Über die Zukunft des Wintersports in Zeiten von Klimawandel und Schneemangel wurde am Mittwochnachmittag im Sportausschuss diskutiert.

Bei der öffentlichen Anhörung prognostizierte Carmen de Jong, Professorin für Hydrologie an der Fakultät für Geografie und Raumplanung der Universität Straßburg, einen rasanten Anstieg der Skigebiets-Schließungen in den Alpen. Wintersportregionen in Europa litten nicht nur unter Schnee-, sondern zunehmend auch unter Wassermangel und Wasserkonflikten, sagte sie.

Für viele Wintersportorte sei es besser, sich frühzeitig umzuorientieren, „als mit dem Rücken an der Wand die Pleite zu gehen“. Dem hielt Hansueli Rhyner vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos entgegen, dass die technische Beschneiung, „wenn auch nicht überall“, aber doch an vielen Orten den Wintersport retten könne. Sowohl bei dem für die Beschneiungsanlagen genutzten Strom als auch beim benötigten Wasser gebe es große Einsparpotenziale.

Die Vizepräsidentin des Deutschen Alpenvereins (DAV), Burgi Beste, hatte zu Beginn der Anhörung gesagt, der DAV sehe sich als zuständiger Spitzenverband für das Skibergsteigen, aber ebenso als Klimaschutzverband und als Naturschutzverband. Mit dem Klettern, das in Tokio 2020 erstmals im Olympischen Programm war, und dem Skibergsteigen, der Wettkampfvariante des Skitourengehens, das 2026 bei den Winterspielen Mailand-Cortina seine olympische Premiere feiert, sei der DAV der einzige deutsche Verband mit einer Sommer- und einer Wintersportart. Beim Skibergsteigen als Wettkampfsport sorgten strenge Regeln für eine natur- und umweltverträgliche Organisation und Durchführung, sagte Beste. „Wir wollen unsere Sportart möglichst umweltfreundlich ausüben“, betonte sie.

Dass 90 Prozent der Skigebiete auf Beschneiung angewiesen seien, sehe der DAV kritisch. Noch immer seien Winter-Touristenorte zu stark auf den Winter und das klassische Wintersportangebot fokussiert, sagte sie. Dringend benötigt werde eine Ausdifferenzierung der Angebote, unter Beachtung von Klima- und Naturschutz.

Von einer ungebrochen hohen Nachfrage nach Wintersport sprach Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV). In Deutschland, dem Alpenraum und in der ganzen Welt würden Menschen auch in Zukunft Wintersport treiben und nach Gesundheit und Erlebnissen in der Natur streben. „Dies ist bisher und künftig nur im Einklang mit Gesellschaft und Umwelt verantwortbar“, sagte er. Der DSV wolle mit Innovationen und nachhaltiger Entwicklung die Zukunft erfolgreich gestalten. Dazu gehöre auch die Gestaltung schneesicherer Trainings- und Wettkampfstätten in Deutschland.

Nachhaltigkeit sei dabei nicht nur ein Schlagwort, machte er deutlich. Der DSV wolle dauerhaft sportlich und wirtschaftlich erfolgreich sein, „jedoch immer innerhalb sozialer und ökologischer Leitplanken“. Eindrucksvoller Beleg für die breite Anerkennung, die die Maßnahmen und Aktivitäten des DSV in der Öffentlichkeit erfahren würden, sei die aktuelle Nominierung des Nordic Zentrums Oberstdorf für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Sport im Bereich Sportanlagen/Sportstätten, sagte Steinle.

Einen radikalen Kurswechsel beim Wintersport forderte die Hydrologin Carmen de Jong. Politische Entscheidungsträger müssten erkennen, dass die künstliche Beschneiung, Pistenbearbeitung und das Ausweichen von Skigebieten in höhere Lagen „keine Umwelt- und klimagerechte Lösung sind“. Da viele Skigebiete jetzt schon am Limit der Wasserverfügbarkeit stünden, sei eine Zunahme der Beschneiung keine sinnvolle Strategie. Ob Wintersport-Großveranstaltungen oder gar Olympische Winterspiele in Deutschland überhaupt noch zu verantworten sind, sei sehr fraglich, urteilte sie.

Die Voraussetzungen für eine künstliche Beschneiung seien Temperaturen von mindestens minus drei Grad sowie eine gewissen Luftfeuchtigkeit, sagte Hansueli Rhyner. Viele Schneistunden brauche es zum Beschneien einer Piste nicht. „Die Sinnhaftigkeit ergibt sich über das Portemonnaie“, sagte er. „Technisch ist es ganz lange möglich, Schnee zu produzieren.“ Eine ganz große Spannbreite gebe es beim Stromverbrauch der Beschneiungsmaschinen – von 0,75 Kilowattstunden bis zu 15 Kilowattstunden. In den deutschen Skigebieten gingen derzeit 28 Prozent des Stromverbrauches in die Beschneiung. Zur Verfügung stehen müsse auch ausreichend Wasser – idealerweise aus Speicherseen. In die Skiregion hochgepumptes Wasser müsste stattdessen vorher noch extra gekühlt werden, erläuterte er. Auch beim Wasser sieht Rhyner großes Sparpotenzial. An vielen Orten werde derzeit mit schlecht eingestellten Maschinen gearbeitet.

In den deutschen Mittelgebirgen wird es nach Einschätzung von Professor Frank Daumann von der Friedrich-Schiller-Universität Jena bald keinen Wintersport mehr geben. Wintersportorte, die die Schneesicherheit zu verlieren drohen, könnten versuchen, das Angebot von Wintersportdienstleistungen zurückzuführen und den Ort als attraktive Sommerdestination auszubauen, regte er an.

In Orten, die nach wie vor schneesicher sind, eröffneten sich Preissetzungsspielräume. Dies biete zum einen die Chance, die Preise von Standarddienstleistungen anzuheben. Zum anderen könne in derartigen Orten auf ein exklusives und hochpreisiges Luxusangebot gesetzt werden. Ein wirtschaftspolitischer Handlungsbedarf des Bundes oder der Länder lasse sich aus den Entwicklungen nicht ableiten, befand Daumann. „Das ist ein typischer Strukturwandel, wie es ihn in allen Branchen gibt“, sagte der Sportökonom.

Auf die Folgen der eingeschränkten Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten im Wintersport ging Marc-Oliver Löw, Direktor im Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) ein. Im Nachwuchsbereich gehe es um die Weiterentwicklung der Wettkampfangebote im Sommer – beispielsweise unter Einbeziehung von Inline-Skates, dem Rad oder auch dem Skiroller. Möglich seien auch Wettkämpfe in anderen Sportarten „mit dem Ziel einer vielseitigen und allgemeinen Ausbildung und gleichzeitigem Fokus auf Teilleistungen und Leistungsvoraussetzungen“.

Im Spitzenbereich brachte er Überlegungen zur Verlagerung von Wettbewerben aus dem Winter in den Sommer ins Spiel. So etwa die Vergabe eines „Gesamt-Weltcup-Sieges“ unter Einbeziehung von Winter- und Sommerwettbewerben. Mit Blick auf ökonomische und ökologische Aspekte sprach sich Löw für die Etablierung fester Weltcup-, Weltmeisterschafts- und gegebenenfalls auch fester Olympiaorte aus.