Rund 450 Staudämme sind derzeit an den großen Flussläufen dieser Welt geplant. Sowohl am Amazonas, als auch am Mekong oder am Kongo. Die Diskussionen über die Umweltverträglichkeit von Staudämmen ist nicht neu.
Immer wieder geraten diese Bauten in die Kritik, sei es am Jangtse in China in der Türkei und an vielen anderen Orten der Erde. Weltweit gibt es über 46.000 Staudämme und Talsperren mit mindestens 15 Meter Bauwerkshöhe.
Nun haben Wissenschaftler die neuen Planungs- und Bauvorhaben untersucht und in einer internationaler Studie vor den ökologischen und sozialen Folgen gewarnt. Beteiligt waren auch Forscher der Universität Tübingen.
Fazit: Der globale Ausbau der Wasserkraft bedroht die artenreichsten Gewässer der Erde. Der ökonomische Nutzen von Staudämmen werde häufig überschätzt, die langfristigen Konsequenzen für Artenreichtum und Fischerei hingegen unterschätzt, warnen die Autoren. Um die Auswirkungen auf Umwelt und Mensch zu minimieren, fordern sie überregionale Analysen zur Risikoabschätzung bei Dammbauten, die sowohl soziale als auch ökologische Prozesse und ihre Wechselwirkungen berücksichtigen.
Datenbank
Professorin Christiane Zarfl vom Zentrum für Angewandte Geowissenschaften der Universität Tübingen hatte gemeinsam mit dem Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei eine Datenbank von allen großen Wasserkraftanlagen weltweit zusammengestellt, die sich derzeit im Bau befinden oder geplant sind.
Ein internationales Wissenschaftlerteam kombinierte nun diese Informationen mit aktuellen Daten zur Verteilung von Fischarten in den drei großen Flusssystemen und stellte sie in Karten dar.
Biodiversität geht verloren
In den tropischen Einzugsgebieten von Amazonas, Mekong und Kongo leben mit mehr als 4000 Arten knapp ein Drittel aller Süßwasserfischarten der Erde, die meisten davon sogar nur hier. Derzeit sind diese Flüsse noch weitgehend unverbaut, jedoch ist die Errichtung von mehr als 450 großen Dämmen geplant. Dies habe nicht nur soziale Auswirkungen, wie die Umsiedlung der ansässigen Bevölkerung, sagen die Autoren.
Die besten Stellen für die Elektrizitätsgewinnung seien zugleich Gebiete, die eine einmalige Artenvielfalt aufwiesen. Es bestehe die akute Gefahr, dass große Dämme den Fischreichtum reduzierten und Hindernisse für wandernde Fische darstellten.
„Dies kann Fischpopulationen trennen und deren Lebenszyklen unterbrechen“, sagt Zarfl. „Staudämme schränken die natürliche Dynamik eines Flusses ein und schaffen somit einheitlichere und unproduktivere Lebensräume. Das reduziert nicht nur den Artenreichtum, es beeinträchtigt auch die Fischerei und die von der Dynamik des Gewässers abhängige Landwirtschaft.“
Nachhaltiges Gewässermanagement
Mit der Studie wolle man zeigen, wie wichtig eine abwägende Auswahl des Staudammstandortes für ein nachhaltiges Gewässermanagement sei, sagt Zarfl. Die Autoren empfehlen daher mit Nachdruck eine integrative Planung des Wasserkraftausbaus, die eine Balance zwischen Ausschöpfung des Wasserkraftpotentials und dem Erhalt natürlicher Ressourcen wahrt.
Risikoabschätzung
Zur Risikoabschätzung müssten alle verfügbaren Daten genutzt werden. Vor allem Geldgeber seien aufgerufen, Analysen zu fordern, die kumulative Effekte bestehender und geplanter Staudämme berücksichtigen und explizit alternative Standorte mit einbeziehen: „Nur so können soziale Ziele erreicht und die Auswirkungen auf die Umwelt reduziert werden.“
Der Ergebnisse sind im Wissenschaftsmagazin science veröffentlicht http://dx.doi.org/10.1126/science.aac7082