Windkraft gilt als eine tragende Säule der Energiewende und als Hoffnungsträger für Deutschlands nachhaltige Energiezukunft bis 2045. Doch viele der Windkraftanlagen, die einst als Symbol für saubere Energie errichtet wurden, haben mittlerweile ihre technische Lebensdauer überschritten. Laut der Fachagentur Wind und Energie stehen rund ein Drittel der Anlagen in Deutschland kurz vor dem Abbau. Doch was passiert mit den ausrangierten Windrädern? Und welche Herausforderungen bringt ihr Recycling mit sich?

Fabian Rechsteiner, Experte für Verbundmaterialien, erklärt, dass die technischen und politischen Hürden auf dem Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft in der Windenergie weiterhin groß seien.

Warum laufen viele Windkraftanlagen länger als geplant?

Eigentlich seien Windenergieanlagen für eine Betriebsdauer von 20 bis 25 Jahren ausgelegt. In Deutschland würden jedoch viele dieser Anlagen deutlich länger betrieben. Ein Grund dafür sei, dass der Strompreis sich an der teuersten Energiequelle orientiere – aktuell sei das Gas mit rund 11 Cent pro Kilowattstunde. Windkraft könne hingegen unter optimalen Bedingungen bereits für 4 Cent pro Kilowattstunde produziert werden. Betreiber würden durch die Verlängerung der Laufzeiten aufwendige und langwierige Genehmigungsprozesse für neue Anlagen vermeiden, die in Deutschland oft sechs bis acht Jahre dauerten. Zudem sei der Transport neuer Windkraftanlagen eine logistische Herausforderung: Die riesigen Bauteile ließen sich nur mit erheblichen Straßensperrungen und Baumfällungen transportieren. Als Alternative werde häufig das sogenannte Repowering genutzt, bei dem alte Windräder durch leistungsfähigere Modelle am selben Standort ersetzt würden. Hier seien die Genehmigungsverfahren wesentlich unkomplizierter.

Was geschieht mit stillgelegten Windkraftanlagen?

Nicht alle Anlagen könnten weiterbetrieben werden. In diesen Fällen erfolge der Abbau und das Recycling.

Laut Rechsteiner würden die Türme aus Stahl recycelt und das Fundament aus Zement im Straßenbau wiederverwendet. Eine besondere Herausforderung stellten jedoch die Rotorblätter dar, da sie aus einer Vielzahl an Materialien bestünden – darunter faserverstärkte Kunststoffe, Holz, Schaum und Metalle. Hersteller würden sich bislang kaum Gedanken darüber machen, was mit diesen Materialien nach Ende der Betriebszeit geschehe. Auch politisch seien recyclinggerechte Konstruktionsvorgaben bisher kaum verankert.

Ein digitaler Produktpass könnte aus Sicht des Experten hier eine Lösung bieten. Dieser würde dokumentieren, welche Materialien in den Rotorblättern verbaut seien. Viele der heutigen Windräder seien über 30 Jahre alt, sodass oft nicht mehr genau nachvollziehbar sei, welche Stoffe damals verwendet wurden. Ohne einheitliche Materialdokumentation bleibe das Recycling komplex. Am Fraunhofer IGCV arbeite man daher daran, Recyclingprozesse zu entwickeln, die diese Materialien effizienter verwertbar machen.

Wie funktioniert das Recycling von Rotorblättern?

Das Fraunhofer IGCV setze dabei auf ein Pyrolyse-Verfahren. Laut Rechsteiner würden die Rotorblätter zerkleinert und unter Ausschluss von Sauerstoff erhitzt. Durch diese Stickstoffatmosphäre werde verhindert, dass der Kunststoff verbrenne. Stattdessen zersetze er sich thermisch, wodurch die wertvollen Carbon- oder Glasfasern vom Kunststoff getrennt werden könnten.

Diese Fasern würden im Anschluss in ein Vlies verarbeitet, das für verschiedene Industriezweige nutzbar sei. Eine Herausforderung dabei sei die Anordnung der Fasern innerhalb des Vlieses. Je geordneter sie seien, desto besser wären die Materialeigenschaften. Ziel sei es, das recycelte Material so aufzubereiten, dass es in neuen Produkten effizient eingesetzt werden könne.

Wie unterscheiden sich recycelte Fasern von neuen Materialien?

Die Eigenschaften recycelter Carbonfasern seien laut Rechsteiner in vielen Bereichen mit neuen Fasern vergleichbar. Besonders für die Automobil- oder Sportartikelindustrie könnte dies interessant sein. Allerdings sei der Einsatz für tragende Strukturen in Flugzeugen oder neuen Rotorblättern weniger geeignet. Dennoch biete das Recycling eine nachhaltige Alternative zur Neuproduktion hochwertiger Materialien.

Wie steht es um die Forschung und den Markt für Rotorblatt-Recycling?

Rechsteiner erklärt, dass das Recycling technisch bereits weit entwickelt sei und in die industrielle Umsetzung gehen könnte. Das größte Problem bestehe jedoch darin, dass es bislang wenig Nachfrage nach recycelten Materialien gebe. Viele Unternehmen zögerten, in Recyclingverfahren zu investieren, da der Markt unsicher sei. Politische Maßnahmen wie eine verbindliche Recyclingquote könnten helfen, die Nachfrage zu steigern und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.

Ein Wunsch aus der Forschung

Zum Abschluss merkt Rechsteiner an, dass er sich persönlich freuen würde, wenn recycelte Materialien in Fahrrädern verwendet würden. So würde sich der Kreislauf nicht nur für die Umwelt, sondern auch für ihn persönlich schließen.