Die Ozonschicht über der Antarktis erholt sich möglichweise nicht so gut, wie in den zurückliegenden Jahren prognostiziert. Die Konzentration des Gases im Zentrum des Ozonlochs über dem südlichsten Kontinent hat seit 2004 in den Oktobermonaten um gut ein Viertel abgenommen.

Es ist möglich, dass die Ozonschicht über der Antarktis nicht so gut erholt wird, wie in den letzten Jahren erwartet. In den Oktobermonaten hat die Gaskonzentration im Zentrum des Ozonlochs über dem südlichsten Kontinent seit 2004 um fast ein Viertel abgenommen.

Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung wurde im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht. Für ihre Arbeit haben die Forscher die täglichen und monatlichen Schwankungen der Ozonkonzentrationen in verschiedenen Höhen der Stratosphäre zwischen 2001 und 2022 analysiert. Sie diskutieren Veränderungen der Dynamik der Mesosphäre, der Schicht der Atmosphäre oberhalb der Stratosphäre, als mögliche Ursache.

Bereits 1987 haben die Vereinten Nationen das so genannte Montreal Protokoll beschlossen, das alle Länder verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht zu ergreifen. Daraufhin wurden die Emissionen Ozon-zerstörender Substanzen konsequent reduziert. Deswegen haben Forschende zunächst prognostiziert, dass sich das Ozonloch bis etwa Mitte des 21. Jahrhunderts wieder komplett schließen würde. Studien der vergangenen Jahre weisen inzwischen darauf hin, dass dies etwa 30 Jahre länger dauern könnte . Gründe dafür sind vermehrte Dichlormethan-Emissionen  – vor allem in China –, die im Montreal Protokoll nicht aufgeführt sind, weil sie nur kurzlebig sind, und auch wegen Emissionen aus großflächigen Waldbränden.

Die Forschenden haben für ihre aktuelle Studie die Ozonkonzentrationen ab dem Jahr 2001 in den Monaten September bis November, in denen das Ozonloch über der Antarktis auftritt, ausgewertet. Allerdings haben sie bei ihrer Trendberechnung die Jahre 2002 und 2019 ausgeschlossen, da es in diesen Jahren plötzliche Stratosphärenerwärmungen gab, die großen Einfluss auf den Zustand des Ozonlochs hatten. Für die übrigen Jahre zeigt sich im September weiterhin die beobachtete Erholung, jedoch ist die Konzentration in der mittleren Stratosphäre im Oktober im Zentrum des Ozonlochs um 26 Prozent zurückgegangen. Zudem finden die Forschenden, dass das Ozonloch später auftritt und sich später wieder schließt als in vorangegangenen Jahren.

Das Science Media Center hat entsprechende Fachleute nach ihrer Meinung befragt:

► Dr. Peter von der Gathen

Wissenschaftlicher Mitarbeiter Abteilung Physik der Atmosphäre, Fachbereich Klimawissenschaften, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Bremerhaven

„Auch wenn die aktuelle Studie einen zeitlich und räumlich beschränkten Ozonrückgang über dem Ozonloch während der zurückliegenden Jahre nachweist, rüttelt sie nicht am großen Erfolg des Montreal Protokolls für Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen. Die Arbeit zeigt, dass neben diesen Stoffen auch andere Prozesse – wie zum Beispiel der Klimawandel – Art und Zeitpunkt der Erholung der Ozonschicht mitbestimmen. Diese Prozesse rücken seit einiger Zeit immer stärker in den Fokus der Wissenschaft. So findet der Klimawandel auch in der Stratosphäre statt  und hat Auswirkungen auf die Ozonschicht. Wir wissen: Außerhalb der Polargebiete hat der Klimawandel einen positiven Einfluss auf die Ozonschicht. Im winterlichen, stratosphärischen Polarwirbel – dort, wo der starke Ozonabbau stattfindet – kann die Sachlage anders liegen, wie die nun vorliegende Studie belegt. Diese zusätzlichen Prozesse verkomplizieren nicht nur den eindeutigen Nachweis, sondern auch die Vorhersage über das Tempo der zukünftigen Erholung.“

► Prof. Dr. Martin Dameris

Seniorwissenschaftler am Institut für Physik der Atmosphäre (IPA), Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Oberpfaffenhofen

