Ist vom Klimawandel die Rede, geht es viel um die Auswirkungen auf die Natur, die Pflanzen- und Tierwelt und in der Folge für die Lebensqualität des Menschen. Diese Veränderungen des Weltklimas haben ganz handfeste individuelle Auswirkungen auf die Gesundheit. Mediziner am Universitätsklinikums Leipzig (UKL) haben das im Blick und plädieren dafür, vorbereitet zu sein – so wie mit dem jetzt für Leipzig zu erstellenden Hitzeaktionsplan.
Veränderungen des Klimas in Form der Erderwärmung zeigen sich als Extremwetterlagen: Stürme, Starkregen mit folgenden Fluten, Hitzewellen, Brände und Dürren. Auch in Deutschland werden die Sommer heißer und trockener. In diesem Frühjahr meldete dann aber Indien Hitzerekorde von bis zu 50 Grad, und auch hierzulande startete das Frühjahr mit deutlich wärmeren Temperaturen.
Dies stellt Ärztinnen und Patient:innen vor neue Herausforderungen. Vor allem Herz-Kreislauf-Kranke und generell ältere Menschen leiden unter extremen Temperaturschwankungen. Notfallmediziner:innen und Kardiolog:innen, aber auch Neonatologen des UKL sind sich dieser Situation bewusst und stellen sich bereits heute darauf ein.
„Problematisch ist es vor allem, wenn Hitzeperioden länger andauern – einzelne Tage mit hohen Sommertemperaturen machen uns dagegen keine Sorgen“, erklärt Prof. Matthias Knüpfer. Der Frühchenexperte engagiert sich mit Kolleg:innen in der UKL-Gruppe von „Health for Future“ und blickt damit auch sehr aufmerksam auf das, was sich hier als Aufgabe für das Gesundheitswesen anbahnt.
„Der Klimawandel macht uns derzeit nicht direkt krank, aber er führt dazu, dass sich bestehende Erkrankungen verschlechtern und sich das Risiko für gesundheitliche Schäden erhöht“.
Was das genau heißt, ist für die Frühgeborenenmedizin bereits in einigen Studien untersucht worden. „Während Hitzewellen steigt das Risiko für eine Frühgeburt um 15 Prozent, die Gefahr, dass das Kind mit einem niedrigeren Geburtsgewicht auf die Welt kommt, sogar um ein Drittel“, beschreibt die Kinderärztin Dr. Friederike Jonas, ebenfalls Mitglied der engagierten Klimagruppe. Eine hohe Feinstaubbelastung infolge von Hitze wirkt sich auch auf Schwangerschaften aus und kann zu mehr Frühgeburten führen. Auch die Zahl von Totgeburten steigt – um 14 Prozent. „Das sind Entwicklungen, die uns ganz klar Sorge bereiten“, so Jonas. Schwangere gehören damit zusammen mit Neugeborenen und Kleinkindern, Senioren oder chronisch Kranken zu den durch die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels besonders gefährdeten Gruppen.
Herz-Kreislauf in Gefahr
„Extreme Ausreißer der optimalen Temperatur nach beiden Seiten können für unsere Patient:innen in der Kardiologie gefährlich werden“, bekräftigt auch Prof. Ulrich Laufs, Direktor der Kardiologie am UKL. Eigentlich passe sich die Thermoregulation des Menschen über die Haut, die Schweißproduktion und den Kreislauf an veränderte Bedingungen an, erläutert der Experte. „Das legt nahe, dass dies auch bei steigenden Umgebungstemperaturen der Fall ist. Doch gerade bei Älteren oder Gefäßerkrankten reduziert sich dieser Effekt.“
Vor allem Niere und Herz hingen eng zusammen, erklärt der Kardiologe. Bei vielen seiner Patient:innen sei die Nierenfunktion bereits eingeschränkt. „Wenn sich dies durch hitzebedingte Einflüsse weiter verschlechtert, gefährdet das möglicherweise den Patienten ganz entscheidend.“ Herzkranke trügen bei Hitze ein besonderes Risiko und sollten sich mehr als andere schützen, empfiehlt Prof. Laufs.
Neue Infektionen wandern ein
Infektiologen sind sich sicher: Durch den Klimawandel werden sich auch Infektionskrankheiten, die schon jetzt die zweithäufigste Todesursache weltweit darstellen, weiter ausbreiten. „Die Malaria wird zwar so schnell nicht zu uns kommen“, sagt Prof. Dr. Christoph Lübbert, Leiter des Bereichs Infektions- und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig (UKL), „aber man muss Menschen und Mücken im Blick behalten, um diese Infektionskrankheit, die bis vor rund 150 Jahren in Deutschland in Form der Malaria tertiana noch relativ häufig vorkam und erst Mitte der 1950er Jahre ausgerottet wurde, in Schach zu halten.“
Grundsätzlich werden durch Tiere auf den Menschen übertragene Krankheiten (Zoonosen) sowie Krankheiten, bei denen eine Übertragung vom Tier auf den Menschen und umgekehrt möglich ist (Anthropozoonosen), durch ein verändertes Klima beeinflusst.
„Verlängerte Sommer und milde Winter bieten beispielsweise Zecken längere Aktivzeiten. Und diese Organismen mit ihren beim Stechakt übertragenen Krankheitserregern breiten sich weiter aus: Früher waren nur Bayern und Baden-Württemberg ein Risikogebiet für die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME); heute sind es auch Sachsen und Thüringen. Deshalb rechne ich bei uns zunehmend mit mehr Erkrankungen, gleiches gilt für die Borreliose. Zudem kommen Krankheiten aus tropischen Gebieten zu uns, weil sich durch eine fortschreitende Erwärmung biologische Zyklen schließen können. Ich erinnere nur: Vor zwei Jahren hatten wir in Leipzig den ersten Toten durch das aus Uganda stammende West-Nil-Virus.“
Vorbereitungen jetzt beginnen
„Viele im Gesundheitswesen Tätige fordern daher dazu auf, jetzt mit der Vorsorge zu beginnen und Vorbereitungen auf die Herausforderungen durch die Klimafolgen zu treffen“, beschreibt Prof. Christoph Josten, Medizinischer Vorstand am UKL. „Die Krankenhäuser und Praxen dürfen nicht alleingelassen werden bei der Bewältigung“. Eine Lösung wäre die Entwicklung und Umsetzung eines auch von den UKL-Vertretern der Gruppe „Health for future“ geforderten Hitzeaktionsplans, der auf möglichst vielen Schultern ruht. Damit werden in einer Kommune alle für einen Hitzeschutz nötigen Aktivitäten geplant und mit allen Beteiligten koordiniert – von der Stadtreinigung, die mit Wassersprühfahrzeugen Staub und Hitze auf den Straßen verringern könnte über Maßnahmen in Betreuungseinrichtungen wie Schulen, Kitas, Pflegeheimen bis hin zu Abstimmungen mit Kliniken und dem Rettungsdienst. In Leipzig gibt es einen solchen Hitzeaktionsplan bislang noch nicht, die Erstellung wurde gerade Mitte Juni im Stadtrat beschlossen. „Das begrüßen wir sehr und stehen gern zur Verfügung, um bei der Entwicklung zu unterstützen“, so Josten.
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