Im Büro von Peter Müller, Geschäftsführer eines mittelständischen Technologieunternehmens, herrscht Anspannung. Seine Firma produziert Bauteile für Elektrofahrzeuge, und während die Nachfrage nach seinen Produkten in die Höhe schießt, treiben die Rohstoffkosten die Produktionskosten ins Unermessliche. Vor allem der Preis für Kupfer und Aluminium bereitet ihm Sorgen – beide Materialien sind für die Herstellung unverzichtbar. „Wir stehen vor der Wahl: Entweder erhöhen wir die Preise drastisch oder wir stoppen die Produktion bestimmter Komponenten“, sagt Müller und blickt frustriert auf die aktuelle Preisliste der Rohstoffmärkte.

Dieses Beispiel zeigt, wie stark ein Rohstoff-Superzyklus die grüne Transformation gefährden kann. Während Elektrofahrzeuge pro Fahrzeug mehr als viermal so viel Kupfer benötigen wie Verbrenner und Aluminium für Chassis und Energiespeicher unerlässlich ist, steigen die Preise für diese Rohstoffe kontinuierlich. Gleichzeitig benötigen auch Solaranlagen, Windkraftwerke und Stromnetze große Mengen an Kupfer und Aluminium, um den wachsenden Energiebedarf zu decken.

Die Situation verschärft sich, wenn internationale Sanktionen ins Spiel kommen. Sanktionen gegen rohstoffreiche Staaten wie Russland, Iran oder Venezuela führen dazu, dass wichtige Exporte blockiert werden. Als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine hat der Westen beispielsweise Sanktionen gegen russisches Aluminium verhängt. Dies hat nicht nur die Preise in die Höhe getrieben, sondern auch Unsicherheit auf den Weltmärkten geschaffen.

Besonders Europa ist anfällig, da es stark auf den Import von Rohstoffen angewiesen ist. Ein Handelskrieg zwischen den USA und China, bei dem seltene Erden und andere wichtige Ressourcen wie Gallium und Germanium zur Verhandlungsmasse werden, könnte die Versorgungslage der europäischen Industrie weiter verschärfen. In diesem Kontext sehen sich Unternehmen wie das von Peter Müller gezwungen, ihre Produktionsstrategien komplett zu überdenken.

Die Auswirkungen reichen jedoch weit über Unternehmen hinaus. Verbraucher spüren sie in Form höherer Preise für Elektroautos, Elektronik und Energieprojekte. Ein inflationärer Druck entsteht, der sich auf alle Lebensbereiche auswirken kann. Dies könnte dazu führen, dass die Akzeptanz für die Energiewende sinkt, weil sie als zu teuer empfunden wird.

Ohne strategische Maßnahmen zur Diversifizierung der Lieferketten, die Schaffung von Rohstoffreserven und internationale Kooperationen könnte der Rohstoff-Superzyklus den gesamten Klimaplan ausbremsen. Der Erfolg der grünen Transformation hängt nicht nur von Innovationen und politischen Beschlüssen ab, sondern auch von der Fähigkeit, essentielle Rohstoffe zu sichern und deren Preise stabil zu halten.

Höchststand und Prognosen

Langfristig wird ein starker Anstieg der Nachfrage nach Rohstoffen prognostiziert. Besonders im Fokus steht dabei Kupfer. Elektrofahrzeuge enthalten weitaus mehr Kupfer als Autos mit Verbrennungsmotor. Zudem wird für den Ausbau der Stromnetze und die Übertragung erneuerbarer Energien erheblich mehr Kupfer benötigt. Hinzu kommt, dass der Siegeszug der künstlichen Intelligenz (KI) massive Stromkapazitäten für Rechenzentren erfordert.

Aktuell wird Kupfer in London zu rund 9.000 US-Dollar pro Tonne gehandelt, was einem Anstieg von 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Der bisherige Rekordpreis lag im Mai 2024 bei 11.800 Dollar, befeuert durch den KI-Hype. Danach flachte die Rallye aufgrund schwacher Nachfrage nach E-Autos und Zweifeln am schnellen Fortschritt der KI ab.

Für 2025 erwartet Ehsan Khoman, Leiter der Rohstoffforschung bei der japanischen Bank MUFG, eine stetige Preissteigerung auf rund 10.000 Dollar bis zum Jahresende. Allerdings könnten US-Strafzölle gegen China den Markt zunächst belasten und die Wirtschaft des Landes bremsen. Langfristig könnte Chinas staatliche Unterstützung jedoch für eine robuste Nachfrage sorgen, der ein begrenztes Angebot gegenüberstände.