„Die aktuelle Studie beleuchtet ein sehr wichtiges Themenfeld. Die Rolle des Klimawandels auf die weitere Entwicklung der Ozonschicht wird nach wie vor von wissenschaftlicher Seite her intensiv untersucht. In den vergangenen Ozonberichten der Weltmeteorologie-Organisation WMO wird das Thema ‚Verknüpfungen zwischen Klima und Ozon‘ (climate-ozone connections) seit 2006 in eigenen Kapiteln besprochen.“

„Die nun vorliegende Arbeit hat einige interessante, durchaus neue Ergebnisse zu diskutieren. Es ist bekannt, dass sich mit dem Klimawandel die ‚Dynamik‘ der Atmosphäre ändert. Neu ist hier, die Rolle der Mesosphäre zu betrachten – das heißt, dass der geänderte Eintrag von Luftmassen von oben in die Stratosphäre angesprochen und mit entsprechenden Satellitendaten untermauert wird.“

Methodik

„Ich habe aber gewisse Bedenken hinsichtlich der durchgeführten Analysen. Die Autoren berücksichtigen nicht die Jahre 2002 und 2019, in denen es eine plötzliche Erwärmung der Stratosphäre gab, die großen Einfluss auf die Ozonschicht hat. Zudem waren die Jahre 2020, 2021 und 2022 außergewöhnlich – nicht im Sinne von (wiederauftretenden) Ozonlöchern, sondern hinsichtlich ihrer Langlebigkeit. Entsprechende Beobachtungen aus dem Jahr 2019 zeigen aber ein ganz anderes Bild mit einem sehr kleinen Ozonloch, das kleinste seit 1988. Insoweit stelle ich einige der gemachten Aussagen in Frage.“

„Und so habe ich mit der Darstellung und Erklärung der Motivation der Arbeit ein paar Probleme. Dies beginnt mit dem ersten Satz der Zusammenfassung, der so nicht stimmt: ‚The past three years (2020–2022) have witnessed the re-emergence of large, long-lived ozone holes over Antarctica.‘ Richtig ist: Es gab in diesen drei Jahren (2020/2021/2022) recht große Ozonlöcher die ‚wieder auftauchen‘, was aus wissenschaftlicher Sicht nichts Besonderes ist. Falsch ist in diesem Zusammenhang die Aussage, dass langlebige Ozonlöcher wieder auftreten. Im Gegenteil: Neu ist die Beobachtung, dass in diesen drei Jahren die Ozonlöcher so lange existierten, also bis in den Dezember hinein zu beobachten sind. Dies ist eine neue Erkenntnis und es ist kein Wiederauftauchen von bekannten Signaturen oder eines bekannten Phänomens. Hier gab es in den Jahren von 2020 bis 2022 neue Rekorde. Vorher waren so ‚langlebige‘ Ozonlöcher nicht detektiert worden.“

„Die Autoren unterschlagen ferner eine wichtige Information: Im Jahr 2019 gab es ‚das kleinste Ozonloch‘ der vergangenen 35 Jahre, verursacht durch eine sehr warme Stratosphäre in diesem Winter und Frühling 2019. Was mich an den Ausführungen der Arbeit stört ist, dass in den Abbildungen 1 und 4 – wahrscheinlich auch für die Analysen gezeigt in Abbildungen 2 und 3 – das Jahr 2019 ausgenommen wurde. Wenn das Jahr entsprechend in all den Darstellungen beziehungsweise Analysen dazu genommen würde, kämen sicherlich ganz andere Werte heraus. Die gezeigten linearen Veränderungen werden stark von den vorangegangenen drei Jahren der Analyse geprägt – also 2020, 2021 und 2022. Meines Erachtens bedeutet dies, dass es bisher keine signifikanten langzeitlichen Veränderungen gibt, die man so nachweisen könnte. Die beispielsweise in Abbildung 4 genannten Änderungen der Ozonteilsäulen – von minus 17 beziehungsweise minus 26 Prozent – wären bestimmt anders, wenn die Werte für 2019 eingetragen beziehungsweise für die Analysen berücksichtigt würden. Wie die Autoren anmerken, sind die genannten (großen) negativen Veränderungen im statistischen Sinne nicht signifikant, was auch nicht verwunderlich ist, da die interne Variabilität von Jahr zu Jahr recht groß ist.“

