Wenn im Zuge des Klimawandels immer weniger Sauerstoff im Ozean verfügbar ist, beeinträchtigt dies auch hochproduktive Regionen wie die Gewässer vor der Küste Perus. Dort hat der nährstoffreiche Humboldtstrom sein Haupt-Einflussgebiet.
Daher untersucht ein internationales Team unter Leitung des GEOMAR mit Hilfe der KOSMOS-Mesokosmen, wie der Auftrieb von Tiefenwasser die Produktivität des Planktons unter Sauerstoffmangel beeinflusst. Da zurzeit etwa zehn Prozent der globalen Fischereierträge aus Peru stammen und der Bedarf an Nahrung aus dem Meer weiter wächst, möchten nicht nur Forschende besser verstehen, wie sich das marine Ökosystem zukünftig entwickelt.
Artenreiche Meeresregionen
Entlang der Westküste Südamerikas erstreckt sich eine der produktivsten und artenreichsten Meeresregionen der Welt. Der Humboldtstrom versorgt die Küsten Perus und Nordchiles mit kaltem und nährstoffreichem Wasser. Es steigt am Kontinentalhang zur lichtdurchfluteten Oberfläche auf und begünstigt so das Wachstum von Plankton – wovon wiederum Fische und andere Meereslebewesen profitieren. Doch gleichzeitig ist Sauerstoff in der Region knapp.
Klimawandel und seine Folgen
Die Sauerstoffminimumzone dehnt sich sogar noch weiter aus, wenn sich durch den Klimawandel Temperatur und Schichtung des Wassers sowie Strömungsverhältnisse ändern. Bei Sauerstoffmangel verbrauchen Bakterien im Wasser gelösten Stickstoff für ihre Stoffwechselprozesse – genau den Nährstoff, der das Planktonwachstum begrenzt. So sinkt die Produktivität, obwohl der Humboldtstrom reichlich andere Nährstoffe liefert.
System in Riesenreagenzgläsern eingefangen
Das komplexe System haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor der Küste Perus in „Riesen-Reagenzgläsern“ eingefangen: In einem Experiment mit den KOSMOS-Mesokosmen (KOSMOS: Kiel Off-Shore Mesocosms for Ocean Simulations) beobachten sie, wie der natürliche Auftrieb von nährstoffreichem Tiefenwasser die Produktivität des Planktons und Stoff-Flüsse in der Sauerstoffminimumzone beeinflusst.
Unter Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat sich ein Team aus 23 peruanischen sowie 49 chilenischen, ecuadorianischen, brasilianischen, US-amerikanischen, australischen, spanischen, finnischen, österreichischen und deutschen Forschenden nahe der Hafenstadt Callao eingerichtet. Neben dem Institut IMARPE (Instituto del Mar del Perú) unterstützen lokale Behörden und die peruanische Marine sowie das Forschungsschiff HUMBOLDT und der Marine-Schlepper MORALES die Studie, die im Rahmen des Kieler Sonderforschungsbereichs (SFB) 754 „Klima – Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean“ stattfindet.
Entscheidende Phase
Mit der Tiefenwasserzugabe geht das Experiment jetzt in die entscheidende Phase: Ab sofort herrschen in den Mesokosmen Bedingungen wie nach einem natürlichen Auftriebsereignis. „Nach dem Aussetzen Ende Februar hatten wir für die Region und Jahreszeit typische Wassermassen und die darin lebende Plankton-Gemeinschaft in den Mesokosmen eingeschlossen“, berichtet Prof. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR und Koordinator der Mesokosmen-Experimente. „Jetzt haben wir zwei verschiedene Tiefenwasser injiziert: eines aus einem schwach sauerstoffarmen Gebiet und eines aus einer stark sauerstoffverarmten Zone, die gleichzeitig extrem wenig Stickstoff, aber größere Mengen an Phosphor und Eisen enthält.“
Sinkende Produktivität?
In täglichen Probenahmen und Messungen verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bis Mitte April, wie die Produktivität in den Mesokosmen vorübergehend ansteigt und das System wieder in die Stickstoffarmut zurückfällt. „Von dem Experiment erhoffen wir uns Aufschluss darüber, ob die Wirkungskette von fortschreitender Sauerstoffverarmung zu steigendem Stickstoffverlust unwiderruflich zu sinkender Produktivität führt“, erklärt Prof. Riebesell. „Wir werden auch sehen, ob gegenläufige Prozesse wie biologische Stickstofffixierung die Abwärtsspirale durchbrechen können. Möglicherweise können stickstoffbindende Bakterien der Planktongemeinschaft längerfristig den lebenswichtigen Nährstoff liefern und die Produktivität aufrecht erhalten.“
Weitere Erkenntnisse ergeben sich aus zwei zeitnah stattfindenden Expeditionen mit dem deutschen Forschungsschiff METEOR. „Die Kolleginnen und Kollegen an Bord messen im April und Mai an verschiedenen Stellen in den Gewässern vor Peru die selben Parameter wie wir in den Mesokosmen“, erläutert Prof. Riebesell. „In den Mesokosmen sehen wir die zeitliche Entwicklung. Die METEOR-Fahrten ermöglichen uns eine räumliche Einordnung. Das hilft uns, den Gesamtzusammenhang noch besser zu überblicken.“
Änderung durch Klimawandel?
Anhand ihrer Untersuchungen können die Forschenden abschätzen, wie sich das ertragreiche Meeresgebiet im Zuge des Klimawandels verändert. Zurzeit stammen etwa zehn Prozent der globalen Fischereierträge aus Peru, und rund 70 Prozent der globalen Produktion an Fischmehl haben hier ihren Ursprung. Der Fischereisektor erzielt etwa 3,5 Prozent des peruanischen Bruttoinlandsprodukts und beschäftigt rund 80.000 Menschen. „Entsprechend groß ist das Interesse, nicht nur hier in der Region, besser zu verstehen, wie sich die Ökosysteme und Stoffkreisläufe des Humboldt-Auftriebssystems zukünftig entwickeln“, fasst Riebesell zusammen.
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