Warum die DWS ihre Nachhaltigkeitsstrategie überarbeitet – und was das über den Zustand des globalen Kapitalmarkts verrät
Von außen betrachtet sieht alles stabil aus. Eine Billion Euro verwaltetes Vermögen. 80 Prozent der Anteile bei der Deutschen Bank. ESG-Leitbilder, die sauber gedruckt in Präsentationsfolien stehen. Doch im Innern ist Bewegung. Die DWS, einer der größten europäischen Vermögensverwalter, überarbeitet ihre Nachhaltigkeitsstrategie – wie das Handelsblatt zuerst berichtete. Der Grund: wachsender politischer Druck – insbesondere aus den USA.
Es ist eine Korrektur mit geopolitischem Beigeschmack. Denn was als ambitionierter Umbau zur klimaneutralen Transformation begann, wirkt nun wie ein Rückzug ins Kunden-Neutralitäts-Exil. Im Vorfeld der DWS-Hauptversammlung ließ Vorstandschef Stefan Hoops ein Redemanuskript veröffentlichen, das einen neuen Ton anschlägt. Weniger grün, mehr grau. Die Botschaft: Wir bieten ESG – aber entscheiden müssen die Kunden.
Die Wall Street diktiert den Wandel
Was wie ein internes Strategie-Update klingt, ist in Wirklichkeit Teil eines transatlantischen Kulturkampfs. In den USA sehen konservative Politiker die Nachhaltigkeitsbewegung zunehmend als „woke ESG-Kartell“, das ihre Öl- und Gasinteressen bedroht. Die Konsequenz: politische Kampagnen, Rückzugsforderungen und juristische Untersuchungen. Im Fadenkreuz: Branchenriesen wie BlackRock, Vanguard, aber auch europäische Player wie die DWS, deren Fonds in den USA investiert sind.
Wie das Handelsblatt berichtet, hatte ein republikanisch geführtes Komitee des US-Repräsentantenhauses im Dezember mehr als 60 Vermögensverwalter zur Rede gestellt – wegen ihrer Beteiligung an der Net-Zero Asset Managers Initiative (NZAMI). Der Vorwurf: politische Einmischung durch ESG. In diesem politischen Klima hat sich die DWS entschieden, ihre Strategie „noch einmal weiterzuentwickeln“, so Hoops im Redetext.
Vom Moralmarkt zum Wahlmarkt
„Die Kundenpräferenzen haben sich verändert“, sagt Hoops laut Handelsblatt. Was wie ein Euphemismus klingt, ist eine Verschiebung der Verantwortung. Der Trend geht von der strategischen ESG-Integration hin zur ESG-Option: Fonds dürfen nachhaltig sein – aber sie müssen es nicht. Der Kunde entscheidet. Oder wie es im Redemanuskript heißt: „Wir haben niemandem jemals Vorgaben gemacht, welche Anlagestrategie sie verfolgen sollen. Und wir werden das auch künftig nicht tun.“
Die DWS ist nicht allein mit diesem Kurs. Im Januar setzte das Klimabündnis NZAMI seine Arbeit aus – nachdem BlackRock und Vanguard ausgetreten waren. Texas hob jüngst Investitionsbeschränkungen gegen BlackRock auf. ESG wird zum Risikofaktor – nicht nur finanziell, sondern politisch.
Greenwashing und Glaubwürdigkeit
Zugleich hat die DWS mit hausgemachten Problemen zu kämpfen. Laut Handelsblatt warf die Frankfurter Staatsanwaltschaft der Deutschen-Bank-Tochter Greenwashing vor – und verhängte im April ein Bußgeld von 25 Millionen Euro. Schon zuvor musste die DWS in den USA eine Strafe wegen überzogener Nachhaltigkeitsversprechen zahlen.
Die Frage ist: Was bleibt von der Idee, über Kapitalströme die Realwirtschaft zu verändern? Laut Geschäftsbericht will die DWS weiterhin „Kunden helfen, die nachhaltige Transformation zu bewältigen“. Doch der Tonfall hat sich verschoben – weg von der Selbstverpflichtung, hin zur Serviceleistung.
Die neue Bescheidenheit der Nachhaltigkeit
Was wir beobachten, ist kein Bruch – aber ein Rückzug. Nachhaltigkeit ist kein ethisches Statement mehr, sondern ein Produktmerkmal, das gewählt, abgewählt, bepreist und verhandelt werden kann. ESG wird normalisiert – und damit auch relativiert.
Der Kapitalmarkt, einst gefeiert als Hebel der Transformation, entdeckt wieder seine alte Rolle: Dienstleister. Und vielleicht ist das der ehrlichere Weg. Denn der eigentliche Wandel beginnt nicht mit einem Fonds. Sondern mit einer Entscheidung. Einer politischen, einer gesellschaftlichen – und ja, auch einer unternehmerischen.
Die DWS macht deutlich: Sie folgt dem Markt. Die Frage ist nur, ob der Markt noch der Klima-Realität folgt.
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