Das Bundeslandwirtschaftsministerium will den Ökolandbau bis 2030 von aktuell 11 Prozent auf 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Deutschlands ausweiten. Das ist das Ziel der Bio-Strategie, die Cem Özdemir gestern auf einer Pressekonferenz vorgestellt hat  und die die deutsche Landwirtschaft umwelt- und klimafreundlicher machen soll. Eigentlich sollte daraus eine Strategie der gesamten Bundesregierung werden, die vom Bundestag abgestimmt werden sollte. Die Verhandlungen sind jedoch gescheitert, sodass es sich nun lediglich um eine Ressortstrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums handelt.

Die Bio-Strategie enthält eine Reihe von Maßnahmen, die an verschiedenen Punkten der Wertschöpfungskette ansetzen. Auf der Produktionsseite soll Landwirtinnen und Landwirten der Umstieg erleichtert werden, indem finanzielle Anreize geschaffen werden und die Bio-Zertifizierung vereinfacht wird. Auf der Konsumseite soll die Bio-Strategie unter anderem die außer-Haus-Verpflegung mit Bio-Produkten stärken – etwa in öffentlichen Kantinen. Außerdem sollen mehr Gelder in die Forschung zu Ökolandbau fließen.

Das 30-Prozent-Ziel bezieht sich auf die EU-Vorgaben für ökologische Landwirtschaft laut der Ökoverordnung. Demnach dürfen Ökobetriebe keine synthetischen Pestizide oder Stickstoff-Düngemittel verwenden. Organische Düngemittel – Gülle, Mist und Jauche – sind aber erlaubt. In der Tierhaltung müssen Futtermittel fast ausschließlich ökologisch produziert werden und es dürfen keine Hormone oder Antibiotika verabreicht werden, um Krankheiten vorzubeugen. Es gibt eine Vielzahl von Bio-Verbänden mit jeweils eigenen Siegeln – wie Bioland, Demeter oder Naturland. Diese machen sehr unterschiedliche und teils deutlich striktere Vorgaben als die EU.

Zwischen 2010 und 2020 ist die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Deutschland laut Daten des Statistischen Bundesamts jährlich um circa fünf Prozent angestiegen. Auf dem aktuellen Kurs wird sie bis 2030 auf etwa 20 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche anwachsen. Auch die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln ist seit über 20 Jahren fast kontinuierlich angestiegen. 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, gab es einen sprunghaften Anstieg um 22 Prozent. Durch die Inflation infolge des Ukrainekriegs ist die Nachfrage 2022 im Vergleich zum Vorjahr jedoch um 3,5 Prozent gesunken. Hier einige Statements von Fachleuten:

Statements

► Prof. Dr. Teja Tscharntke

Leiter der Abteilung Agrarökologie, Department für Nutzpflanzenwissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen

Nutzen der Bio-Strategie für den Umweltschutz

„Der dramatische Rückgang der weltweiten Artenvielfalt, der vor allem durch die Intensivierung und Ausweitung der Landwirtschaft verursacht wird, erfordert Maßnahmen, die die gesamte Landwirtschaft betreffen – also nicht nur die momentan rund zehn Prozent Anbaufläche, die ökologisch bewirtschaftet wird. Das ,Leitbild der Bundesregierung für eine nachhaltige Landbewirtschaftung‘ sollte auf die gesamte Landwirtschaft ausgerichtet sein.“

„Der Ökolandbau löst seinen Anspruch eines umfassenden win-win-win Vorteils – Vorteile für Gesundheit, Umwelt und Ertrag – nicht ein. Die Ernährung durch Bio-Produkte ist grundsätzlich nicht gesünder, sondern es kommt vielmehr auf die Diät an. Eine gezielte Förderung der Biodiversität – durch kleine Flächen, vielfältigen Anbau und 20 Prozent naturnahe Lebensräume – ist bei der Bio-Zertifizierung der EU nicht vorgeschrieben. Der Ertrag des Ökolandbaus liegt deutlich unter den Möglichkeiten, sodass für die gleiche landwirtschaftliche Produktion in Deutschland entweder die Flächen ausgeweitet werden müsste oder auf mehr Lebensmittelimporte auszuweichen ist – oft ohne die in der EU geltenden Umweltstandards.“

„Die Einführung verbindlicher, staatlich überwachter Eco-Labels beziehungsweise Kennzeichnungssysteme, die den Konsument*innen für verschiedene Bereiche eine Orientierung geben – was Gesundheit, Umwelt, Biodiversität, Soziales und Tierwohl angeht – könnte sehr hilfreich sein.“