Mögliche Verzögerung der Erholung der Ozonschicht

„Wie in den vergangenen Ozonberichten der Weltmeteorologie-Organisation WMO [2] dargestellt, kann fest davon ausgegangen werden, dass sich die Ozonschicht gegen Mitte dieses Jahrhunderts vollständig regeneriert. Offen ist die Frage nach der weiteren Entwicklung der Ozonschicht im Klimawandel, das heißt, in einer Atmosphäre mit höheren Treibhausgaskonzentrationen. Hier sind noch einige Fragen zu klären, unter anderem hinsichtlich der möglichen Veränderungen der Dynamik der Atmosphäre. In diesem Zusammenhang spielt der Polarwirbel in der Strato- und Mesosphäre eine Rolle. Insoweit wird in dieser Arbeit ein wichtiger Aspekt angesprochen. Aus meiner Sicht sind die gemachten Aussagen hinsichtlich eines verstärkten Luftmasseneintrags von oben noch zu bestätigen. Ich habe Zweifel an der durchgeführten Analyse.“

Rolle der atmosphärischen Dynamiken für das Ozonloch

„Dynamische Änderungen in der Atmosphäre spielen in Zukunft im Klimawandel sicherlich eine größere Rolle. Ob die genannten drei Jahre 2020 bis 2022 bereits ein belastbarer Hinweis darauf sind, ist noch nicht klar. Sie könnten ein erster Hinweis sein, mehr aber auch nicht. Unklar ist nach wie vor, ob in Zukunft auch mehr extreme Bedingungen in der Stratosphäre auftreten werden oder ob sich die Bedingungen durch eine kälter werdende Stratosphäre eher stabilisieren.“

„Bekannt ist, dass sich mit dem Klimawandel die Dynamik der Atmosphäre, also auch die der Stratosphäre verändert. Die Analysen entsprechender Satellitenmessungen deuten darauf hin, dass verstärkt Luftmassen von weiter oben nach unten verfrachtet werden. Da in der Arbeit (zum Beispiel Abbildungen 3 und 5) nur die Mittel von 2004 bis 2022 gezeigt werden, könnten sich die Ergebnisse der durchgeführten Analysen anders darstellen.“

„Bekannt und gut untermauert durch Beobachtungen ist auch die Abkühlung der Stratosphäre in den vergangenen vier Jahrzehnten. Ursache sind die erhöhten Konzentrationen der gut durchmischten Treibhausgase, allen voran Kohlendioxid. Diese kälteren Bedingungen in der Stratosphäre unterstützen die Ausbildung von starken Polarwirbeln im Winter und können somit die Lebenszeit der Polarwirbel verlängern und so auch die Ozonlochphase. Somit kann dies Einfluss auf die Dynamik der Atmosphäre haben. Ein verstärktes Absinken von Luftmassen aus der Mesosphäre in die Stratosphäre ist in diesem Zusammenhang eine sehr interessante Beobachtung, die sicherlich in Zukunft weiter betrachtet beziehungsweise untersucht werden sollte.“

Wird das Ozonloch wieder größer?

„Nein, ich hoffe nicht. Der Chlorgehalt durch die FCKW ist nach wie vor hoch. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde ein Rückgang der Chlorbeladung von etwa zwölf Prozent gemessen. Also: Das Montreal Protokoll zum Schutz der Ozonschicht wirkt. Aber es braucht noch Zeit. Der Klimawandel ist eine wichtige Komponente, die im Auge behalten werden muss. Im Mittel wird das Ozonloch in den kommenden Jahren kleiner werden, trotzdem kann es noch Jahre mit großen Ozonlöchern geben – wie 2020, 2021 und 2022 –, wenn entsprechende meteorologische Bedingungen existieren. Es können aber schon jetzt auch Jahre mit sehr kleinen Ozonlöchern – wie in 2019 – auftreten. Wie ausgeführt, spielen hier dynamische Prozesse – Wind und Temperatur – in der Stratosphäre eine wichtige Rolle für die Ausbildung des Ozonlochs. Da sich die Dynamik der Atmosphäre durch den Klimawandel verändert, können hier zukünftig weitere Modulationen hinsichtlich des Weges der Ozonschichterholung ergeben. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die Atmosphäre und auch die Ozonschicht weiter intensiv beobachtet werden.“

► Dr. Rolf Müller

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-7), Bereich Stratosphäre, Forschungszentrum Jülich (FZJ)

„Die aktuelle Studie beschäftigt sich dem antarktischen Ozonloch in den Jahren 2020 bis 2022. Der Ozonverlust in diesen Jahren war groß. Ich denke, der wichtigste Punkt ist, dass die Hauptaussagen des Assessments 2022 der WMO nicht in Frage gestellt werden: Dass die im Rahmen des Montrealer Protokolls ergriffenen Maßnahmen zu einer Verringerung der die atmosphärischen Mengen an kontrollierten ozonabbauenden Stoffen weiter zu verringern haben und die Erholung der stratosphärischen Ozonschicht weiter vorantreiben – trotz substanzieller Schwankungen der Größe und Dauer des Ozonlochs zwischen den Jahren.“

