Nicht ganz einfach ist es nachhaltige Speisen in Mensen und Kantinen zu verkaufen. Zudem haben die Grünen, mit ihrem vor einigen Jahren geforderten Veggi-Day, der gut gemeint, aber schlecht kommuniziert war, viele Menschen eher verunsichert.
Gibt es in der Mensa keine Tabletts, verringern sich die Essensreste. Steht das kleine Wörtchen „cool“ vor Karotte, animiert das Kinder dazu, mehr davon zu essen, und wenn ihnen auch noch erzählt wird, dass Batman gern Karotten knabbert, könnte der Möhrenverzehr plötzlich durch die Decke schießen. Und Gerichte, die auf der Speisekarte oben beziehungsweise rechts unten platziert sind, werden mehr gekauft.
Wenn es darum geht, gesunde und nachhaltige Speisen in Schulen, Kindergärten, Betriebskantinen und Mensen an Verbraucherinnen und Verbraucher zu bringen, funktionieren diese Entscheidungshilfen sehr gut. Ein wichtiges Ergebnis des Verbundprojektes „Entwicklung, Erprobung und Verbreitung von Konzepten zum nachhaltigen Produzieren und Konsumieren in der Außer-Haus-Gastronomie – NAHGAST“ ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher es ausdrücklich befürworten, auf diese unterschwellige, sanfte Art und Weise angestoßen zu werden, sich für den Gemüseauflauf und nicht für die Bratwurst zu entscheiden.
Psychologen sprechen vom Nudging. Darunter wird das Anschubsen eines Menschen verstanden, um sein Verhalten in eine gewünschte Richtung zu verändern, ohne mit Verboten oder Geboten zu agieren oder die Auswahlmöglichkeiten einzuschränken. Das Teilprojekt zur Verbraucheransprache leitete Prof. Dr. Nina Langen, Fachgebiet Bildung für Nachhaltige Ernährung und Lebensmittelwissenschaft der TU Berlin. Es war eingebunden in ein Konzept, das Wege zu nachhaltigeren Speiseangeboten und eine entsprechende Nachfrage analysierte in einem Verbund aus Forschenden der TU Berlin, der FH Münster, dem Faktor 10 – Institut für nachhaltiges Wirtschaften und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gemeinsam mit sechs Unternehmen der Außer-Haus-Gastronomie. Prof. Dr. Petra Teitscheid von der FH Münster leitete das Gesamtprojekt „NAHGAST“.
Riesiger Wirtschaftszweig
Die Außer-Haus-Gastronomie, zu der Kantinen, Tankstellen, Imbissbuden und die Schulspeisung genauso gehören wie Fast-Food-Ketten und Gourmetrestaurants, ist einer der florierendsten Wirtschaftszweige innerhalb der Nahrungsmittelindustrie mit einem Umsatz von über 73,6 Milliarden Euro im Jahr 2015. Das war ein Anstieg im Vergleich zu 2014 von 3,4 Prozent. Die Außer-Haus-Gastronomie ist neben dem Lebensmitteleinzelhandel der zweitwichtigste Absatzkanal für die Ernährungsindustrie.
Und noch ein interessanter Fakt: Zwischen 2005 und 2015 sind die zu Hause eingenommenen Mahlzeiten um drei Milliarden zurückgegangen. „Allein aufgrund der Größe ist dieser Sektor deshalb ein enorm wichtiger Hebel, um eine nachhaltige Ernährung voranzubringen, aber das wird noch zu wenig genutzt. Viele Speisen in der Außer-Haus-Gastronomie entsprechen nicht den anerkannten Ernährungsempfehlungen und haben gravierende ökologische und soziale Effekte“, sagt Prof. Dr. Nina Langen. Ziel des Projektes war es deshalb unter anderem, den Betreibern von Kantinen, Mensen, Großküchen, Restaurants praxisnahe Werkzeuge an die Hand zu geben, mit denen sie auf einfache Weise ihre Speisen, nachhaltig zubereiten können. So soll der Nachhaltigkeitsgedanke zunehmend in diesem Sektor verankert werden.
Zugrunde gelegt wurde ein breiter Nachhaltigkeitsbegriff, der Ökonomie, Ökologie, Soziales und Gesundheit umfasst. Für jeden Bereich wurden verschiedene Indikatoren festgelegt. Für Gesundheit waren es zum Beispiel die Indikatoren Zucker- und Salzgehalt, im Bereich der Ökologie unter anderem der Ressourcenverbrauch und der CO2-Fußabdruck, im Bereich Soziales, ob die Produkte fair gehandelt werden.
Instrumente für nachhaltige Speisen entwickelt
Für die Großküchen wurde – federführend vom Wuppertal Institut und dem Faktor 10 – ein Instrument entwickelt, mit dem sie ihre Speiseangebote im Hinblick auf Nachhaltigkeit bewerten können. Diese Bewertung erfolgt anhand einer Vielzahl von Indikatoren und errechnet sich in einer Excel-Datei weitgehend automatisch. Die Forscherinnen und Forscher konnten mit Hilfe des Instrumentes besonders nachhaltige Gerichte auswählen, an denen verschiedene Nudging-Interventionen untersucht wurden.
Die Kundinnen und Kunden wurden befragt, wie sie eingebunden werden möchten, um sich für eine nachhaltige Speise zu entscheiden. Sie konnten wählen zwischen Information, Nudging und Partizipation. Das Votum fiel eindeutig zugunsten des Nudging (Anschubsens) aus. „Information? – Nein, danke!, Partizipation? – Bloß nicht!, so das auch für uns etwas überraschende Fazit“, sagt Nina Langen. „Essen hat etwas mit Pause zu tun und da möchte man nicht mit Informationen über Kinderarbeit oder darüber, dass das Eisbein dem Bluthochdruck nicht förderlich ist, konfrontiert werden. Besser kommen da Aussagen an wie ‚Der Chefkoch empfiehlt‘ oder eine kreative Bezeichnung der Speise wie ‚Westfalen trifft Asien: westfälischer Spitzkohl neu interpretiert‘.“ Aber auch die Anbieter präferierten mehrheitlich den Weg über das Anschubsen ihrer Kundinnen und Kunden, um sie zum Griff nach einer nachhaltigen und gesunden Speise zu bewegen.
Label für nachhaltige Speisen getestet
Getestet haben die Wissenschaftler auch, wie ein Label aussehen könnte, das eine Speise als nachhaltig und gesund kennzeichnet. Zur Wahl standen eine Ampel, ein Schieberegler und ein Kreis. Am besten kam ein dreiteiliger Schieberegler mit den Informationen Umwelt, Gesundheit und Tier- und Menschenwohl an. Abgelehnt wurden negative Informationen über die Folgen für Mensch, Tier und Umwelt, die mit einem Gericht einhergehen. Gewünscht wurden positive Aussagen wie Bio, regional, saisonal vegan/vegatarisch, fair.
„Interessant war, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher über den CO2- und Wasserverbrauch-Fußabdruck der Speise keine Informationen haben wollten, obwohl diese Faktoren enorm wichtig sind, um die Nachhaltigkeit zu beurteilen“, so Nina Langen. „Wahrscheinlich werden diese Indikatoren mit einer nachhaltigen und gesunden Ernährung noch nicht in Zusammenhang gebracht.“
Übrigens: In Mensen ohne Tabletts minimieren sich zwar die Essensreste, aber die Studierenden neigen dann dazu, keinen Salat mehr zu nehmen, auf das Dessert verzichten sie aber nicht. Und Gebote wie „Donnerstag ist Veggie-Tag“ bewirken das Gegenteil. Sie aktivieren eher den Widerspruch.