Der Präsident des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Professor Otmar Edenhofer, will keine Ökodikatatur und Verbote nur dort, wo es gar nicht anders geht – „Überall sonst sollten wir auf Anreize setzen“

Bei der Bekämpfung des Klimawandels warnt der Klimaforscher Ottmar Edenhofer vor zu viel staatlicher Gängelung. „Ein Abschaffen von Kurzstreckenflügen oder ein Tempolimit auf Autobahnen ist überflüssig, wenn wir anders zum Ziel kommen. Mit Verboten sollten wir sehr sorgsam umgehen“, sagte der Präsident des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Laut Edenhofer könnten Verbote Kosten und unbeabsichtigte Nebenwirkungen verursachen. „Wird ab 2030 kein Verbrenner mehr zugelassen, kaufen die Leute bis dahin vielleicht umso mehr Diesel und Benziner oder fahren ihre alten Wagen, bis sie auseinanderfallen. Wir brauchen eine sehr klare staatliche Rahmensetzung, innerhalb derer die Menschen dann selbst entscheiden, wie sie CO2 einsparen“, sagte Edenhofer und betonte: „Verbote und Gebote sollten wir dort nutzen, wo es gar nicht anders geht. Überall sonst sollten wir auf Anreize setzen.“

Lenkungswirkung des CO2 Preises

Edenhofer setzt auf die Lenkungswirkung des CO2-Preises. „Der individuelle Verzicht lohnt ja umso mehr, als dass der CO2-Preis dafür sorgt, dass insgesamt weniger emittiert wird und nicht andere umso mehr und umso klimaschädlicher konsumieren. Der CO2-Preis entlastet den Einzelnen davon, gleichsam im Alleingang die Welt retten zu müssen“, sagte Edenhofer.

Weiter sagte der Präsident des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung der „NOZ“: „Wir können nur ohne Ökodiktatur das Klima retten. Denn Diktaturen können nicht wirklich lernen. Lernen und Innovationen sind aber entscheidend, um die Wende zu einer postfossilen Gesellschaft und Industrie hinzubekommen. Demokratie und Marktwirtschaft sind große Problemlösungsinstitutionen. Es gilt das Prinzip von Versuch und Irrtum. Es müssen alle mitgenommen werden. Das bekommt kein Diktator hin.

Angesichts steigender Energiepreise mahnt Edenhofer in der gleichen Zeitung eine Entlastung einkommensschwacher Haushalte an. „Die potenziellen sozialen Verwerfungen sind ein Problem, das aber gelöst werden kann. Die einkommensschwachen Haushalte geben anteilig viel mehr für Strom, Wärme und Mobilität aus als die reichen. Deshalb ist aus meiner Sicht ein Sozialausgleich für die höhere CO2-Bepreisung unverzichtbar“, sagte Ottmar Edenhofer. Das sei „relativ leicht zu bewerkstelligen. Gerade deswegen ist das Instrument viel besser geeignet als zum Beispiel immer strengere Grenzwerte, die Autos für alle teurer machen“.

Darüber hinaus sagte Edenhofer der „NOZ“: „Der CO2-Preis spült Geld in die Staatskasse. Dieses Geld kann man an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben. Zunächst über Entlastungen etwa bei der Stromsteuer, auf Dauer aber geht da noch mehr.“ Edenhofer denkt dabei an eine „einheitliche Rückerstattung unabhängig von Einkommen oder Verbrauch“. Davon profitierten „die einkommensschwachen Haushalte dann überproportional, sie hätten sogar mehr auf dem Konto als vorher, das haben wir durchgerechnet“, sagte Edenhofer und betonte: „Je höher das Einkommen und damit der Konsum, desto höher wäre entsprechend die Nettobelastung. Der CO2-Preis kann für mehr soziale Gerechtigkeit stehen.“