„Richtig ist sicher, dass regelmäßige Messungen des stratosphärischen Ozons allgemein und des ‚Ozonlochs’ insbesondere nötig sind und bleiben.“

„Ein wichtiger Punkt der Studie ist, dass der Einfluss von mesosphärischem Abwärtstransport auf die Ozongesamtsäule von Bedeutung sein könnte. Dies ist ein interessanter Punkt – die stratosphärische Halogenbelastung ist hier nicht entscheidend. Der Punkt ist gut, hier könnte das Paper vielleicht sogar noch mehr leisten.“

„Zum Ozontrend über lange Zeiträume stellt sich die Frage: Wie groß ist der Einfluss der Jahre 2020 bis 2022 Jahre auf die Trendberechnung? Endpunkte sind wichtig für Trendberechnungen. Die Studie sagt deutlich, es ginge um Ozonveränderung, nicht um -attribution (gemeint ist die Zuordnung, welche Ursache diese Veränderungen haben; Anm. d. Red.). Das ist in Ordnung, aber wenn man über die Erholung der Ozonschicht oder das Montreal Protokoll spricht, steht natürlich Ozon-Attribution im Hintergrund oder zumindest denkt der Leser daran.“

„Zwar sagt die Studie, dass sich das antarktische Ozonloch bis 2065 erholen dürfte, betont aber gleichzeitig, dass sich diese Erholung wegen bisher nicht erfasster Chlorfreisetzungen aus Waldbrandaerosolen verzögern könnte. Die dafür herangezogene Literaturstelle (Referenz 25) betrachtet die Chlor-Aktivierung, also nicht den eventuellen Anstieg der Halogenbelastung der Atmosphäre. Dort wird also nicht über die Chlorfreisetzung aus Waldbrandaerosolen gesprochen. Auch argumentieren sie mit Hinweisen aus einer weiteren Quelle (Referenz 26) auf eine verzögerte Erholung der Ozonschicht, obwohl die zitierte Studie nicht die FCKW betrachtet, die am häufigsten in der Atmosphäre auftreten.“

► Dr. Christoph Brühl

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Atmosphärenchemie, Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz

Wird das Ozonloch wieder größer?

„Die Studie birgt die Gefahr, dass daraus falsche und nicht haltbare Schlüsse gezogen werden. Wenn man das Jahr 2019 berücksichtigt, hätte man keinen Trend, nur Variabilität. Ein wichtiger und richtiger Schluss ist aber, dass das Ozonminimum im Ozonloch immer näher zum Sommer auftritt, wenn die meteorologischen Bedingungen stimmen, und somit die Gefahr durch erhöhte UV-Strahlung für Pflanzen, Tiere und Menschen vorübergehend größer wird. Dies ist auch in der Nähe der Arktis möglich. Das haben aber auch schon andere Studien gefunden.“

Methodik

„Die Ergebnisse der Studie ist leider oft nicht statistisch signifikant, wie die Autoren auch auf Seite 2 schreiben. Ein Problem ist auch, dass zwei Jahre – 2002 und 2019 – weggelassen werden, in denen die Meteorologie dafür gesorgt hat, dass die Ozonlöcher vorzeitig durch Mischung mit Luft aus niederen Breiten aufgefüllt wurden. In der Studie wird immer nur von Mittelwerten in den einzelnen Mitteln gesprochen, bei denen es einen großen Unterschied macht, ob der Wirbel polzentriert liegt oder nicht – das ist nicht ‚State of the Art‘, es gibt Methoden diesen ungewünschten Effekt zu eliminieren. Gegen Ende der Zeitreihe gab es eine Häufung von in Oktober und November polzentrierten Wirbeln, was einen Trend vortäuscht. Die tiefen und großen Ozonlöcher gab es in den Jahren mit einer starken Störung von Meteorologie und Chemie durch Vulkan- und Waldbrandaerosole, wie auch im Text erwähnt. Der starke Einfluss der quasi-zweijährigen Schwingung (,Quasi-Biennial Oscillation‘) wird nicht erwähnt (eine quasi-periodische atmosphärische Welle in der Stratosphäre; Anm. d. Red.). Ich vermisse auch die verfügbaren Beobachtungen von Chlorwasserstoff (HCl) und Chlormonoxid (ClO), die man teilweise in zitierten Studien findet.“