Für 2026 rechnet Khoman mit einem durchschnittlichen Kupferpreis von 11.600 Dollar pro Tonne – ein Niveau nahe am Allzeithoch. Ein solch hohes Preisniveau würde die Kosten der globalen Dekarbonisierung erheblich erhöhen.

Der drohende Superzyklus und die Folgen für Industrie und Verbraucher

Noch problematischer könnte ein breiter Rohstoff-Superzyklus werden. Laut MUFG wird dieser von fünf Faktoren getrieben: unterinvestierte ESG-Projekte, Dekarbonisierung, steigende Kosten durch geopolitische Selbstständigkeitsbestrebungen, Inflation, KI und erhöhte Militärausgaben. Frühere Superzyklen in den 1970er- und 2000er-Jahren ließen den Bloomberg Commodity Index um 800 beziehungsweise 660 Prozent steigen.

Ein solcher Preisanstieg könnte verschiedene Industrien empfindlich treffen:

  • Automobilindustrie: Die Produktion von Elektrofahrzeugen erfordert erhebliche Mengen an Metallen wie Kupfer, Lithium, Kobalt und Aluminium. Steigende Rohstoffpreise würden die Herstellungskosten erhöhen, was entweder die Gewinnmargen der Hersteller schmälert oder zu höheren Endpreisen für Verbraucher führt. Dies könnte die Akzeptanz und Verbreitung von Elektrofahrzeugen verlangsamen.
  • Bauwirtschaft: Metalle wie Kupfer und Aluminium sind zentral für den Bau von Infrastrukturen, einschließlich erneuerbarer Energieanlagen. Aluminium spielt hier eine Schlüsselrolle als leichter und korrosionsbeständiger Werkstoff für Solaranlagen, Stromleitungen und Gebäude. Ein Anstieg der Rohstoffpreise könnte Bauprojekte verteuern und verzögern, was den Ausbau erneuerbarer Energien behindern würde.
  • Technologiebranche: Seltene Erden und andere Metalle wie Aluminium sind essenziell für die Herstellung von Elektronik. Aluminium wird nicht nur für Gehäuse und Kühlung, sondern auch für Komponenten in Batterien und Leiterplatten genutzt. Preiserhöhungen könnten die Produktionskosten in die Höhe treiben und die Innovationsgeschwindigkeit beeinträchtigen.

Sanktionen und geopolitische Spannungen

Sanktionen gegen rohstoffreiche Staaten wie Russland, Iran oder Venezuela verschärfen die Rohstoffknappheit zusätzlich. Sanktionen können den Zugang zu bestimmten Ressourcen wie Öl, Gas und Metallen massiv einschränken und zu einem weiteren Anstieg der Rohstoffpreise führen. Die Abhängigkeit Europas von Importen macht die EU besonders anfällig für solche Sanktionen.

Sanktionen und Gegensanktionen haben zudem eine abschreckende Wirkung auf internationale Unternehmen, die in Ländern mit potenziellen Konflikten operieren. Dies führt zu Investitionsstopps, wodurch sich das Angebot weiter verknappen kann.

Auswirkungen auf Verbraucher und Klimaziele

Auch Verbraucher würden die Folgen eines Rohstoff-Superzyklus und geopolitischer Spannungen zu spüren bekommen. Höhere Produktionskosten würden wahrscheinlich an die Endkunden weitergegeben, was zu steigenden Preisen für Elektrofahrzeuge, Elektronik und andere mit diesen Rohstoffen hergestellte Produkte führt. Ein allgemeiner Anstieg der Rohstoffpreise kann zudem inflationäre Tendenzen verstärken, wodurch die Lebenshaltungskosten steigen und die Kaufkraft der Verbraucher sinkt.

Für die Erreichung der Klimaziele könnte dies fatale Folgen haben. Die Energiewende erfordert massive Investitionen in erneuerbare Energien und entsprechende Infrastruktur. Steigende Rohstoffpreise könnten diese Investitionen verteuern und somit die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen verzögern. Wenn die Kosten für grüne Technologien weiter steigen, könnten Regierungen und Unternehmen zögern, diese umzusetzen, was die Einhaltung internationaler Klimaziele gefährdet.

