Es ist Samstagmorgen, und Sie stehen im Supermarkt vor dem Schokoladenregal. Ihre Hand greift wie gewohnt nach der Lieblingssorte, doch dann fällt Ihr Blick auf eine neue Tafel mit einem auffälligen Siegel: „Fairtrade“ prangt in großen Lettern auf der Verpackung. Sie zögern. Der Preis ist etwas höher, aber das Versprechen von Nachhaltigkeit und fairem Handel klingt verlockend. „Warum nicht?“, denken Sie und legen die Tafel in den Einkaufswagen.

Diese kleine Entscheidung, die Sie vielleicht schon oft getroffen haben, hat weitreichendere Folgen, als Sie ahnen. Sie verbindet Sie mit Kakaobauern in Ghana, mit dem Ökosystem tropischer Plantagen und mit globalen Bemühungen um Nachhaltigkeit. Doch was bewirkt Ihre Wahl wirklich? Eine interessante Studie der Universität Göttingen wirft nun neues Licht auf diese Frage und zeigt: Die Auswirkungen von Nachhaltigkeitssiegeln sind komplexer als gedacht. Während Sie vielleicht hofften, mit dem Kauf dieser Schokolade sowohl den Bauern als auch der Umwelt zu helfen, enthüllt die Forschung ein differenzierteres Bild.

Die Studie, die in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission entstand, hat die Wirksamkeit von Nachhaltigkeitszertifikaten wie Fairtrade, Rainforest Alliance und Cocoa Life im ghanaischen Kakaoanbau unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse, kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Ecological Economics veröffentlicht, sind komplex.

Wirtschaftlicher Aufschwung für Kleinbauern

Die Forscher fanden heraus, dass die Zertifizierungen tatsächlich zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Kakaobauern führten. Marlene Wätzold, Erstautorin der Studie, erklärt: „Die Zertifizierungsanforderungen motivieren Kleinproduzierende zur Teilnahme an Schulungen, was zu höheren Kakaoerträgen und -einkommen führt“.

Biodiversität bleibt unverändert

Überraschenderweise konnten die Wissenschaftler jedochj keine signifikanten Auswirkungen der Zertifizierungen auf die biologische Vielfalt in den Kakaoplantagen feststellen. Dr. Carolina Ocampo-Ariza von der Universität Göttingen betont: „Wir fanden weder eine Verbesserung noch eine Beeinträchtigung der Biodiversität“. Sie weist jedoch darauf hin, dass Veränderungen in der biologischen Vielfalt möglicherweise längere Zeiträume benötigen, um sichtbar zu werden.

Umfassende Feldforschung

Die Studie, eine der bisher umfangreichsten ihrer Art, basiert auf Interviews mit 814 Kakaoproduzenten und Biodiversitätserhebungen auf 119 Plantagen in 46 Dörfern Ghanas, dem zweitgrößten Kakaoproduzenten weltweit.

Die Forscher empfehlen, die Anforderungen an Nachhaltigkeitszertifizierungen um zusätzliche Maßnahmen zum Biodiversitätsschutz zu erweitern, um einen greifbaren Nutzen für die Natur zu erzielen.Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die Komplexität nachhaltiger Landwirtschaft und unterstreichen die Notwendigkeit, sowohl sozioökonomische als auch ökologische Aspekte bei der Gestaltung von Zertifizierungsprogrammen zu berücksichtigen.