Das Bundeskabinett hat am Mittwoch auf Vorschlag von Bundesumweltministerin Svenja Schulze das Insektenschutzgesetz auf den Weg gebracht, mit dem zahlreiche Neuregelungen im Bundesnaturschutzgesetz vorgenommen werden. Bis zuletzt rangen Landwirtschafts- und Umweltministerium um einen Kompromiss.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass Biotope wie Streuobstwiesen und artenreiches Grünland für Insekten als Lebensräume erhalten bleiben. Auch die Lichtverschmutzung als Gefahr für nachtaktive Insekten kann künftig eingedämmt werden. Das Kabinett stimmte auch der parallel vom Bundeslandwirtschaftsministerium eingebrachten Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung zu, die zu mehr und besseren Lebensräumen für Insekten führen wird. Demnach wird der Einsatz von Glyphosat zunächst stark eingeschränkt und Ende 2023 ganz verboten. In Schutzgebieten soll auch der Einsatz zahlreicher anderer Pflanzenschutzmittel verboten werden. Auch an Gewässerrändern gelten künftig Pestizid-Einsatzverbote.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Ohne Insekten kann der Mensch nicht leben. Allein für die Bestäubung von Obst müsste die Menschheit Unsummen aufbringen, wenn es keine Insekten gäbe. Allein das zeigt: Das Insektensterben zu stoppen, ist in unser aller Interesse. Darum sind die Beschlüsse heute eine gute Nachricht für die Insekten und die Zukunft unserer Ökosysteme und Lebensgrundlagen. Ich weiß, dass viele Landwirtinnen und Landwirte meinen Einsatz für den Insektenschutz kritisch sehen. Ich bin der Meinung: Wer heute die Insekten schützt, sorgt dafür, dass Landwirtschaft auch morgen noch möglich ist. Uns ist zudem in intensiven Gesprächen gelungen, kooperative Ansätze zu stärken, die Landwirte für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel belohnen. Und drittens betrifft mein Gesetz erstmals auch Bereiche jenseits der Landwirtschaft wie die Lichtverschmutzung. Denn beim Insektenschutz ist nicht nur die Landwirtschaft in der Verantwortung, der Schutz der Insekten ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“

Der Entwurf des Insektenschutzgesetzes sieht vor, mehr Biotope als bisher unter Schutz zu stellen: Künftig sollen auch artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Steinriegel und Trockenmauern gesetzlich geschützt werden, denn sie sind für Insekten besonders wichtig. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Eindämmung der Lichtverschmutzung, da nachtaktive Insekten vielfach von künstlichen Lichtquellen angelockt werden und dort verenden („Staubsaugereffekt“). Deshalb sieht der Gesetzentwurf zunächst vor, in Naturschutzgebieten und Nationalparken die Neuerrichtung bestimmter Beleuchtungen grundsätzlich zu verbieten. Weiterhin wird eine Grundlage dafür geschaffen, den Betrieb von Himmelsstrahlern („Skybeamer“) aufgrund ihrer erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Tierwelt stark einzuschränken und die Verwendung sog. „Insektenvernichterlampen“ außerhalb geschlossener Räume zu untersagen.

Parallel dazu stimmte das Bundeskabinett einer Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung unter Federführung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu, die weitere wesentliche Inhalte des Aktionsprogramms Insektenschutz von 2019 umsetzt. Darin geht es im wesentlichen um drei große Verbesserungen für den Insektenschutz: Erstens wird die Anwendung von glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln zum Ablauf des Jahres 2023 beendet und damit zum europarechtlich frühestmöglichen Zeitpunkt. Bis zu diesem „Komplettausstieg“ gelten neue deutliche Einschränkungen des Einsatzes solcher Totalherbizide. Zweitens wird ein neues Verbot der Anwendung von Herbiziden und solchen Insektiziden, die Bienen und Bestäuber gefährden, in ökologisch besonders schutzbedürftigen Gebieten eingeführt. Hier soll es in bestimmten Gebieten die Möglichkeit geben, auf Landesebene entwickelte kooperative Konzepte vorrangig umzusetzen, die die Landwirte für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel honorieren. Und drittens gilt ein neuer Mindestabstand zu Gewässern für sämtliche Pflanzenschutzmittel.

Schulze: „Der Glyphosatausstieg kommt. Darauf habe ich mit vielen Umweltschützern lange hingearbeitet. Glyphosat tötet alles, was grün ist, und entzieht Insekten damit die Lebensgrundlage. Darum ist dieser Ausstieg ein großer Erfolg. Aber auch andere Pflanzenschutzmittel können Insekten schaden. Darum ist es so wichtig für die Zukunft unserer Ökosysteme, dass künftig weniger Flächen gespritzt werden und mehr Rückzugsräume für Insekten bleiben. Dabei ist uns ein guter Mix gelungen aus Ordnungsrecht, Vertragsnaturschutz und freiwilligen Vereinbarungen wie sie in einigen Bundesländern zwischen Politik, Umweltverbänden und Landwirtschaft erarbeitet wurden.“

Sowohl die Gesamtmenge der Insekten als auch die Vielfalt der Insektenarten ist die letzten Jahre über in Deutschland stark zurückgegangen. Die Ursachen dafür sind vielfältig, zu den wichtigsten zählen aber der Verlust und die Verschlechterung von Insektenlebensräumen, der Verlust der Strukturvielfalt in der Landschaft, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, der Eintrag von Schadstoffen in Böden und Gewässer und die Lichtverschmutzung.

Beim WWF heisst es, dass „Die Einigung ist eine ganz wichtige Weichenstellung für mehr Insekten- und Artenschutz. Eine wirkliche Trendwende im Kampf gegen das Artensterben in der intensiven Agrarlandschaft gelingt aber nur, wenn Deutschland und die EU eine nachhaltigere Landwirtschaftspolitik einleiten. Diese muss Ansätze fördern, die Landwirtinnen und Landwirten sowie Natur zugleich zugutekommen“, so WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich, der auch Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft ist.

Bereits im Sommer hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze einen ersten Entwurf für ein Insektenschutzgesetz vorgelegt. Er wurde bis zuletzt seitens des Bundeslandwirtschaftsministeriums scharf kritisiert. Das Ressort von Julia Klöckner ließ zudem über viele Monate auf einen Entwurf der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung warten.

„Die Rangeleien innerhalb der Bundesregierung haben dazu beigetragen, Ängste bei Landwirtinnen und Landwirten zu schüren und unnötige Frontstellungen zwischen Natur und Landwirtschaft aufzubauen. Eine zukunftsweisende Landwirtschaftspolitik muss aber ganzheitliche Lösungen entwickeln. Angesichts dieser Hürden sind mit der heutigen Kabinettsentscheidung zunächst einmal erste Grundlagen errungen worden, um mehr Schutz für Biene, Falter oder Käfer in Deutschland zu ermöglichen. Jetzt liegt es am Bundestag und an den Ländern, wenigstens dieses Paket über die Ziellinie zu bringen und noch in dieser Legislaturperiode das Rechtssetzungsverfahren abzuschließen“, sagt Christoph Heinrich.