Fachleute und Praktiker diskutieren im Forschungszentrum Eurac Research über die Zukunft dieser nachhaltigen Tourismusform und stellen Erfolgsbeispiele aus der ganzen Welt vor.
In den vergangenen zehn Jahren hat die Anzahl der Agrotourismus-Betriebe in Italien um mehr als 60 Prozent zugenommen. 23.406 Betriebe gab es laut ISTAT im Jahr 2017, der Gesamtumsatz betrug 1,36 Milliarden Euro – das bedeutet ein Plus von 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Zu den erfolgreichsten Agrotourismus-Regionen zählt neben der Toskana auch Südtirol: Rund 3.000 der 20.000 landwirtschaftlichen Betriebe in der Provinz bieten Urlaub auf dem Bauernhof an und bauen sich dadurch ein zweites wirtschaftliches Standbein auf. Über aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen dieser nachhaltigen Tourismusform diskutieren Fachleute und Praktiker vom 7. bis 9. November im Forschungszentrum Eurac Research beim ersten Agrotourismus-Weltkongress.
100 Referenten aus 42 Ländern – Fachleute, Praktiker, Interessensvertreter und Politiker – bringen beim dreitägigen Kongress ihre Erfahrungen ein. An den Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen nehmen 250 Menschen teil. „Mit dem Kongress möchten wir eine internationale Plattform zu diesem Thema schaffen“, sagt Thomas Streifeneder, Leiter des Instituts für Regionalentwicklung von Eurac Research, das den Kongress organisiert. „Eine Plattform für Praktiker und Fachleute, um Erfahrungen und Wissen interdisziplinär auszutauschen. Der Fokus liegt dabei auf Entwicklungen weltweit.“
Aber was bedeutet eigentlich „Urlaub auf dem Bauernhof“? Was macht diese spezielle Form des Tourismus aus? Darüber zu diskutieren und sich gemeinsam auf wesentliche Merkmale zu verständigen, wird angesichts des vielfältigen Angebots ein zentraler Punkt des Kongresses sein. „Wenn wir von Agrotourismus sprechen meinen wir einen Hof, meist in Familienhand, der eine funktionierende Landwirtschaft betreibt. Der Anbieter muss mehr Zeit für die Landwirtschaft als für den Tourismus aufwenden, um einen authentischen Urlaub auf dem Bauernhof anbieten zu können“, erläutert Streifeneder.
In Südtirol hat Urlaub auf dem Bauernhof eine lange Tradition. „Agrotourismus ist bei uns neben Obst, Milch und Wein zur vierten tragenden Säule der Landwirtschaft geworden“, erklärt Leo Tiefenthaler, Obmann des Südtiroler Bauernbundes, der ebenfalls zu den Organisatoren des Kongresses gehört. „Die Einnahmen sind mit jenen im Weinbau vergleichbar. In Südtirol machen die 2,5 Millionen Agrotourismus Übernachtungen acht Prozent aller Übernachtungen aus.“
Agrotourismus als alternatives Tourismusangebot wirkt sich vielerorts positiv auf die Entwicklung des ländlichen Raums aus. Gerade in Entwicklungsländern trägt die zusätzliche Einkommensquelle dazu bei, dass Bauern ihre Betriebe weiterhin bewirtschaften und ihren Lebensunterhalt sichern können, und somit die kleinstrukturierte Landwirtschaft erhalten und die Landflucht eingeschränkt wird. Ein Beispiel dafür ist „Acolhida na Colônia“, ein Netzwerk familiengeführter Agrotourismus-Betriebe in Brasilien. Das Netzwerk, das auf dem Kongress in Bozen vorgestellt wird, führt ebenso wie der Südtiroler „Rote Hahn“ vor Augen, wie Urlaub auf dem Bauernhof zur nachhaltigen Entwicklung einer Region beitragen kann. Über die Situation in Afrika spricht Jacqui Taylor, Gründerin des Netzwerks „Agritourism South Africa“, mit über 30 Jahren Erfahrung im Sektor.
Der Kongress wird von Eurac Research in Zusammenarbeit mit der Autonomen Provinz Bozen, dem Südtiroler Bauernbund, dem Roten Hahn, der Stadt Bozen und IDM Südtirol organisiert.
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