„Die Ökolandbau-Verbände unterscheiden sich deutlich. So gibt es bei Bioland seit einiger Zeit die Verpflichtung zu einigen biodiversitätsfördernden Maßnahmen, was zu begrüßen ist. Demeter ist dagegen von der spirituell-esoterischen Ideologie eines Rudolf Steiner geprägt und setzt auf die Förderung kosmischer Kräfte – solche wissenschaftsfeindlichen Ansätze sollte die Bundesregierung nicht fördern.“

Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln

„Die deutlich höheren Kosten von Bio-Lebensmitteln werden von einem Teil der Konsument*innen akzeptiert, weil die Bio-Zertifizierung großes Vertrauen in der Bevölkerung genießt. Allerdings ist zu bezweifeln, dass durch eine Verdreifachung des Anbaus auf 30 Prozent so viel mehr Haushalte bereit oder in der Lage sind, diese Kosten zu tragen.“

„Eine eingeschränkte Nachfrage ist auch deswegen zu erwarten, weil die Vorzüge des Bio-Anbaus oft überschätzt werden. Bio-Lebensmittel kommen nicht nur vom idyllischen Familienbetrieb mit Hofladen, sondern werden oft wenig biodiversitätsfreundlich produziert – beispielsweise auf riesigen Ackermonokulturen, in Landschaften, die großflächig mit Plastikfolien bedeckt sind, oder auch unter Einsatz großer Mengen ,natürlicher‘ Pestizide. Beispielsweise werden im Wein-, Apfel-, Gemüse- und Kartoffelanbau häufig Kupfermittel gespritzt.“

Auswirkungen auf die Biodiversität

„Die Anforderungen an die Bio-Zertifizierung der EU betreffen im Wesentlichen das Verbot des Einsatzes synthetischer Pestizide und Dünger, aber nicht Maßnahmen, die für Erhalt und Förderung der Artenvielfalt besonders wichtig sind. Die Artenvielfalt auf einer Fläche des Öko-Landbaus ist nur rund 34 Prozent höher als beim konventionellen Anbau. Wird die Artenvielfalt auf den Ertrag bezogen, gibt es keinerlei positiven Effekt auf die Artenvielfalt. Im Ökolandbau ist der Ertrag durchschnittlich 19 bis 24 Prozent reduziert, bei Getreide sogar 40 bis 50 Prozent [1].“

Alternativen zum Ökolandbau

„Eine sehr viel größere Förderung der Artenvielfalt wird durch eine drastische Verkleinerung der Ackerflächen und eine Erhöhung der Anbauvielfalt erzielt – beides muss nicht mit Ertragsverlusten verbunden sein. Zudem ist von großer Bedeutung, mindestens 20 Prozent der Agrarlandschaft für naturnahe Lebensräume zu reservieren. Diese drei Maßnahmen könnten den Artenreichtum vervielfachen, sind im Ökolandbau nicht vorgeschrieben und fehlen in der Bio-Strategie 2030, könnten und sollten aber auch in der konventionellen Landwirtschaft umgesetzt werden. Beispielsweise wäre die Anlage von Hecken nicht nur für die Artenvielfalt, sondern auch für die Kohlendioxid-Speicherung wichtiger als eine Umstellung auf Ökolandbau.“

► Prof. Dr. Matin Qaim

Professor für Agrarökonomie und Direktor am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF), Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Nutzen der Bio-Strategie für den Umweltschutz

„Das politische Ziel, den Ökolandbau immer weiter auszuweiten, mag populär sein, ist aber für global nachhaltige Entwicklung nicht förderlich. Die Erträge im Ökolandbau sind deutlich niedriger. Durch eine großflächige Umstellung wird in Deutschland und Europa weniger produziert, sodass mehr von anderswo importiert werden muss [2]. Land ist aber weltweit knapp, und die landwirtschaftliche Nutzung konkurriert mit dem Umweltschutz. Wenn anderswo immer mehr Wälder gerodet und Sümpfe trockengelegt werden, weil die Weltnachfrage steigt und Deutschland und Europa die Produktionsmenge zurückfahren, ist das schlecht fürs Klima und die Artenvielfalt. Klar müssen wir auch den Konsum umstellen, weniger Fleisch essen und weniger verschwenden, aber trotzdem ist immer mehr Ökolandbau bei knappen Landressourcen kein geeignetes Rezept. Stattdessen müssen wir Technologien und Systeme entwickeln, die hohe Erträge und weniger Chemie gleichzeitig ermöglichen.“

