Ein geleakter Entwurf der neuen EU-Wasserstrategie zeigt: Die Kommission plant zwar Maßnahmen für mehr Wassereffizienz und gegen Schadstoffe – doch vieles bleibt vage. Das könnte Folgen haben, die weit über trockene Felder und verschmutzte Flüsse hinausgehen.

Die Nachricht kam wie ein Rinnsal, das durch undichte Leitungen tropft: Ein Entwurf der EU-Kommission zur geplanten Wasserstrategie ist durchgesickert. Am 4. Juni soll die Strategie offiziell vorgestellt werden, doch schon jetzt warnen Umweltorganisationen: Die Vorschläge der Kommission bleiben in weiten Teilen unverbindlich – obwohl Europa vor einer wachsenden Wasserkrise steht.

Laut dem Entwurf, der europäischen Umweltmedien wie dem Informationsdienst ENDS vorliegt, will die Kommission ein neues „Wassereffizienz-Prinzip“ einführen. Gemeint ist damit: Weniger entnehmen, mehr wieder verwenden. Klingt vernünftig. Doch wie das konkret aussehen soll, bleibt offen. Verbindliche Ziele zur Reduktion des Wasserverbrauchs fehlen. Stattdessen werden die Mitgliedstaaten „ermutigt“, sich freiwillige Einsparziele zu setzen.

Die Landwirtschaft bleibt außen vor

Besonders auffällig: Für die Landwirtschaft – den mit Abstand größten Wasserverbraucher – bleibt der Entwurf auffällig zahm. Zwar wird die Nitratverschmutzung durch Überdüngung erwähnt, doch konkrete Vorgaben fehlen. Dabei zeigen aktuelle Studien: In Regionen wie Andalusien, der Poebene oder der südfranzösischen Provence ist der Grundwasserspiegel durch industrielle Landwirtschaft massiv gesunken. Bauern bohren immer tiefer, um Felder zu bewässern – mit dem Risiko, das Ökosystem dauerhaft zu schädigen.

Ein Beispiel: In Norditalien drohen bereits jetzt Konflikte zwischen Bauern und Gemeinden um die Wasserverteilung. Fällt der Sommer erneut so heiß aus wie 2022, könnten ganze Dörfer per Tankwagen versorgt werden müssen, während Mais- und Reisanbau weiter Wasser aus austrocknenden Flüssen zieht. Ohne klare Vorgaben bleiben es Einzelfallentscheidungen – mit entsprechendem Konfliktpotenzial.

PFAS: Reinigung ja, Produktion nein?

Auch bei den sogenannten „Ewigkeitschemikalien“, den per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS), bleibt die Strategie halbherzig. Die EU will verschmutzte Gebiete sanieren –  durch öffentlich-private Partnerschaften ab 2026. Die Kosten könnten bei bis zu 100 Milliarden Euro jährlich liegen. Doch gleichzeitig bleibt die Frage unbeantwortet: Warum wird die Produktion dieser hochgiftigen Stoffe nicht beendet?

Ein Verbot der PFAS, wie es die Umweltverbände fordern, wird im Entwurf nicht erwähnt. Dabei gelten PFAS inzwischen in zahlreichen Regionen Europas als flächendeckendes Problem. In der Umgebung von Antwerpen wurden sie kürzlich im Grundwasser nachgewiesen, ebenso in der Nähe von Feuerlöschübungsplätzen in Brandenburg. Dass die EU für die Beseitigung zahlt, aber den Zufluss nicht kappt, erscheint wie das Trockenlegen einer Badewanne, während der Hahn offenbleibt.

Ein Forum, alle zwei Jahre

Ab Ende 2025 soll ein „Water Resilience Forum“ regelmäßig tagen, alle zwei Jahre. Dialoge mit Mitgliedsstaaten sind ebenfalls vorgesehen. Auch die Verordnung zur Wasserwiederverwendung aus dem Jahr 2020 will man überarbeiten. Doch all diese Ankündigungen ersetzen keine echten Vorgaben. Weder zur industriellen Wassernutzung noch zur Speicherung in Zeiten von Dürre und Flut sind konkrete Mechanismen formuliert. Stauseen, Rückhaltebecken, Stadtplanung; all das wird zwar angedeutet, bleibt aber wolkig.

Parlament will mehr – und schwächt sich selbst

Das EU-Parlament hatte am 7. Mai in einem Initiativbericht deutlich mehr gefordert: Sektorale Ziele, Risikobewertungen, Maßnahmen gegen Arzneimittel- und Pestizidbelastung, mehr Resilienz gegenüber Überschwemmungen und Dürren. Doch laut Umweltschützern wurde selbst dieser Text von konservativen und rechten Fraktionen weichgespült. Die NGOs des Bündnisses „Living Rivers Europe“ sprechen von einem „besorgniserregenden Präzedenzfall“, einer verwässerten Umweltpolitik.

Zwischen Resilienz und Realitätsverweigerung

Es wirkt, als vertraue die Kommission lieber auf bestehende Richtlinien als auf neue Verpflichtungen – eine Art Verwaltungs-Resilienz. Doch in einem Europa, das in den kommenden Jahren häufiger mit Extremwetter, Wasserstress und Nutzungskonflikten rechnen muss, könnte sich diese Zurückhaltung rächen.

Ein Beispiel aus Frankreich: Dort wurden im Sommer 2023 mehrere Gemeinden per Dekret zu „Wassersparzonen“ erklärt. Pools durften nicht befüllt, Autos nicht gewaschen, Felder nur nachts bewässert werden. Der Bürgermeister von La Rochefoucauld warnte im Lokalradio: „Wenn Paris nichts vorgibt, geraten wir in den Ausnahmezustand – jedes Jahr aufs Neue.“

Die EU hat jetzt die Chance, eine umfassende Strategie zu liefern und dies mit klaren Zielen, Kontrolle und Umsetzungspflichten. Doch der geleakte Entwurf zeigt bislang nur eines: Die Wasserstrategie der Union ist bislang kaum mehr als ein Wunschzettel.