Von Frank Tetzel
Eine alleinerziehende Mutter in einem weit abgelegenen Dorf in Tanzania spart seit Monaten für eine kleine Solaranlage. Jetzt steigen die Preise plötzlich spürbar. In Texas verschiebt ein Installateur reihenweise Aufträge, weil seine Ware in Zollhallen festsitzt. Und ein Wärmepumpenbauer in Brandenburg legt ein geplantes Projekt auf Eis, weil wichtige Bauteile nicht nur fehlen, sondern sich über Nacht drastisch verteuert haben.
Diese Beispiele sind keine Einzelfälle, sondern Symptome eines politischen Signals, das wirtschaftlich weit über die USA hinaus wirkt: Donald Trumps Erklärung des sogenannten „Liberation Day“ am 2. April 2025 ist nicht weniger als die Eröffnung eines neuen globalen Handelskonflikts – mit massiven Auswirkungen auf die Transformation unserer Energiesysteme.
Ein Basistarif von zehn Prozent auf nahezu alle Importe, zusätzliche Strafzölle von bis zu 54 Prozent auf Waren aus China, darunter zahlreiche grüne Schlüsseltechnologien – das ist keine punktuelle Korrektur von Ungleichgewichten, sondern ein radikaler Eingriff in globale Lieferketten. Gerade die Industrie für erneuerbare Energien wird davon mit voller Wucht getroffen: Solarpaneele, Batteriespeicher, Komponenten für Windkraftanlagen – fast alles, was für die Dekarbonisierung notwendig ist, wird plötzlich teurer oder unzugänglich.
Die USA haben mit dem Inflation Reduction Act Milliarden in den Umbau ihrer Energiesysteme gesteckt – nun drohen genau diese Pläne durch protektionistische Maßnahmen ausgebremst zu werden. Während China in den letzten Jahren zur Werkbank der globalen Energiewende geworden ist, will Trump mit Zöllen nun die amerikanische Produktion wiederbeleben. Das mag strategisch gedacht sein, ist aber operativ kaum realisierbar. Denn weder Produktionskapazitäten noch Rohstoffe noch Know-how lassen sich auf Knopfdruck neu organisieren – schon gar nicht im grünen Technologiesektor, wo Präzision, Volumen und Zeit sensible Faktoren sind.
Europa steht derweil in einem Dilemma. Einerseits können europäische Hersteller kurzfristig von Handelsumlenkungen profitieren, andererseits geraten sie unter Preisdruck durch billige chinesische Produkte, die nun vermehrt auf den EU-Markt drängen können. Gleichzeitig steigen auch hier die Preise für Vorprodukte, Verzögerungen bei Projekten sind bereits sichtbar – von der Ladeinfrastruktur bis zum großindustriellen Solarpark. Noch schwieriger ist die Lage im globalen Süden. Viele Staaten in Afrika, Asien und Lateinamerika sind auf günstige Importe aus China angewiesen, um ihre eigene Energiewende voranzubringen. Durch die neue Marktdynamik geraten sie jedoch zunehmend in strukturelle Abhängigkeiten – technologisch, wirtschaftlich und nicht zuletzt geopolitisch.
Dabei braucht die Weltgemeinschaft jetzt das Gegenteil von nationalen Alleingängen: eine gemeinsame Handels- und Klimastrategie, die klar zwischen strategischer Souveränität und notwendiger Kooperation unterscheidet. Trumps „Liberation Day“ wirkt in dieser Hinsicht geradezu zynisch. Denn was wird hier eigentlich befreit? Weder die Märkte, noch die Menschen – und schon gar nicht das Klima. Vielmehr erleben wir eine Renaissance der ökonomischen Abschottung, deren Folgen jene zuerst treffen, die ohnehin schon unter Druck stehen: Haushalte mit kleinen Budgets, Mittelständler, Kommunen, Länder ohne eigene Industrie.
Zölle auf Solartechnologie verteuern Strom, Zölle auf Batterien bremsen die E-Mobilität, Zölle auf Baumaterialien verteuern den Wohnungsbau. Die Klimaziele, ohnehin schon ambitioniert, geraten dadurch in noch größere Ferne. Selbst das Ziel, durch mehr Autarkie politische Resilienz zu gewinnen, wird durch die neuen Zölle konterkariert – denn sie verkomplizieren die Kooperation mit genau jenen Partnerländern, die für eine globale Energiewende unverzichtbar sind.
Was wir jetzt brauchen, ist kein Rückzug ins Nationale, sondern eine Handelsarchitektur, die fair, klimaorientiert und partnerschaftlich ist. Grüne Technologien müssen von Zollspiralen explizit ausgenommen werden. Der Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten muss unterstützt werden – auch in Afrika, Südostasien oder Lateinamerika. Und es braucht endlich ein glaubwürdiges internationales Handelsrahmenwerk, das nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ökologische Ziele integriert.
Denn am Ende retten nicht die Märkte das Klima. Aber ohne offene Märkte, strategische Partnerschaften und multilaterales Denken wird die Energiewende zum geopolitischen Spielball. Und das können wir uns nicht leisten – nicht als Gesellschaft, nicht als Planet.
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