Hindernisse für den Umstieg auf Ökolandbau

„Ökobauern hatten in den letzten Jahren im Schnitt höhere Gewinne als konventionelle Bauern. Das funktioniert aber nur, wenn die zu erzielenden Verkaufspreise für Ökoprodukte höher sind. Einige Konsumenten sind gewillt und in der Lage, mehr für Ökoprodukte zu bezahlen, aber das trifft nicht für alle Bevölkerungsschichten und auch nicht für alle Lebensmittel gleichermaßen zu. Aktuell steigt die Nachfrage nach teureren Ökoprodukten kaum noch an. Wenn man die Ökolandwirtschaft dennoch politisch weiter ausdehnen möchte, geht das nur durch eine noch größere staatliche Subventionierung. Die Entwicklung der Marktnachfrage allein wird dafür nicht ausreichen, zumal Lebensmittel ohnehin heute teurer sind als noch vor einigen Jahren.“

Alternativen zum Ökolandbau

„Die Landwirtschaft muss umweltfreundlicher werden, aber das geht nicht nur in der starren Definition des Ökolandbaus. Wir wissen zum Beispiel, dass eine diverse Landschaft, mit kleineren Feldern, vielfältigeren Fruchtfolgen und mehr naturnahen Landschaftselementen der Biodiversität dienlich ist. Vielfältigere Fruchtfolgen helfen auch, den Pestizid- und Düngemitteleinsatz zu senken. Außerdem können digitale Innovationen und neue Züchtungstechniken die Erträge steigern und gleichzeitig den Einsatz von Chemie senken. Gerade die genomischen Züchtungstechniken sind im Ökolandbau aber verboten [3]. Vor dem Hintergrund der großen globalen Herausforderungen müssen wir innovationsoffen sein.“

► Dr. Antje Risius

Wissenschaftlerin im Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung, Lehrstuhl für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte, Georg-August-Universität Göttingen

Nutzen der Bio-Strategie für den Umweltschutz

„Es ist durchaus sinnvoll, regenerative Formen der Landwirtschaft zu etablieren und zu fördern, die die Balance der Interaktion zwischen Mensch, Tier und Natur nicht weiter gefährden. Hierzu zählt auch der Ökolandbau. Im Detail ist es jedoch wichtig, Managementstrukturen und Bewertungssysteme zu schaffen, die die Umwelt honorieren, resiliente Strukturen aufbauen und Ertragsunterschiede ausgleichen. Neben dem Anbau aus regenerativen Landbausystemen gilt es, auch die Produktketten, Konsummuster und Lebensstile infrage zu stellen und Alternativen zu schaffen.“

Wichtige Maßnahmen

„Tatsächlich sind die Honorierung und in-Wert-Setzung einige der wichtigsten Maßnahmen, um Alternativen in der Produktion von Lebensmitteln umzusetzen. Dafür könnten und sollten etablierte Distributionskanäle und Evaluationssysteme genutzt und durch weitere, neue ergänzt werden.“

Nachfrage nach Bio-Produkten in Deutschland

„Prinzipiell ist es so, dass für Menschen Nachhaltigkeit insgesamt ein sehr hohes Gut ist. Auch die Aufrechterhaltung und Instandhaltung von basalen Umweltqualitäten – wie Luft- und Gewässerreinheit sowie zum Beispiel Biodiversität – sind wichtige ‚Güter‘. Der Sprung hin zu einem hohen Bio-Konsum ist jedoch bei vielen Verbrauchern nicht direkt naheliegend. Nachhaltige Produktionszweige bei Lebensmitteln, egal welcher Prozessqualität, bedürfen eines Vertrauensvorschusses, weil die Prozessqualität und das zusammenhängende Kontrollregime häufig unbekannt sind. Die Bio-Lebensmittelkette ist international eine der am weitesten entwickelten nachhaltigen Produktketten. Erst wenn die Qualitäten, die Bio-Produktketten auch jetzt schon leisten, als Alternativen verstanden und akzeptiert werden, wird sich die Nachfrage deutlicher ändern.“

„Die Inflation betrifft Lebensmittelpreise weltweit, nicht nur in Deutschland und sie betrifft auch den Bio-Sektor. Wie stark einzelne Produktsparten von der Inflation betroffen sind, ist schwer abzuschätzen – jedoch ist naheliegend, dass insbesondere auf ,Luxus-Artikel‘ eher verzichtet wird und vor allem ‚unsichere‘ und Gelegenheits-Bio-Käufer weniger Bio-Produkte kaufen werden. Aufklärung und Kommunikation sind hier basale Instrumente, um gegebenenfalls nicht nur einen Sektor der Landwirtschaft zu stärken, sondern Konsummuster und Lebensstile insgesamt zu ändern.“

► Dr. Karin Stein-Bachinger

Stellvertretende Leiterin der Arbeitsgruppe Bereitstellung von Ökosystemleistungen in Agrarsystemen, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg

Dr. Stein-Bachinger und Dr. Reckling haben sich gemeinsam geäußert, aber zu unterschiedlichen Fragen.

