Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) legte heute einen ausführlichen Bericht vor, der beleuchtet, wie herausfordernd die Dekarbonisierung des Luftverkehrssektors ist. Der Bericht, der sich auf den neuesten Stand der Forschung stützt, betont die Rolle von klimafreundlicheren Kraftstoffen wie Biokraftstoffen und E-Fuels sowie innovative Antriebstechnologien, darunter elektrische und Brennstoffzellen-basierte Systeme.
E-Fuels bieten laut Bericht Potenzial zur Reduzierung von Treibhausgasen, erfordern jedoch einen beträchtlichen Energieaufwand in ihrer Herstellung. Zur Senkung der Emissionen könnte auch eine effizientere Flugroutenplanung und eine bessere Auslastung der Flugzeuge beitragen. Des Weiteren könnte eine Reduzierung der Flugreisen selbst einen signifikanten Einfluss haben.
Interessanterweise weist das TAB darauf hin, dass nur etwa ein Drittel der Klimawirkung von Flügen direkt auf CO2-Emissionen zurückzuführen ist. Kondensstreifen und Zirruswolken tragen ebenfalls erheblich zur Klimabelastung bei, deren Effekte allerdings noch nicht vollständig erforscht sind.
Neben technologischen Ansätzen beleuchtet der Bericht auch wirtschaftliche und politische Maßnahmen, die den Übergang zu einem nachhaltigeren Luftverkehr unterstützen könnten, einschließlich der möglichen Einführung einer Kerosinsteuer. Hindernisse wie der Fachkräftemangel und die Konkurrenz um nachhaltige Ressourcen werden als weitere Herausforderungen genannt.
Zur Vertiefung dieser Thematikhat das SMC verschiedene Expertinnen und Experten befragt, die ihre Meinungen zu den erforderlichen nationalen und internationalen Maßnahmen für einen umweltschonenderen Luftverkehr teilen.
► Prof. Dr. Stefan Gössling
Professor für Tourismus, School of Business and Economics, Linnaeus University, Kalmar, Schweden
Einordnung des Berichts
„Der Bericht unterschlägt einige wesentliche Punkte: Erstens ist der Ausgangspunkt des Berichts eine ‚umweltverträglichere‘ Luftfahrt bis zum Jahr 2050. Es ist unklar, warum die Luftfahrt weniger ambitiöse Klimaziele als andere Sektoren erreichen soll, insbesondere, da es sich um einen Wachstumssektor handelt. Hier wird gern auf die globale Entwicklung verwiesen, dabei aber ignoriert, dass gerade die Deutschen besonders hohe Reiseemissionen verursachen. Diese werden wiederum von nur etwa einem Drittel Bevölkerung verursacht und hier besonders von den Vielfliegern.“
„Zweitens ist die technische Reife der vorgestellten Technologien optimistisch. Zum Beispiel gibt es keine Veröffentlichungen, die batterieelektrischen Flugzeugen relevante Anteile – mehr als fünf Prozent – der Nachfrageabdeckung zutrauen. Es werden keinerlei Angaben gemacht zu den verfügbaren Mengen an nachhaltigen biomassebasierten Treibstoffen, hier sind schon jetzt Produktionsengpässe zu verzeichnen. Bei den E-Fuels (power-to-liquid) gibt es keine funktionierenden Pilotanlagen – der Bericht stellt es so dar, als seien nur die benötigten Strommengen ein Problem. Tatsächlich gibt es hier aber eine dreifache Problemhierarchie: Die Technik ist herausfordernd und schwer skalierbar; sie wird, wenn sie denn funktioniert, gewaltige Strommengen verbrauchen, die an anderer Stelle der Elektrifizierung fehlen werden; und der Preis für E-Fuels wird so hoch sein, dass keine Fluggesellschaft diese freiwillig nutzen wird. Es ist viel günstiger, dann Strafen zu zahlen. Beim Wasserstoff ist vollkommen unklar, wann erste Flugzeuge werden fliegen können – diese werden in jedem Fall klein sein.“
„Drittens berücksichtigt der Bericht nicht die sehr langen Entwicklungszeiten für neue Flugzeugtypen, die eher bei 15 Jahren und mehr liegen – während ein Flugzeug eine Lebenszeit von 25 Jahren hat. Das heißt, dass eine Umstellung bis 2050 vollkommen unrealistisch ist.“
