Die neue Erhebung des Konstanzer Ungleichheitsbarometers zeigt: Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung unter- oder überschätzt ihren Wohlstand. Dadurch ordnen sich – nach wie vor – viele Menschen ungerechtfertigt der Mittelschicht zu.
Ein Großverdiener sieht sich in der Mittelschicht, ein Geringverdiener ebenfalls – und mit ihnen der Großteil Deutschlands, ungeachtet ihres tatsächlichen Vermögens. In einer repräsentativen Erhebung, dem Konstanzer Ungleichheitsbarometer, haben Forschende des Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ an der Universität Konstanz die Bevölkerung in Deutschland nach der Vermögensverteilung befragt – und wo sie sich selbst verorten. Die Wahrnehmung ist besonders im Bereich der Einkommens- und Vermögensungleichheit stark verzerrt. Wie bereits bei der ersten Erhebung 2020 ordnen sich die meisten Befragten der Mittelklasse zu und schätzen damit ihre finanzielle Situation im Vergleich zur Gesamtbevölkerung falsch ein.
Besonders verzerrt ist die Wahrnehmung bei der Vermögensungleichheit: Obwohl das Vermögen noch ungleicher als das Einkommen zugunsten der Oberschicht verteilt ist, nehmen es nur wenige Deutsche so wahr. Sharon Baute, Co-Autorin der Studie, erklärt dazu: „Bei den politisch aufgeladenen Debatten über Erbschafts- und Vermögensteuer etwa zeigt sich: Viele Menschen aus der Mitte der Gesellschaft glauben offenbar fälschlicherweise, sie seien von solchen Steuern direkt betroffen. Sie unterschätzen, wie viel vermögender andere im Vergleich zu Ihnen selbst sind“. Fehleinschätzungen wie diese machen es unwahrscheinlicher, dass sich Menschen für eine stärkere Umverteilungspolitik mobilisieren.
Die Sensibilisierung der Bevölkerung für die ungleiche Verteilung von Vermögen ist eine der Handlungsempfehlungen, die die Autor*innen in ihrem Policy Paper aussprechen. Dieses steht auf der Webseite des Think Thanks Das Progressive Zentrum frei zur Verfügung.
Das Ungleichheitsbarometer
Das Ungleichheitsbarometer ist eine repräsentative Online-Befragung, die 2020 das erste Mal in Deutschland durchgeführt wurde. In der Erhebung wird die individuelle Wahrnehmung von Ungleichheit und deren politische Auswirkung abgefragt. In der zweiten Erhebungswelle, die im Herbst 2022 stattfand, lag der Fokus auf der Wahrnehmung von Einkommens- und Vermögensungleichheit; der Frage, wie Menschen die Chancen zukünftiger Generationen einschätzen, sowie auf dem Einfluss dieser Wahrnehmungen auf die politischen Einstellungen. Die Daten werden alle zwei Jahre erhoben und ermöglichen so die Beobachtung langfristiger Ungleichheitstrends in Deutschland.
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