Präsident Müller sieht Atomstrom nicht als Ersatz für fehlendes Gas

Nach Angaben der Bundesnetzagentur könnten die deutschen Akw wegen eines drohenden Strommangels in Europa länger am Netz bleiben müssen. „In den laufenden Stresstests geht es um die Frage, ob unsere Atomkraftwerke länger am Netz bleiben müssen, um im Winter Strombedarfe bei uns und in Europa zu decken“, sagte Behördenpräsident Klaus Müller im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). „Das wird gerade von den Übertragungsnetzbetreibern sehr gründlich durchgerechnet.“

Zurzeit werde in Deutschland „zu viel Gas verstromt, vor allem, um Frankreich zu helfen, weil dort wegen der Probleme mit den dortigen Atomkraftwerken nicht genug Strom erzeugt werden kann“, erklärte Müller. Gegen eine Gasmangellage in Deutschland könnte Atomkraft „nicht helfen, denn wir benötigen das Gas als Grundstoff in der chemischen Industrie und für die Kraft-Wärme-Kopplung, also zum Heizen. Für beides ist Atomstrom kein Ersatz.“

Darüber hinaus erwartet Klaus Müller im Winter Einschränkungen bei Saunen und Wellness-Einrichtungen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Gasverbrauch im Freizeitbereich während des Winters angesichts der extrem hohen Energiepreise einfach weitergeht“, sagte Müller und ergänzte: „In jedem Fall wäre das in einer Gasmangellage grob unsolidarisch.“ Eine Gasmangellage hätte dramatische Folgen für Arbeitsplätze, Betriebe und Produktion. „Das muss jedem klar sein. Jobs und die Herstellung wichtiger Güter sollten uns in der Energiekrise wichtiger sein als persönliche Annehmlichkeiten“, sagte Müller der „NOZ“.

Der Behördenpräsident beklagte, die Dramatik sei noch längst nicht bei allen angekommen: „Es wird zwar viel über die hohen Preise diskutiert, aber manche denken offenbar, das Ganze habe nichts mit ihnen zu tun. Ich halte das für unangemessen, weil ich nicht will, dass die industrielle Substanz Deutschlands gefährdet wird“, sagte Müller der „NOZ“ weiter. „Man kann über Waschlappen-Empfehlungen denken, was man will – der Kern der Sache ist sehr ernst.“

In fünf Wochen beginne die Heizsaison. „Jetzt ist der Zeitpunkt, um als Familie, mit dem Vermieter, als Hausbesitzer gründlich zu überlegen, wie es gelingen kann, mindestens 20 Prozent weniger Gas zu verbrauchen“, sagte er der „NOZ“. Und wenn Russland noch weniger Gas an uns liefert, müssen die Sparanstrengungen noch verstärkt werden.“