Nutzen der Bio-Strategie für den Umweltschutz

„Den Ökolandbau in der Fläche signifikant auszuweiten, ist aus Sicht des Umwelt- und Naturschutzes sehr sinnvoll, da erstens weniger intensiv und vor allem mit organischen Mitteln gedüngt wird, zweitens keine chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel angewendet und drittens vielfältigere Kulturen angebaut werden [4]. Viele Studien belegen die positiven Effekte des Ökolandbaus, so auch die aktuelle umfangreiche Literaturauswertung unter Leitung des Thünen-Instituts [5][6], auf die explizit in der Bio-Strategie Bezug genommen wird.“

„Verschiedene Untersuchungen belegen auch, dass bei Umstellung auf Ökolandbau Ertragsrückgänge bei bestimmten Ackerkulturen zu verzeichnen sind [7], was auf die geringere (organische) Düngung und den Verzicht auf Pflanzenschutz zurückzuführen ist. Ähnliche Erträge werden bei Hülsenfrüchten [8] und mehrjährigen Kulturen erzielt. Diesem Aspekt wird in der Bio-Strategie 2030 differenziert Rechnung getragen. Einigkeit besteht darüber, dass das Ertragspotenzial des ökologischen Pflanzenbaus besser ausschöpft werden sollte. Geringere Erträge sind aber nicht generell negativ zu sehen, sondern müssen im Kontext der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft bewertet werden [4] [9]. Aus Sicht der Förderung von Biodiversitätsleistungen können zum Beispiel geringere Erträge ein Teil der Lösung sein. Es geht nicht nur um Quantität, sondern auch um Qualität und wie die Produkte weiterverwertet werden – als Futter, Energie oder Nahrungsmittel – und zu welchem Preis. Aktuell gehen circa 50 Prozent des Getreides in die Tierfütterung, bis zu 20 Prozent der Ernte wird zur Energie- und Treibstoffproduktion verwendet.“

„Betrachtet man das Konsumverhalten, so käme es durch Reduktion der Lebensmittelabfälle und des Fleischkonsums selbst bei flächendeckender Umstellung auf Ökolandbau zu keinen Engpässen in der Nahrungsmittelversorgung [9]. Negative Umwelteffekte werden nicht ins Ausland verlagert, wenn sich neben der Umstellung auf Ökolandbau in der Fläche die gesamte Wertschöpfungskette und das Ernährungssystem anpassen, worauf aktuelle Entwicklungen hindeuten. Wie in der Bio-Strategie dargelegt, ist der Ökolandbau schon heute Innovationsgeber für andere Landnutzungssysteme und viele Bereiche in der Wertschöpfungskette. Das Kontrollsystem, in das jährlich 100 Prozent der Betriebe eingebunden sind – Erzeuger, Verarbeiter, Händler – bietet die Sicherheit zur Einhaltung der gesetzlich verankerten Öko-Richtlinien.“

Nachfrage nach Bio-Produkten in Deutschland

„Die künftige Nachfrage ist aufgrund der aktuellen politischen Lage und auch der Preisegestaltung sehr schwierig zu prognostizieren. Wie in der Bio-Strategie 2030 erläutert, gab es besonders 2020, im ersten Corona-Jahr, einen deutlichen Zuwachs. Bedingt unter anderem durch die Inflation und hohen Energiepreise ist es für Verbraucher schwieriger geworden, Ökolebensmittel, die in der Regel teurer sind als konventionelle Produkte, zu kaufen, sodass der Umsatz erstmals leicht rückläufig ist. Perspektivisch wird jedoch ein großes Potenzial für mehr Bio unter anderem in der Außer-Haus-Verpflegung gesehen, was wichtig wäre, diesem Trend entgegenzuwirken.“

