Die Tagesschau berichtete am Samstag über einen Vorgang, der die Debatte um die Rolle von Umweltorganisationen in Europa neu entfacht. Es geht um gezielte Zahlungen der EU-Kommission an NGOs, mit dem Ziel, juristischen und politischen Druck auf Unternehmen auszuüben – und so öffentliche Zustimmung zur europäischen Klimapolitik zu fördern.
Was durch einen Bericht der Welt am Sonntag ans Licht kam, wurde nun auch von öffentlich-rechtlicher Seite aufgegriffen. Und obwohl ein Teil der Vorwürfe – etwa die mangelnde Transparenz bei NGO-Finanzierungen – bereits seit Monaten in Fachkreisen diskutiert wird, geben die nun veröffentlichten Details der Debatte eine neue Schärfe.
Denn offenbar ging es nicht nur um allgemeine Projektförderung. Die Dokumente, die der WamS vorliegen, zeigen: Brüsseler Funktionäre formulierten teils konkrete Erwartungen an die Aktivist:innen. Lobbybriefe, Social-Media-Kampagnen, parlamentarische Gespräche – alles gegenfinanziert aus EU-Mitteln. NGOs wie ClientEarth (350.000 € für Klagen gegen deutsche Kohlekraftwerke) oder Friends of the Earth (Anti-Mercosur-Kampagne) sollen direkt auf politisch unerwünschte Entwicklungen angesetzt worden sein.
Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Die CSU-Europaabgeordnete Monika Hohlmeier sprach von „subversiven Plänen“, FDP-Vize Svenja Hahn sieht einen „massiven Vertrauensverlust“. CDU-Mann Markus Pieper erkennt gar einen „Verstoß gegen die Gewaltenteilung“. Die EU-Exekutive, so der Vorwurf, habe verdeckt auf die Legislative eingewirkt.
Die NGOs wehren sich. LobbyControl nennt die Anschuldigungen „haltlos“ und sieht in der Debatte eine gezielte Kampagne konservativer Politiker:innen gegen zivilgesellschaftliches Engagement. Dass die Zahlungen im Transparenzregister der EU-Kommission einsehbar seien, sei Beweis genug für offene Verfahren.
Doch selbst die Tagesschau, traditionell eher zurückhaltend in der Bewertung, betont: Die nun bekannt gewordenen Fälle könnten „eine neue Qualität“ markieren – da es sich offenbar um Auftragslobbyismus handelt, nicht um unabhängige Einflussnahme. Und das wäre, so ARD-Korrespondent Michael Grytz, eine problematische Grenzüberschreitung.
Die EU-Kommission bestreitet die Existenz „geheimer Verträge“. Man arbeite transparent, alle Daten seien öffentlich, heißt es. Doch der Verdacht bleibt – und damit auch die Frage: Wie unabhängig ist die europäische Klimapolitik wirklich, wenn sie aktiv in den zivilgesellschaftlichen Raum hineinregiert?
Kommentar:
Die Instrumentalisierung von NGOs für politische Kampagnen untergräbt nicht nur die Glaubwürdigkeit der Organisationen selbst – sie beschädigt auch das Vertrauen in europäische Institutionen. Die Grenze zwischen Förderung und Steuerung ist nicht juristisch, sondern politisch – und derzeit deutlich überschritten.
[…] „Secret contracts“ in Brussels? Criticism of EU funding practices for climate NGOs: A report by Welt am Sonntag accuses the EU Commission of having exerted targeted influence on German companies and political processes via alleged „secret contracts“ with climate NGOs. However, a closer look puts the accusation into perspective: the funding comes from the official EU „Life“ programme, which was adopted by Parliament in 2020. It serves to strengthen civil society organisations in the environmental sector – as a counterweight to the overpowering business lobby in Brussels. Although the funding agreements contain detailed work plans, according to the EU Commission, these originate from the NGOs themselves. Research by Politico also found no evidence of specific political instructions from Brussels. Instead, the aim is to create more transparency in the political debate – even if critics are increasingly problematising the influence of activists. In the meantime, the EU Commission has tightened its rules: meetings with EU institutions may no longer be funded by subsidies. The accusation of a „green deep state“ in Brussels is hardly tenable – but it is an expression of an increasingly intense power struggle between climate policy, industrial interests and democratic participation. zeit.de, fair-economics.de […]
[…] „Geheimverträge“ in Brüssel? Kritik an EU-Förderpraxis für Klima-NGOs: Ein Bericht der Welt am Sonntag wirft der EU-Kommission vor, über vermeintliche „Geheimverträge“ mit Klima-NGOs gezielt Einfluss auf deutsche Unternehmen und politische Prozesse genommen zu haben. Doch bei genauerer Betrachtung relativiert sich der Vorwurf: Die Fördermittel stammen aus dem offiziellen EU-Programm „Life“, das vom Parlament 2020 beschlossen wurde. Es dient dazu, zivilgesellschaftliche Organisationen im Umweltbereich zu stärken – als Gegengewicht zur übermächtigen Wirtschaftslobby in Brüssel. Zwar enthalten die Fördervereinbarungen detaillierte Arbeitspläne, diese stammen laut EU-Kommission jedoch von den NGOs selbst. Auch Recherchen von Politico konnten keine Hinweise auf konkrete politische Weisungen aus Brüssel finden. Vielmehr soll mehr Transparenz in der politischen Debatte geschaffen werden – auch wenn Kritiker den Einfluss von Aktivisten zunehmend problematisieren. Inzwischen hat die EU-Kommission ihre Regeln verschärft: Treffen mit EU-Institutionen dürfen nicht mehr über Fördermittel finanziert werden. Der Vorwurf eines „grünen Deep State“ in Brüssel ist kaum haltbar – wohl aber Ausdruck eines intensiver werdenden Machtkampfs zwischen Klimapolitik, Industrieinteressen und demokratischer Teilhabe. zeit.de , fair-economics.de […]