Mögliche Verzögerung der Erholung der Ozonschicht

„Natürliche Prozesse sorgen für eine starke Variabilität. In den nächsten Jahre wird immer noch genügend Chlor und Brom in der Stratosphäre sein, um bei günstigen meteorologischen Bedingungen für ein tiefes Ozonloch im Spätfrühling zu sorgen. Der Ozonabbau nach Ende der Polarnacht geht nur langsamer, was zur Chlorabnahme passt.“

Anteil verschiedener Prozesse am Ozonabbau

„Die Verwendung von zu stark vereinfachten linearen Ansätzen lässt leider keine Aufschlüsselung nach Prozessen zu, da sind diverse Zitate (zum Beispiel die Referenzen 25 und 28) besser. Die Veränderung der Absinkprozesse in der mittleren Stratosphäre im Polarwinter durch die Treibhausgase über Strahlungseffekte sind wichtig fürs Ozonloch, aber auch Veränderungen durch Aerosoleintrag in einzelnen Jahren. Leider gibt es aber immer noch Widersprüche zwischen Beobachtungen und Modellen bei den Trends, es gibt also Forschungsbedarf.“

„Die Beobachtungen zum Ozonloch beider Hemisphären einschließlich Videos finden Sie unter [3].“

► Dr. Sabine Bischof

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungseinheit Maritime Meteorologie, Forschungsbereich Ozeanzirkulation und Klimadynamik, Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR)

„Es kommt nach wie vor jedes Jahr zum chemischen Abbau von Ozon in der Stratosphäre. Dieser ist besonders stark über der Antarktis und führt zur Bildung des sogenannten Ozonlochs. Dieses ‚Loch‘ in der Ozonschicht – also ein Bereich mit besonders geringen Ozonwerten – bildet sich jedes Jahr im August, wächst bis in den Oktober, und wird danach wieder kleiner, bis es sich im Dezember schließt. Die Größe und die Lebensdauer des Ozonlochs und auch die Minimumwerte im gemessenen Ozon variieren von Jahr zu Jahr und sind abhängig von der Temperatur, der Dynamik und der Chemie in der Stratosphäre. Mit der Regulierung von FCKW – durch das Montrealer Protokoll und Folgeverträge – konnte der negative Trend im stratosphärischen Ozon über der Antarktis, den wir besonders in den 80er und 90er Jahren beobachten konnten, gestoppt werden. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer werden die bereits ausgestoßenen FCKW aber noch weiter zum jährlichen Ozonabbau beitragen. Seit ein paar Jahren wird die ‚Heilung‘ der Ozonschicht diskutiert, für den September konnte bereits eine mittlere Zunahme des Ozons festgestellt werden. Im Oktober ist das schwieriger, da mehr Variabilität zwischen den einzelnen Jahren einen möglichen positiven Trend maskiert – diese höhere Variabilität ist vor allem auf die Dynamik in der Atmosphäre zurückzuführen.“

„Die aktuelle Studie untersucht den Einfluss der vergangenen drei Jahre 2020 bis 2022 auf den Trend im Ozon über der Antarktis seit den frühen 2000er Jahren. 2020, 2021 und 2022 waren durch ein jeweils relativ großes Ozonloch mit überdurchschnittlich langer Lebenszeit gekennzeichnet. Werden diese drei Jahre in die Trendberechnung miteinbezogen – wie in der aktuellen Studie –, zeigt sich keine signifikante Heilung der Ozonschicht im September mehr. Wenn nur eine bestimmte Schicht in der Stratosphäre betrachtet wird, kommen die Autoren sogar zu einem signifikanten negativen Trend – allerdings im Oktober. Warum gerade die zurückliegenden drei Jahre so hervorstechen, ist noch nicht klar. Aerosole aus Vulkanausbrüchen und Waldbränden in Australien (2019/20) könnten einen Beitrag dazu geleistet haben. In der vorliegenden Studie wird ein möglicher Einfluss durch die Mesosphäre – die Schicht über der Stratosphäre – diskutiert, welcher aber durch weitere Studien noch genauer untersucht werden muss. Die Studie stellt die prognostizierte Heilung der Ozonschicht nicht in Frage – sie plädiert allerdings für die Notwendigkeit, die kontinuierliche Beobachtung des Zustands der Ozonschicht fortzusetzen.“