„Viertens wird der wichtigste Ansatz der Emissionseinschränkung – die Reduzierung der Nachfrage nach Flügen – kaum diskutiert. Eine wichtige Maßnahme hierfür ist die Besteuerung vor allem von Langstreckenflügen, die die größten Emissionsbeiträge verursachen. Etwa 25 Prozent der Flüge mit den weitesten Strecken machen 70 Prozent der Emissionen aus.“
„Insgesamt erwarte ich von einem solchen Bericht, dass eine klare Aussage getroffen wird: Das Ziel einer auch nur annähernd klimaneutralen Luftfahrt ist bis 2050 unerreichbar, sofern nicht deutlich drastischere Maßnahmen wie Besteuerung oder Einspeisequoten getroffen werden. Forschung- und Entwicklungsförderung kann die Probleme nicht lösen und macht außerdem den Staat mitverantwortlich für die Lösung. Verantwortlich ist die Luftfahrt.“
Nationale und internationale Maßnahmen
„Große Emissionsminderungspotenziale liegen in einer Reihe von Maßnahmen, die berücksichtigen, wer besonders viele Emissionen verursacht: Erstens verursacht eine sehr kleine Gruppe von Vielfliegern mit mehr als zehn Flugreisen pro Jahr einen Großteil der Emissionen. Diese Gruppe fliegt häufig in der Premium-Klasse, die wiederum drei- bis fünfmal höhere Emissionen verursacht als die Economy Class. Diese Gruppe einzuschränken beziehungsweise zu mehr Flügen in der Economy zu zwingen, hat ein sehr hohes Emissionsminderungspotenzial. Sollte diese Gruppe nur noch halb so häufig und in der Economy Class fliegen, dann könnten rund 25 Prozent der Emissionen eingespart werden. Hilfreich wäre hier auch ein Verbot von Frequent Flier Bonusprogrammen, die zu weiteren Reisen und Upgrades ermuntern.“
„Zweitens übernehmen Reisende keine Verantwortlichkeit für ihre Emissionen. Gleichzeitig suggerieren die Fluggesellschaften, dass Lösungen entwickelt werden. Das führt dazu, dass einfach weitergeflogen wird, ohne Reflektion über die Konsequenzen. Fluggesellschaften sollten kommunizieren, dass eine nachhaltige Luftfahrt deutlich teurer sein wird. Der Staat sollte CO2 besteuern, auf der Basis der tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten. Das wären 200 Euro pro Tonne CO2, im Flugverkehr eigentlich 600 Euro aufgrund der Höheneffekte.“
„Drittens: Es ist klar, dass es keine internationalen Ambitionen gibt, die Luftfahrt klimaneutral zu machen. Es ist eine Illusion zu glauben, die ICAO und ihr CORSIA-Programm würden dazu beitragen. Daher ist nur auf der Basis nationaler oder regionaler (EU) Alleingänge überhaupt politisch etwas zu erreichen. Alle Maßnahmen haben gleichzeitig eine Signalwirkung wie Frankreichs Verbot von Kurzstreckenflügen oder die Reduktion von Langstreckenslots am Flughafen Amsterdam Schiphol.“
„Viertens muss die Politik berücksichtigen, dass es billiger ist Strafen zu zahlen, als Klimaziele zu erreichen – zum Beispiel bei der Einspeisequote (drop-in-quota). Es wird unmöglich sein, die ReFuel-Vorgabe von zwei Prozent synthetischer Kraftstoffe bis 2030 zu erreichen. Was bedeutet das politisch? Hier müsste klar sein, dass Flughäfen dann beispielsweise Slots reduzieren müssen, um entsprechende Emissionsminderungen zu erreichen. Es braucht diesen Druck, um Emissionen zu reduzieren.“
► Dr. Martin Cames
Leiter Bereich Energie & Klimaschutz, Öko-Institut e.V., Berlin
Einordnung des Berichts
