Wie wirksam ist der Biodiversitätsschutz europäischer und afrikanischer Nationalparke? Dies scheint stark mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen zusammenzuhängen, in die sie eingebettet sind.

Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) und der Universität Bonn. Die Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Sustainability veröffentlicht wurde, unterstreicht die dringende Notwendigkeit besserer Nationalpark-Netzwerke.

Trotz beachtlicher Schutzbemühungen und Investitionen von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und internationalen sowie nationalen Naturschutzbehörden geht die biologische Vielfalt weltweit weiter zurück. Eine der wichtigsten Strategien, um den Rückgang der biologischen Vielfalt aufzuhalten, ist die Einrichtung von Schutzgebieten wie Nationalparks, die günstige Bedingungen für eine stabile biologische Vielfalt schaffen sollen.

Artenrückgang steht in engem Zusammenhang mit dem Index der menschlichen Entwicklung

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von iDiv, MPI-EVA und der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem UFZ, der Universität Leipzig, der Friedrich-Schiller-Universität Jena und vielen anderen Institutionen, hat nun anhand von Häufigkeitsentwicklungen von 464 Säugetier- und Vogelarten in 114 Nationalparks in 25 Ländern Afrikas und Europas deren Wirksamkeit zur Erhaltung der biologischen Vielfalt untersucht.

Für den Untersuchungszeitraum 2007 bis 2017 stellten sie fest, dass die Wirksamkeit der 66 afrikanischen und 48 europäischen Parks stark von den jeweiligen lokalen und nationalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen abhängt, die sich im sogenannten Human Development Index (HDI) widerspiegeln.

Auch afrikanische Nationalparks wurden untersucht. (Foto: Anja-#pray for ukraine# #helping hands# stop the war auf Pixabay)

Eine wahrscheinliche Erklärung ist, dass die Nachfrage nach Ressourcen aus Nationalparken höher und weniger reguliert ist, wenn der HDI niedrig ist. Die Parke in den Ländern mit den höchsten HDI-Werten wiesen einen durchschnittlichen Rückgang der Häufigkeit von Arten von etwa 10 % auf, gegenüber mehr als 25 % in den Parks in den Ländern mit dem niedrigsten HDI.

Nationalparke bieten unter keinen Bedingungen einen 100% Schutz

„Wir konnten aber auch feststellen, dass scheinbar wirksame Nationalparke, die in einen günstigen sozioökonomischen Kontext eingebettet sind (z. B. hoher HDI), nicht unbedingt eine universelle Lösung für ein ideales Nationalparkmanagement darstellen“, sagt der Hauptautor Dr. Tsegaye Gatiso, Forscher an der Universität Bonn und bei iDiv. „Schließlich können keine sozioökonomischen Bedingungen und keine der derzeit umgesetzten Schutzmaßnahmen die vollständige Beseitigung von Bedrohungen der biologischen Vielfalt garantieren. Arten können in ein und demselben Nationalpark auch unter ungünstigeren äußeren Bedingungen zurückgehen, da Schutzgebiete ein untrennbarer Teil eines dynamischen, komplexen sozial-ökologischen Systems sind.“

Verbesserte Nationalpark-Netzwerke nötig

Die Forscher kommen daher zu dem Schluss, dass noch eine Lücke zu vollständig wirksamen Nationalparks bleibt. Ein entscheidender Bedarf besteht in einer verbesserten Gestaltung des Netzwerks von Nationalparks und des damit verbundenen Managements, um Bedrohungen zu vermindern und es ökologisch funktionsfähig zu machen. Konzertierte Aktionen wie die Ausweitung des Netzwerks an Nationalparken, die Einrichtung von Korridoren zwischen Schutzgebieten, um die Ausbreitung von Arten zwischen ihnen zu erleichtern, und, besonders wichtig, die Verbesserung der Bedingungen für die biologische Vielfalt außerhalb der Nationalparke, sind die wichtigsten Elemente, um den Verlust der biologischen Vielfalt aufzuhalten.

„Viele Nationalparke sind zu ‘Inseln in einer Wüste industrieller Land-, Forstwirtschaft sowie Infrastruktur‘ geworden. Die schlechten ökologischen Bedingungen außerhalb der Nationalparke reduzieren die Häufigkeit der Arten. Schließlich orientieren sich diese in ihren Verbreitungsgebieten nicht an von Menschen gesetzten Nationalparkgrenzen. Sind sie dann vielfältigen negativen Lebensbedingungen außerhalb der Parks ausgesetzt, hat dies auch negative Rückwirkungen auf ihre Häufigkeitsentwicklung innerhalb der Parke“, ergänzt der Seniorautor der Studie, Dr. Hjalmar Kühl, Wissenschaftler bei iDiv und MPI-EVA. „Wichtig ist daher, dass die ökologischen Bedingungen außerhalb der Parke deutlich verbessert werden. Schutzgebiete, und insbesondere Nationalparke, sind Sensoren für den Zustand der biologischen Vielfalt unseres Planeten. Die mangelnde Wirksamkeit der beobachteten Parke muss sehr ernst genommen werden, und wir müssen große Anstrengungen unternehmen, um das Netzwerk an Schutzgebieten im Hinblick auf seine ökologische Funktionalität deutlich zu verbessern.“