► Dr. Gabriel Chiodo

Leiter einer Juniorforschungsgruppe in der Forschungsgruppe Atmosphärische Prozesse und Vorhersagbarkeit, Institut für Atmosphäre und Klima, Department für Umweltwissenschaften, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ), Schweiz

„Die aktuelle Studie widerlegt nicht wirklich die Erwartung einer anhaltenden Erholung – oder einer gestoppten Erschöpfung – seit der Jahrhundertwende, da dies tatsächlich für den Monat September bestätigt wird. Die neuen Erkenntnisse betreffen die anhaltenden Abbautrends des Ozons in der mittleren Stratosphäre im Oktober und den Versuch, sie mit einem anderen Mechanismus zu erklären als in anderen Studien – mit dem mesosphärischen Antrieb statt mit Vulkan- und Waldbrandaerosolen. Allerdings halte ich viele der Schlussfolgerungen aufgrund einer Reihe von Problemen in ihrer Methodik für fragwürdig.“

Methodik

„Erstens ist die statistische Signifikanz ihrer Trends fraglich und viele der Aussagen sind nicht vollständig gerechtfertigt. Praktisch keine der integrierten Ozon-Metriken – Gesamtmenge des Ozons in der Luftsäule (TCO) und Auflösungs-/Beginndatum des Ozonlochs nimmt für die Monate Oktober und November signifikant ab (Abbildung 1a). Diese integrierten Metriken sind die relevantesten für die Charakterisierung der Entwicklung der Ozonschicht und für ihre möglichen Auswirkungen auf das Klima. Ozon in der mittlere Stratosphäre – der atmosphärischen Region, in der die Autoren im Oktober ein Signal finden – trägt nicht viel zur ‚vertikal integrierten Ozonsäule‘ (TCO) bei und wir können daher nicht wirklich von einem verstärkten Ozonloch sprechen.“

„Zweitens leitet die Studie die Ursachen dieses Ozonverlusts im Oktober und die Rolle der Mesosphäre einfach durch die Verwendung linearer Korrelationen anstelle deterministischer physikalischer und chemischer Modellierungen ab. Während ein mesosphärischer Antrieb nicht ausgeschlossen werden kann, könnten viele andere Faktoren die Analyse beeinträchtigen, zum Beispiel vulkanische Aerosole. Die Analyse kann nicht vollständig zwischen diesen Antrieben differenzieren und daher kann noch keine eindeutige Schlussfolgerung hinsichtlich der Kausalität gezogen werden. Dennoch ist diese Studie interessant, weil sie die Frage nach einem kontinuierlichen Rückgang in bestimmten Niveaus – 30 bis 40 Kilometer Höhe – aufwirft.“

„Der Rückgang um 26 Prozent bezieht sich aber nur auf eine bestimmte Schicht der Stratosphäre – bei Luftdrucken von 5 bis 50 Hektopascal (21 bis 37 Kilometer Höhe; Anm. d. Red.) – und kann nach Angaben der Autoren höchstens zu einem Rückgang der Säule um 20 bis 30 Dobson-Einheiten (Maß für die Konzentration von Spurengasen in der Atmosphäre; Anm. d. Red.) in der Ozonsäule führen, also 10 Prozent Rückgang. Zum Vergleich: Der historische Ozonabbau aufgrund von FCKW führte zu einem Rückgang der Ozonsäule um 40 bis 50 Prozent – oder einer Änderung um 150 Dobson-Einheiten –, wie aus den Veränderungen zwischen 1980 und 2000 hervorgeht. Dieser Effekt ist also etwa vier- oder fünfmal kleiner als die FCKW-induzierten Trends. Da die UV-Inzidenz eine Funktion des Total-Ozons (TCO) ist und sich TCO im Oktober in keine Richtung ändert, ist es unwahrscheinlich, dass diese Ozonverluste die UV-Exposition erhöhen.“

