial- wie umweltwissenschaftlichen Forschung ist unumstritten, dass Mindestenergiestandards im Gebäudesektor einen zentralen Pfeiler im Kampf gegen die Klimakrise und im Erreichen der CO2-Einsparziele spielen müssen.“

Energetische Sanierung und soziale Ungleichheit

„Auch in sozialer Hinsicht spielt die energetische Sanierung von Wohngebäuden insbesondere im bislang in der Öffentlichkeit kaum diskutierten Mietsektor eine wichtige Rolle, um Ungleichheiten auszugleichen. Denn Studien zeigen deutlich, dass die Ausgaben pro Quadratmeter für Heizung und Warmwasser mit sinkendem Einkommen steigen, was darauf hinweist, dass einkommensarme Haushalte in Gebäuden mit besonders schlechten Energiestandards leben [1].“

„Durch die derzeitige politische Regulierung energetischer Modernisierung entsteht aber ein institutionalisierter Zielkonflikt zwischen sozialen und ökologischen Belangen in der Wohnraumversorgung in Deutschland. Durch die sogenannte Modernisierungsumlage können die Investitionskosten für energetische Sanierungsmaßnahmen auf die Miete umgelegt werden. Da im privaten Mietsektor eher selten staatliche Fördermittel zur energetischen Modernisierung genutzt werden [2], tragen Mieter:innen die alleinigen Kosten der Wärmewende, haben aber gleichzeitig keinen Einfluss darauf ob und wie energetische Maßnahmen ergriffen werden. Qualitative Studien haben gezeigt, dass energetische Modernisierungen sehr häufig zu signifikanten Mietsteigerungen führen – die bei weitem nicht von dem Absinken der Heizkosten kompensiert werden – und es in der Folge zu Verdrängung und Segregation kommt oder zur Verdrängung aus dem Lebensstil, bei der Haushalte bei anderen Ausgaben des täglichen Lebens sparen müssen.“

„Die Einführung von Mindestenergiestandards für Gebäude ist gerade im Mietsektor aus Klimaschutzgründen zwar notwendig, weil Vermietende – jenseits der Möglichkeit zur Mietsteigerung – keinen Anreiz haben den Energiestandard zu erhöhen, da Mieter:innen die Energiekosten alleine tragen. Dies zeigt sich in der ausgesprochen niedrigen Sanierungsquote von einem Prozent des Gebäudebestandes pro Jahr. Wenn die Einführung von solchen Mindestenergiestandards nicht mit erheblichen sozialen Verwerfungen einhergehen soll, muss ihr in Deutschland eine grundlegende Neuaufteilung der Kosten der dafür notwendigen Investitionen vorausgehen. Die ansonsten zu erwartenden Mietsteigerungen sind für viele Haushalte mit geringem oder mittlerem Einkommen nicht tragbar. Eine Abschaffung der Modernisierungsumlage in Kombination mit der Einführung von ausreichenden und sozial gestaffelten Fördermitteln sowie eine Beteiligung der Immobilienwirtschaft und ihrer außerordentlichen Gewinne der letzten Jahrzehnte an den Kosten der Wärmewende ist geboten.“

► Malte Bei der Wieden

Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Freiburg

Wichtigste Punkte der EU-Richtlinie

„Der zentrale Punkt der Gebäudeeffizienz-Richtlinie sind energetische Mindesteffizienz-Standards (Minimum Energy Performance Standards; MEPS). Die Idee dahinter ist, dass zuerst die Gebäude saniert werden, in denen am meisten Energie verbraucht wird (worst performing buildings). Es wird aktuell noch verhandelt, ob diese Sanierungspflichten für Einzelgebäude gelten sollen oder ob lediglich ein Ziel festgelegt wird für die durchschnittliche Effizienz des Gebäudebestands. Für Wohngebäude werden die Anforderungen voraussichtlich nur als Durchschnittswerte formuliert. Das bedeutet, dass in der EU-Richtlinie keine Sanierungspflichten für Wohngebäude definiert werden, sondern die Mitgliedsstaaten durch andere Instrumente dafür sorgen müssen, dass dieses zusätzliche Effizienzziel in Form von Durchschnittswerten erreicht wird.“

Praktische Bedeutung für Sanierungen

„Gebäude mit hohem Energieverbrauch würden durch MEPS in den politischen Fokus rücken. Ein erster, sinnvoller Schritt ist immer die Erstellung eines Sanierungsfahrplans, in dem zusammen mit einem/einer Energieberater/in geplant wird, wann welche Teile des Gebäudes schrittweise saniert werden können. Etwaige Sanierungsvorgaben in der Gebäuderichtlinie beziehen sich auf Primärenergie. Die Energiemenge, die Verbraucher*innen in ihrer Energierechnung bezahlen, heißt Endenergie. Die Umrechnung von End- auf Primärenergie erfolgt über Faktoren, die die Umwandlungsverluste von zum Beispiel Rohöl in Heizöl abbilden. Gebäude verbrauchen bei gleichem Wärmeschutz deutlich mehr Primärenergie, wenn sie fossil anstatt erneuerbar beheizt werden. Bei vielen Gebäuden wären die Sanierungsvorschriften deshalb durch den Wechsel zu einer Heizung mit erneuerbaren Energien bereits erfüllbar und das Anbringen von Dämmung gar nicht erforderlich.“

Wichtige Argumente

„MEPS stellen eine Art Sicherheitsnetz dar im Politik-Mix der Wärmewende und könnten den Unterschied machen, ob die Klimaziele im Gebäudesektor erreicht werden oder nicht. Sie geben Klarheit und Planungssicherheit für Eigentümer*innen und Handwerk.“

„MEPS rücken diejenigen Gebäude in den Fokus, in denen am meisten Energie verheizt wird. Energetische Sanierungen sparen bei diesen Gebäuden am meisten Energiekosten ein und sind somit hier besonders wirtschaftlich.“

„Außerdem macht uns ein Gebäudebestand mit hohem Wärmeschutz krisenfester: Wir müssen weniger Gas importieren und Energiearmut wird langfristig bekämpft. Es ist jedoch wichtig, dass niemand durch MEPS in den Ruin getrieben wird. Einkommensschwache Haushalte müssen durch zielgerichtete Förderprogramme unterstützt werden. Der bestehende Worst-Performing-Buildings-Bonus und der geplante Sozial-Bonus in der Bundesförderung für effiziente Gebäude sind da Schritte in die richtige Richtung.“

Dieses Statement entstand in Zusammenarbeit mit Dr. Sibylle Braungardt, die gemeinsam mit Herrn Bei der Weiden am Öko-Institut arbeitet.