„Insgesamt betrachtet geht es aber nicht nur darum, die Nachfrage zu erhöhen, sondern welche Umwelt- und gesellschaftlichen Leistungen von der Landwirtschaft erwartet und geleistet werden beziehungsweise wie diese honoriert werden können. Viele Folgekosten der landwirtschaftlichen Produktion werden externalisiert, das heißt, sie sind in den Lebensmittelpreisen nicht abgebildet. Auch diese Aspekte werden in der Bio-Strategie 2030 anschaulich dargelegt. Diese sogenannten externen Kosten belaufen sich jährlich auf zweistellige Milliardenbeträge, die von der Gesellschaft getragen werden [11]. Sehr wichtig ist daher in diesem Zusammenhang, dass nicht die Verbraucher allein in die Pflicht genommen werden. Auch die Förderstrukturen im Agrarbereich müssten weiterhin verbessert und an die erbrachten Umweltleistungen der Landbewirtschaftung geknüpft werden. Hierbei kann der Ökolandbau deutlich punkten, wie unsere Studie zeigte [4] [5].“

► Dr. Moritz Reckling

Leiter der Arbeitsgruppe Ressourceneffiziente Anbausysteme, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg

Dr. Stein-Bachinger und Dr. Reckling haben sich gemeinsam geäußert, aber zu unterschiedlichen Fragen.

Wichtige Maßnahmen der Biostrategie

„Die Einzelmaßnahmen müssen eine Umstellung im gesamten Ernährungssystem unterstützen. Es sind nicht nur 30 Prozent der Fläche nötig, sondern auch eine entsprechende regionale Verarbeitung und Vermarktung sowie eine Förderung des entsprechenden Konsums. Damit ist die Erreichung des 30-Prozent-Ziels eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Gemeinwohlleistungen müssen sichtbar gemacht und honoriert werden. In der Bio-Strategie 2030 wird dies umfassend dargelegt. Aktuell erschweren unter anderem eine schwierige Vermarktung und die geringen Preisunterschiede eine Ausweitung des Ökolandbaus für die Betriebe.“

„Die Bio-Strategie 2030 unterstreicht deutlich, dass mehr Forschung, Wissenstransfer und Daten erforderlich sind. Die dargelegten sechs Handlungsfelder mit 30 Maßnahmen sind umfassend und relevant. Besonders hervorzuheben sind Praxis-Forschungs-Netzwerke in Reallaboren, um über den Wissenstransfer hinaus Lösungen in einem Co-Design mit Betrieben und weiteren Akteuren zu entwickeln. Eine Kombination der genannten Maßnahmen wäre zielführend, so zum Beispiel die Ausweitung des Leguminosenanbaus – zum Beispiel für Kichererbsen – mit der Förderung von Wertschöpfungsketten und dem Ausbau regionaler und ökologischer Verarbeitungs- und Vermarktungskapazitäten zusammen zu entwickeln.“

„Konkreter Forschungsbedarf im Pflanzenbau besteht darin, den Ökolandbau weiterzuentwickeln und zu optimieren, um ihn für Betriebe attraktiver und umsetzbar zu machen. Das kann unter anderem durch folgende Maßnahmen erreicht werden: erstens, Erträge bestimmter Kulturarten zu steigern, zweitens das Nährstoffmanagement besser an den Bedarf der Kulturen anzupassen, drittens klimaangepasste Fruchtfolgen mit Leguminosen zu entwickeln, viertens angepasste Sorten bereit zu stellen, fünftens das Unkrautmanagement zu optimieren, sechstens gezielt Biodiversitätsleistungen in Wert zu setzen und zu verbessern sowie siebtens die Bodenfruchtbarkeit noch stärker zu fördern. Die Forschungslücken sollten in bereits genannten Praxis-Forschungs-Netzwerken mit Betrieben unter anderem in On-Farm Experimenten adressiert werden [10].“

Alternativen Zum Ökolandbau

„Parallel zur Ausweitung des Ökolandbaus müsste das Ziel der EU, den Pestizideinsatz um 50 Prozent und den Stickstoffeinsatz um 20 Prozent zu reduzieren, deutlich stärker in der Fläche umgesetzt werden. Diversifizierung der Fruchtfolgen unter anderem mit Leguminosen und Mischanbau können diese Ziele unterstützen. Leguminosen können den mineralischen Stickstoffeinsatz um 24 bis 38 Prozent reduzieren [12] und die Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität fördern. Durch den Anbau von Leguminosen könnten der Pflanzenschutzmitteleinsatz und negative Umwelteffekte reduziert werden [13]. Ein nötiger Schritt wäre, den Mischanbau praxisreif zu entwickeln – inklusive der Aufbereitung und Verarbeitung [14]. Zur Erhöhung der Rentabilität und damit der Akzeptanz des Anbaus dieser Kulturen ist eine langfristige Honorierung zielführend. Auch können durch Digitalisierung und neuere Technologien Einsparungen bei der Pestizid- und Düngemittelanwendung erzielt werden, besonders wenn diese mit einer Diversifizierung des Anbaus einhergehen.“