Mögliche Verzögerung der Erholung der Ozonschicht

„Die vorliegende Studie bietet neben den gut untersuchten vulkanischen Effekten und Waldbrandaerosolen interessante zusätzliche Einblicke in einen potenziellen neuen Antriebsmechanismus des polaren Ozonverlusts, nämlich das mesosphärische NOx (NOx steht für Stickoxide; Anm. d. Red.). Obwohl ich diesen Antrieb tatsächlich für einzelne Jahre für potenziell wichtig halte, zum Beispiel durch verstärkten Teilchenantrieb von der Sonne – für den es etwas mehr Beweise gibt –, bin ich eher skeptisch, was seine Rolle für dekadische und multidekadische Trends angeht. Bei diesen werden anthropogene Emissionen – zum Beispiel sinkende Ozon-abbauende Substanzen, zunehmende Emissionen von Methan und Lachgas – auftreten und einen größeren Einfluss haben. Außerdem ist es unwahrscheinlich, dass ein Rückgang des Ozons für einen einzigen Monat (Oktober) und in diesen Höhenlagen (30 bis 40 Kilometer) die Entwicklung der Ozonloch-Metriken drastisch beeinflussen wird, die eher durch Veränderungen des Ozons in viel geringeren atmosphärischen Höhen beeinflusst werden (15 bis 20 Kilometer) und in früheren Monaten (September), da es sich bei der Erschöpfung um einen ‚kumulativen‘ Effekt handelt.“

Anteil verschiedener Prozesse am Ozonabbau

„Wir wissen, dass FCKW bei weitem den größten Beitrag zum Ozonabbau in der Antarktis leisten, aber die dynamische atmosphärische Variabilität – zum Beispiel die Stärke des Polarwirbels – ist der andere sehr wichtige Faktor. Nach diesen beiden würden weitere wichtige Beiträge von anthropogenen Gasen kommen. Methan und Lachgas wirken sich ebenfalls auf den Abbau der polaren Ozonschicht aus, und zwar höchstens um 10 bis 20 Prozent. Danach kommen kleinere, aber nicht vernachlässigbare Beiträge (bis zu 10 Prozent) von Vulkanausbrüchen und Waldbrandaerosolen [4]. Der in dieser Studie beschriebene mesosphärische Antrieb könnte als ein weiterer sekundärer, aber nicht vernachlässigbarer Mechanismus eingestuft werden (höchstens 5 bis 10 Prozent). Seine genaue Quantifizierung muss jedoch durch detailliertere statistische und physikalische/chemische Modellierung weiter durchgeführt werden.“

Wird das Ozonloch wieder größer?

„Ich halte die mögliche Aussage, dass das Ozonloch wieder größer wird, nicht für gerechtfertigt, da es an unterstützenden Beweisen für Ozonloch-Metriken mangelt, wie die Gesamtmenge des Ozons in der Luftsäule (TCO). Erstens deuten die Trends für Oktober nicht auf einen zunehmenden Ozonverlust und vielleicht noch weniger auf eine Zunahme der Ozonloch-Bedingungen hin (Abbildung 1a in der Studie). Eine weitere wichtige Messgröße für das Ozonloch wäre die räumliche Größe: Um eine Aussage wie diese zu stützen, müsste man Beweise dafür vorlegen, dass die Fläche des Ozonlochs zunimmt. Dieser Beweis fehlt in dieser Studie einfach. Eine korrektere Formulierung ist, dass das Ozonloch seit dem Jahr 2004 nicht so schnell schrumpft und dass dynamische Schwankungen teilweise dafür verantwortlich sein könnten. Diese sind mit Wechselwirkungen zwischen der mittleren und oberen Schicht der Atmosphäre – Stratosphäre und Mesosphäre – verbunden.“

► Prof. Dr. Ulrike Langematz

Leiterin der Arbeitsgruppe Atmosphärendynamik, Institut für Meteorologie, Fachbereich Geowissenschaften, Freie Universität Berlin

„Die Autoren der aktuellen Studie untersuchen anhand von Totalozon-Satellitendaten Trends in der Größe des antarktischen Ozonlochs sowie in den Anfangs- und Enddaten der Ozonlöcher für die Periode 2001 bis 2022. Die Studie hebt die großen Ozonlöcher in den Jahren 2020, 2021 und 2022 hervor, die zu einem negativen Trend im Totalozon während des südpolaren Spätwinters (Oktober, November) führen. Dieses Ergebnis scheint dem bisherigen Stand der Wissenschaft zu widersprechen, nach dem es signifikante Hinweise auf eine Erholung des antarktischen Ozonlochs gibt.“

„Tatsächlich steht die Studie aber im Einklang mit den Ergebnissen der Ozonsachstandsberichte der Weltmeteorologie-Organisation WMO [2] [5]. Diese zeigen, dass sich das antarktische Ozon im Frühwinter weiter erholt, während es im Spätwinter und Frühjahr in den vergangenen Jahren große, ungewöhnlich lang anhaltende Ozonlöcher gab, für die es unterschiedliche Ursachen geben kann.“