„Der Luftverkehr gehört zu den Wirtschaftsbereichen, in denen die Treibhausgasemissionen schwerer zu vermeiden sind als in anderen Wirtschaftsbereichen, da fossile nur indirekt durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden können. Insofern spielt die Entwicklung von alternativen Kraftstoffen und Antriebskonzepten eine wichtige Rolle auf dem Weg zum klimaneutralen Luftverkehr. Kurzfristig können nachhaltige Biokraftstoffe einen Beitrag zur Minderung leisten. Die Verfügbarkeit von Biokraftstoffen ist begrenzt, sodass aus erneuerbarem Strom hergestellte synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) mittel- bis langfristig die wichtigste technologische Minderungsoption vor allem für Langstreckenflüge darstellen. Allerdings ist fraglich, ob technologische Lösungen ausreichen, wenn nicht zugleich das Nachfragewachstum nach Flügen verringert und langfristig die Nachfrage nach Flügen reduziert werden kann. Die Rolle der Nachfrage und von Instrumenten zur Regulierung der Nachfrage wird im TAB-Bericht nicht hinterfragt und nicht hinreichend untersucht.“
Internationale Maßnahmen
„Der Luftverkehr ist ein genuin internationaler Wirtschaftsbereich, in dem deshalb internationale Kooperation besonders wichtig ist. In Europa wurde der Luftverkehr deshalb schon 2012 in das Europäische Emissionshandelssystem integriert. Darüber hinaus gilt ab 2025 eine Beimischungspflicht für nachhaltige Kraftstoffe. Beide Politikinstrument tragen zur Minderung der Treibhauswirkung bei, wobei eine Anschubförderung für die Produktion von nachhaltigen Flugkraftstoffen den Aufbau von Produktionskapazitäten und technologischem Know-how in Deutschland und Europa beschleunigen könnte. Jenseits Europas werden die Treibhausgasemissionen des Luftverkehrs durch CORSIA geregelt. Dabei wird das Wachstum der CO2-Emissionen durch Minderungszertifikate in anderen Sektoren ausgeglichen. Während die Bundesregierung sich bereits für deutlich mehr Minderungsambitionen im globalen Kontext einsetzt, wird die Unzulänglichkeit der Politikinstrumente auf internationaler Ebene im TAB-Bericht kaum erwähnt und nicht adäquat bewertet.“
Nationale Maßnahmen
„Die wirkmächtigsten Instrumente zur Treibhausgasminderung im Luftverkehr werden auf europäischer Ebene vereinbart. Insofern ist der Spielraum der Bundesregierung für zusätzliche Initiativen begrenzt. Die Verantwortung für Forschung und Entwicklung liegt jedoch bei den Mitgliedsstaaten. Wenngleich das Forschungsprogramm in den letzten Jahren bereits aufgestockt wurde, ist es sinnvoll weitere Mittel auszuweiten – vor allem für Technologien und Politikinstrumente, mit denen die nicht-CO2-Wirkungen des Luftverkehrs drastisch gemindert werden können. Der Verweis auf weiterhin bestehende wissenschaftliche Unsicherheiten bezüglich der komplexen Wirkungsketten ist unangebracht, da der Kenntnisstand so weit fortgeschritten ist, dass zum Beispiel Instrumente zur Vermeidung der Entstehung von Kondensstreifen schon jetzt ergriffen werden können. Der Gold Standard (Zertifizierungsrahmen für Emissionsreduktionen, wird von der Gold Standard Foundation veröffentlicht; Anm. d. Red.) hat zum Beispiel ein Konzept angenommen, mit dem sich Fluggesellschaften Vermeidung von Kondensstreifen als Treibhausgasminderung zertifizieren lassen können.“
Reduzierung des Flugverkehrs
„Ein wichtiger Beitrag zur Minderung der Treibhauswirkungen des Luftverkehrs ist die Verlagerung auf andere, klimafreundlichere Verkehrsmittel wie den Schienenverkehr. Allerdings sind die Kapazitäten begrenzt und können nur sukzessive erweitert werden. Insofern leisten Strategien zur Vermeidung von Flügen einen zunehmend wichtigeren Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität des Luftverkehrs. Viele Flüge können – wie während der Pandemie deutlich wurde – durch Videokonferenzen ersetzt werden. Darüber hinaus können Flüge eingespart werden, wenn Urlaube oder Besuche, die Langstreckenflüge erfordern, seltener, aber länger durchgeführt werden oder Urlaubziele gewählt werden, die ohne Flüge erreicht werden können.“
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