CO2 Bepreisung auch für andere Sektoren

Im Kampf gegen die Erderwärmung fordert der Klimaforscher Ottmar Edenhofer auch für den Verkehrs- und Gebäudesektor einen europäischen Emissionshandel. „Die Kernfrage lautet: Werden nach Industrie und Stromsektor nun endlich auch der Verkehr und die Wärmeerzeugung für Gebäude in die CO2-Bepreisung einbezogen? Nur so schaffen wir die Klimawende“, sagte der Präsident des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung im gleichen Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Ein einheitlicher Emissionshandel für alle Bereiche sei politisch nicht machbar, sagte Edenhofer. Deshalb betonte er: „Wir lassen die Energiewirtschaft und die Industrie die nächsten Jahre ihren eigenen Weg gehen und führen für die anderen Sektoren einen zweiten Emissionshandel ein“. Für eine Übergangszeit müsse man akzeptieren, „dass die CO2-Zertifikate für Industrie und Energie billiger wären als in dem neuen zweiten Emissionshandel, in dem die Vermeidungskosten höher sind. Binnen einer Dekade sollte es dann zu einer Angleichung kommen.“

Das derzeitige „System der sogenannten Lastenverteilungsordnung“ hält Edenhofer für unzureichend. „Denn wenn ein Staat seine CO2-Minderungsziele in den Sektoren Transport und Gebäudewärme nicht erbringt, kann er sich Zertifikate bei einem anderen Staat besorgen. Was dafür gezahlt wird, bleibt im Verborgenen“, sagte der Klima-Ökonom der „NOZ“. Das Risiko für einen „permanenten Kuhhandel“ sei dabei enorm, so Edenhofer. „Staat A braucht Zertifikate und erkauft sich diese mit politischen Gefälligkeiten bei Staat B. Eine Verletzung der nationalen CO2-Reduktionsziele bleibt daher faktisch ziemlich folgenlos“, kritisiert der Präsident des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. Edenhofer betonte: „Deswegen müssen wir hier weg von der staatlichen Ebene und hin zu den Verursachern, also den Unternehmen und Verbrauchern. Das geht nur durch einen direkten Emissionshandel mit einer CO2-Obergrenze für die bislang ausgenommenen Sektoren.“

„Für mehr Klimaneutralität in der Industrie müssen die Kosten für Wasserstoff bis 2040 stark sinken“

Osnabrück. Der Klimaforscher Ottmar Edenhofer warnt im Kampf gegen den Klimawandel vor zu viel Euphorie bei der Wasserstoffstrategie. „Wasserstoff ist kein Zaubermittel. Er ist aber ein wichtiger Teil der Lösung. Wasserstoff hat nur dann wirklich Sinn, wenn er CO2-neutral hergestellt wird. Wenn wir die falsche Wasserstoffstrategie verfolgen, ist sie zu teuer oder lässt sogar die Emissionen steigen“, sagte Edenhofer im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der Präsident des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung sagte der „NOZ“: „Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird, ist auf absehbare Zeit knapp und teuer. Wird er aber mit Strom aus fossilen Quellen produziert, so steigt der CO2-Ausstoß statt zu sinken. Gerade weil Wasserstoff so wertvoll ist, brauchen wir eine klare Priorisierung, wo er eingesetzt wird. Eine CO2-Bepreisung ermöglicht diese Priorisierung“.

Weiter sagte Edenhofer der „NOZ“: „Für den Luftverkehr brauchen wir mittelfristig synthetische Kraftstoffe, für die ebenfalls Wasserstoff benötigt wird.“ Und auch in der Stahlindustrie und Teilen der chemischen Industrie gehe es nicht mit direkter Elektrifizierung. „Damit diese Bereiche klimaneutral werden“, betonte Edenhofer, „müssen die Kosten für Wasserstoff bis 2040 stark sinken. Dafür brauchen wir dringend Pilotprojekte und viel Geld für Forschung und Innovation, um hier den technischen Fortschritt voranzubringen.“