Achieng steht früh morgens auf, um zum Markt in Nairobi zu gehen. Sie liebt es, frisches Obst und Gemüse für ihre beiden Kinder zu kaufen. Doch heute bleibt sie länger vor dem Stand der Verkäuferin stehen und überlegt. Der Preis für das übliche Bündel Spinat ist deutlich gestiegen. Achieng seufzt und nimmt stattdessen Kartoffeln – sie sind sättigend, aber nicht so nährstoffreich.

Währenddessen sitzt Anna in Hamburg mit ihrer Familie beim Frühstück und bemerkt kaum, dass das Brot etwas teurer geworden ist. Der kleine Preisunterschied fällt in ihrem Wocheneinkauf kaum ins Gewicht. Dieses Beispiel zeigt, wie stark sich Klimapolitiken unterschiedlich auf Menschen weltweit auswirken können.

Eine neue Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) verdeutlicht, warum die Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise in einkommensschwachen Ländern viel gravierender ausfallen als in wohlhabenden Regionen. Denn während in Ländern wie Deutschland der größte Teil des Geldes, das Verbraucher für Lebensmittel ausgeben, in Verarbeitung, Transport und Marketing fließt, entfallen in Ländern wie Kenia über 70 Prozent der Lebensmittelkosten direkt auf die landwirtschaftliche Produktion. Das bedeutet, dass Klimapolitiken, die Produktionskosten verteuern, in ärmeren Ländern zu einem direkten Preisanstieg führen.

Die Ergebnisse dieser Forschung wurden in der Fachzeitschrift Nature Food veröffentlicht.

„In wohlhabenden Ländern wie den USA oder Deutschland erhalten Landwirte weniger als ein Viertel der Ausgaben für Lebensmittel, während dieser Anteil in Subsahara-Afrika bei über 70 Prozent liegt“, erklärt David Meng-Chuen Chen, Wissenschaftler am PIK und Hauptautor der Studie. „Diese Diskrepanz verdeutlicht, wie unterschiedlich Lebensmittelsysteme in verschiedenen Regionen funktionieren.“

Die Forschenden prognostizieren, dass Landwirte mit zunehmender Industrialisierung der Lebensmittelsysteme einen immer geringeren Anteil der Verbraucherausgaben erhalten werden – ein Maß, das als „Farm-Share“ des Lebensmittelbudgets bezeichnet wird.

„In reichen Ländern kaufen wir zunehmend verarbeitete Produkte wie Brot, Käse oder Süßigkeiten, bei denen die Rohzutaten nur einen kleinen Bruchteil der Kosten ausmachen“, ergänzt Benjamin Bodirsky, Mitautor der Studie und ebenfalls Wissenschaftler am PIK. „Der größte Teil des Preises fließt in Verarbeitung, Einzelhandel, Marketing und Transport. Das bedeutet, dass Verbraucher in diesen Ländern weitgehend vor Preisschwankungen bei landwirtschaftlichen Produkten durch Klimapolitiken wie Abgaben auf Umweltverschmutzung oder Beschränkungen bei der Flächennutzung geschützt sind. Gleichzeitig verdeutlicht dies aber auch, wie wenig Landwirte letztlich verdienen.“

Analyse der gesamten Lebensmittel-Wertschöpfungskette zur Bewertung der Klimapolitik

Um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, kombinierten die Wissenschaftler statistische und prozessorientierte Modelle, um die Preisbestandteile von Lebensmitteln in 136 Ländern und 11 Lebensmittelgruppen zu analysieren. Dabei untersuchten sie sowohl die Preise für zu Hause konsumierte Lebensmittel als auch für Speisen aus Restaurants und Kantinen.

„Die meisten Modelle enden bei den Kosten der landwirtschaftlichen Erzeugung, aber wir sind den gesamten Weg bis zum Supermarktregal und sogar bis in das Restaurant gegangen“, erklärt Chen.

Durch die umfassende Analyse der Lebensmittel-Wertschöpfungskette liefert die Studie neue Erkenntnisse darüber, wie Treibhausgas-Minderungsstrategien Verbraucher beeinflussen.

„Klimapolitiken zur Reduzierung von Emissionen in der Landwirtschaft rufen oft Bedenken wegen steigender Lebensmittelpreise hervor. Unsere Analyse zeigt jedoch, dass lange Lieferketten moderner Lebensmittelsysteme Preissteigerungen für Verbraucher besonders in wohlhabenden Ländern abfedern“, so Chen.

Klimapolitik trifft Verbraucher in reichen und armen Ländern unterschiedlich

„Selbst bei sehr ambitionierten Klimapolitiken mit hoher CO2-Bepreisung auf landwirtschaftliche Aktivitäten wäre der Anstieg der Verbraucherpreise in wohlhabenden Ländern bis zum Jahr 2050 weitaus geringer“, erklärt Bodirsky.

In reicheren Ländern würden die Lebensmittelpreise für Verbraucher um das 1,25-Fache steigen, selbst wenn die Erzeugerpreise um das 2,73-Fache steigen. In einkommensschwachen Ländern hingegen würden sich die Verbraucherpreise unter ambitionierten Klimapolitiken bis 2050 um den Faktor 2,45 erhöhen, während die Erzeugerpreise um den Faktor 3,3 steigen. Obwohl der Preisanstieg für Verbraucher in einkommensschwachen Ländern weniger drastisch ausfällt als für die Landwirte, wird es für die Menschen dort dennoch schwieriger, sich ausreichende und gesunde Nahrung leisten zu können.

Trotz der Inflation der Lebensmittelpreise müssen arme Verbraucher jedoch nicht zwangsläufig unter den Klimamaßnahmen leiden. Eine frühere Studie des PIK zeigte, dass einkommensschwache Haushalte finanziell bessergestellt sein könnten, wenn die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung zur Unterstützung dieser Haushalte genutzt werden.

„Klimapolitik kann kurzfristig für Verbraucher, Landwirte und Lebensmittelproduzenten herausfordernd sein, doch sie ist unerlässlich, um die Landwirtschaft und Lebensmittelsysteme langfristig zu sichern“, sagt Hermann Lotze-Campen, Leiter der Forschungsabteilung „Klimarobustheit“ am PIK und Mitautor der Studie.

„Ohne ambitionierte Klimapolitiken und Emissionsreduktionen drohen noch gravierendere Folgen des ungebremsten Klimawandels, wie Ernteausfälle und Unterbrechungen der Lieferketten, die die Lebensmittelpreise weiter in die Höhe treiben würden. Klimapolitiken sollten so gestaltet werden, dass sie Mechanismen enthalten, die Produzenten und Verbraucher bei einem reibungslosen Übergang unterstützen, beispielsweise durch faire CO2-Bepreisung, finanzielle Hilfen für benachteiligte Regionen und Bevölkerungsgruppen sowie Investitionen in nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken.“