Europäische Perspektive und Risiken eines Handelskriegs

Ein eskalierender Handelskrieg zwischen den USA und China hätte zudem weitreichende Auswirkungen, die auch Europa betreffen würden:

  • Wirtschaftliche Verflechtungen: Die europäische Wirtschaft ist eng mit den USA und China verflochten. Spannungen zwischen diesen beiden Nationen könnten globale Lieferketten stören und europäische Unternehmen erheblich belasten.
  • Handelsumlenkungen: Handelsbarrieren zwischen den USA und China könnten dazu führen, dass beide Länder verstärkt nach alternativen Märkten suchen, was den Wettbewerbsdruck auf europäische Unternehmen erhöht.
  • Investitionsunsicherheiten: Anhaltende Handelskonflikte schaffen Unsicherheit auf den globalen Märkten und könnten Investitionen hemmen, insbesondere in zukunftsweisende Projekte der Energiewende.

Auswirkungen auf Europas Klimapolitik

Ein solcher Handelskrieg könnte zudem die europäische Klimapolitik direkt beeinflussen:

  • Verzögerung der Energiewende: Der Import wichtiger Rohstoffe und Technologien könnte durch Handelsbarrieren behindert werden.
  • Steigende Kosten für grüne Technologien: Zölle und Exportbeschränkungen könnten die Preise für Komponenten wie Batterien, Solaranlagen und Windturbinen verteuern.
  • Politischer Druck: Europa könnte gezwungen sein, sich zwischen den USA und China zu positionieren, was den Handlungsspielraum für eine unabhängige Klimapolitik einschränkt.

Stabile Aussichten bei Lithium

Anders stellt sich die Lage bei Lithium dar, einem Schlüsselrohstoff für Batterien in der Elektromobilität. Nach dem Ende des Lithium-Hypes fiel der Preis um rund 90 Prozent. Doch laut den Experten von Fastmarkets hat sich der Markt stabilisiert. Der Preis für Lithiumcarbonat liegt nach Produktionskürzungen in China und Australien bei etwa 11 Dollar pro Kilogramm. Das entspricht einem Anstieg um 50 Prozent im Vergleich zu den Tiefstständen von 2020. Besonders in China verzeichnete der Verkauf von E-Autos im Herbst 2024 Rekordwerte.

Die Marktaussichten für 2025 bleiben robust, sagt Fastmarkets. Zeitweise könnten Engpässe auftreten, wenn Lagerbestände aufgestockt werden, was einen Preissprung verursachen könnte. Ab 2030 wird ein struktureller Lithium-Mangel erwartet, der den Preis drastisch steigen lassen könnte.

Engpässe bei Kobalt und Grafit

Ein weiterer wichtiger Rohstoff für Batterien ist Kobalt. Laut Fastmarkets gab es 2024 ein erhebliches Überangebot, vor allem dank der Produktion in Kongo und Indonesien. Doch für 2025 wird eine Preissteigerung erwartet. Langfristig zeichnet sich ein massiver Engpass ab: Laut MUFG wird bei Erreichen des Klimaziels der Netto-Null-Emissionen bis 2050 nur 19 Prozent des globalen Kobalt-Bedarfs gedeckt werden können.

Noch kritischer ist die Lage bei Grafit, das für moderne Batterietechnologien entscheidend ist, insbesondere wegen der Sicherheitsanforderungen im militärischen Bereich.

Seltene Erden und Handelskonflikte

Auch seltene Erden spielen eine essenzielle Rolle in der Energiewende. Trotz ihres Namens sind sie nicht wirklich selten, doch ihre Verarbeitung findet fast ausschließlich in China statt. Der Handelskrieg der USA gegen China könnte diese Rohstoffe drastisch verteuern oder gar die Lieferungen an den Westen stoppen, der kaum eigene Produktionskapazitäten besitzt.

Erstmals hat China im Jahr 2024 mit Gegensanktionen reagiert und den Export von Gallium, Germanium und Antimon an die USA stark eingeschränkt. Diese Rohstoffe sind unerlässlich für die Herstellung militärischer Elektronik, superharter Materialien und Graphit. Der Preis für Antimon schoss bereits von 6.000 auf 38.000 Dollar pro Tonne in die Höhe. Der eskalierende Handelskrieg könnte so nicht nur den Zugang zu kritischen Rohstoffen gefährden, sondern die grüne Transformation der Weltwirtschaft ernsthaft ins Wanken bringen.