Methodik

„Neu an dieser Studie ist lediglich, dass sie in ihrer Trendberechnung der verschiedenen Größen des Ozonlochs ein weiteres Jahr (2022) miteinbeziehen. Auch 2022 entwickelte sich ein großes Ozonloch. Ein interessantes Ergebnis der Studie ist allerdings die Trendanalyse vertikal auflösender Satellitendaten, die eine 26-prozenitge Abnahme des Ozons im Polarwirbel der mittleren Stratosphäre zeigen – also oberhalb des Bereiches der chemisch durch ozonzerstörende Substanzen verursachten Ozonabnahme. Diese Abnahme lässt laut Studie auf einen dynamischen Mechanismus schließen. Die Studie bleibt jedoch sehr vage bezüglich möglicher Ursachen.“

„Das für die Berechnung der Trends angewendete lineare Trendmodell ist jedoch aus meiner Sicht ungeeignet, da der berechnete Trend für den relativ kurzen Zeitraum von 2001 bis 2022 stark von den gewählten Anfangs- und Endpunkten beeinflusst wird. Die Studie ignoriert darüber hinaus das dynamisch beeinflusste Jahr 2019, in dem sich nur ein kleines Ozonloch entwickelte. Trendberechnungen ohne dynamisch aktive Jahre haben ihre Berechtigung, wenn der Fokus auf dem chemischen Ozonabbau durch ozonabbauende Substanzen liegt. Wenn aber, wie hier, die jüngsten antarktischen Ozonlöcher im Hinblick auf ein möglicherweise eingesetztes ‚Wiedererstarken‘ untersucht werden, darf das Jahr 2019 nicht ignoriert werden.“

Mögliche Verzögerung der Erholung der Ozonschicht

„Modelle prognostizieren, dass sich das antarktische Ozonloch in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts schließen wird. Das Datum hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von der Zunahme der Treibhausgaskonzentrationen. Aus den in dieser Studie vorgestellten Ergebnissen lassen sich keine Rückschlüsse darauf treffen, wann sich das Ozonloch wieder schließen wird. Die gefundene 26-prozentige Abnahme des Ozons im Polarwirbel der mittleren Stratosphäre scheint Folge einer geänderten Dynamik zu sein. Um deren weitere Entwicklung zu beurteilen, sind mehr Analysejahre notwendig.“

Anteil verschiedener Prozesse am Ozonabbau

„Messungen und Modelle zeigen eine signifikante südpolare Ozonerholung im Frühwinter (September), die mit der Abnahme der ozonabbauenden Substanzen in einem stabilen, kalten Polarwirbel erklärt werden kann. Demgegenüber sind die meteorologischen Bedingungen im Oktober und November der Antarktis variabler: Kalte Jahre mit großen Ozonlöchern (2020, 2021, 2022) wechseln sich mit warmen, dynamisch gestörten Jahren mit kleineren Ozonlöchern ab – wie dem Extremjahr 2019. Hinzu kamen singuläre Ereignisse in den vergangenen Jahren, die möglicherweise zu einem verstärkten chemischen Ozonabbau geführt haben – Buschbrände in Australien und der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha‘apai Vulkans – sowie eine Abkühlung der Stratosphäre aufgrund gestiegener Treibhausgasemissionen.“

„Die genauen Ursachen sind jedoch noch Gegenstand der Forschung und eine genaue Zuordnung der verschiedenen Einflussfaktoren zu den großen Ozonlöchern der vergangenen Jahre ist noch nicht möglich. In der aktuellen Studie finden sich hierzu keine neuen Erkenntnisse – entgegen des Titels der Studie. Der in der Studie vorgeschlagene geänderte Abwärtstransport mesosphärischer Luft ist kaum belegt und meiner Meinung nach etwas spekulativ.“

Wird das Ozonloch wieder größer?

„Die Studie gibt aus meiner Sicht keine eindeutigen Hinweise darauf, dass das Ozonloch in Zukunft wieder größer wird. Zum einen zeigt die Studie – in Übereinstimmung mit anderen Untersuchungen – eine signifikante Erholung des Ozons im September, die allgemein mit der Abnahme der ozonabbauenden Substanzen erklärt wird. Zum anderen erklärt die Studie – ebenfalls in Übereinstimmung mit anderen Untersuchungen –, dass es mehrere mögliche Ursachen für die großen Ozonlöcher der vergangenen Jahre geben kann. Aus den Ergebnissen der Studie lässt sich demnach nicht schließen, dass das Ozonloch in Zukunft wieder größer wird.“