Der Wald ist bedroht, einerseits ist er seit Jahrhunderten Wirtschaftsgut und die Holznachfrage steigt, so dass weltweit Waldverluste zu beklagen sind, andererseits setzen ihm Schadstoffe und der Klimawandel zu. Es mag wie eine Binse klingen, dass darunter auch die biologische Vielfalt leidet. Wie es um die Wälder bestellt ist, das wollte FAIReconomics von Ulrich Kronberg, Autor des Buches „Kapital Baum. Das Buch der Bäume“ im Interview wissen. 

Der jetzige Wald in Deutschland, der sogenannte deutsche Wald, hat im historischen Vergleich nur noch wenig mit dem Ursprungswald zu tun. 

Der deutsche Wald wird das noch existierende Investitionsdenken nicht überleben. Die Straßenkarte von Deutschland erklärt es sichtbar. Autobahnen und Landstraßen sind so zahlreich wie in keinem anderen europäischen Land. Trotz dieser bereits erfolgten massiven Flächenversiegelungen investieren Gemeinden weiter in Gewerbeparks, um Unternehmen anzulocken und sind selbst bereit dafür die Naherholungswälder abzuholzen. Es macht sich bereits eine Endzeitstimmung breit was sich darin zeigt, dass Wälder illegal abgeholzt werden.

Fast die gesamte Waldfläche ist eine durch den Menschen geprägte Kulturlandschaft… 

Dieser Wandel ist nicht neu, wird aber massiv verstärkt, seit sich bäuerliche Kleinbetriebe nicht mehr lohnen. Nur Landwirte mit riesigen baumlosen Agrarwüsten können finanziell überleben, denn wenige Discounter haben die Macht die Einkaufspreise zu diktieren. Angeblich, weil der Konsument billige Ware möchte. Allerdings sprechen die Fakten eine andere Sprache. Wenn sich zum Beispiel das kleine Deutschland zum Export-Weltmeister von Schweinefleisch hochgedient hat geht es nur durch Industrieproduktion, und die kann weder auf Natur noch auf Tierwohl Rücksicht nehmen.

Zwar bezeichnen Fachleute den Zustand des Waldes heute als insgesamt gut, doch geben immer wieder schädliche Einflüsse auf den Wald Anlass zur Sorge. Zudem sind Wälder Gegenstand von Nutzungskonflikten. Welche wichtigen Nutzungskonflikte gibt es? 

Der Wald ist nur nach forstwirtschaftlichen Gesichtspunkten zur Hälfe gesund. Borkenkäfer und Windbruch zeigen deutlich wie die Monokulturen die Wälder verändert haben, was allerdings ins Bild zur maximalen Nutzung passt. Wald muss Erträge bringen, wird also wie Landwirtschaft betrieben. So wie ein Bauer den Wildkräutern den Garaus macht, wird auch der bewirtschaftete Wald von Totholz und Ästen befreit. So extrem, dass die Böden verarmen und nur noch wenige Baumarten wachsen können. Erstaunlich warum das Landwirtschaftsministerium Millionenhilfen ausschüttet, um die Fehler zu wiederholen.

Im Wald tummeln sich viele, aber das Gedränge fällt nur deshalb ins Gewicht, weil der Wald weniger wird. Spaziergänger, Radfahrer, Reiter, Jäger, Pilzsammler etc. Alle stören die professionelle Forstwirtschaft, die einen Wald lediglich nach Festmetern bemisst. Da die Wälder zur Hälfte im Staatsbesitz sind lassen sich Menschen schwer aussperren, obwohl es immer wieder versucht wird. Jäger warnen vor Treibjagden und dem Fuchsbandwurm, Gesundheitsämter vor Zecken und Schlangen, Gemeinden vor fallenden absterbenden Bäumen etc.

Warum ist der Wald so wichtig für das weltweite Ökosystem? 

Wälder sind wichtig für das Ökosystem, aber auch Heimat für uns Menschen als Teil der Natur. Einen Wald nur aus ökologischer Sicht zu betrachten schließt zu viel aus, was aber hier zu weit führen würde.  Ohne Wald bleibt in vielen Regionen der Regen aus, was Länder schnell in Versorgungsschwierigkeiten zur Ernährung ihrer Bevölkerung bringen könnte. Ist dieser Punkt erreicht, kommt es zu Völkerwanderungen von unvorstellbaren Ausmaßen. Noch wissen wir nicht welche Gebiete unter Trockenheit leiden werden, aber Deutschland hatte bereits einige trockene Sommer in Folge. Weltweit trocknen ganze Landstriche aus und Wüsten sind mit enormer Geschwindigkeit auf dem Vormarsch. Die billigste und effektivste Maßnahme sind Bäume, die zu Wäldern wachsen können.

Warum glaubst Du, dass der Waldschutz, insbesondere bei den Tropenwälder ohne Erfolg geblieben ist? 

Der Beweis ist die hohe Abholzrate. Alle Schutzansätze haben nicht bewirkt. Alle Schutzsiegel haben versagt oder werden hintergangen. Ich möchte die Schutzsiegel nicht an den Pranger stellen, weil die Idee gut ist, sehe aber, dass die Kontrollen unzureichend sind. Aber selbst strenge Kontrollen werden nicht helfen, auch keine Sanktionen, weil dadurch die Korruption lukrativer wird. Ohne ein radikales Umdenken zum Wald werden wir den Wettlauf verlieren. Wenn wir in einem Wald nur den Holzwert sehen, drohen, wie bereits angesprochen, Umwälzungen, die nicht abzusehen sind.

(Foto: Greg Montani auf Pixabay)

Glaubst Du das eventuelle Kipppunkte schon erreicht sind? 

Nein, auch wenn ihre Vorboten bereits eindeutige Signale senden. Noch sind die Kipppunkte reine Modelle, aber wenn sie eintreten wird die Welt schlagartig eine andere sein. In der trügerischen Hoffnung weiterzumachen und die Erde lediglich als Warenlager zu betrachten wird sie vielleicht sogar unbewohnbar machen. Oder wir werden zwangsweise Jahrzehnte in Ghettos leben, um keine weiteren Schäden anzurichten wahrend vor der Haustür versucht werden wird wieder bewohnbares Land zu gestalten. Ich hoffe für uns alle, dass diese Apokalypse nicht eintritt.

Was sind Rezepte, um den Wald zu schützen? 

Aus meiner Sicht ist es nur möglich, wenn wir gleichzeitig zwei Wege gehen: Sofort müssen alle alten Bäume über 100 Jahre unter besonderen Schutz gestellt werden. Sie sind für die nachwachsenden Bäume eine wichtige Hilfe und gleichzeitig werfen sie millionenfach Samen ab, um in Baumschulen Setzlinge heranzuziehen. Zeitgleich müssen die Bürger das Recht bekommen gegen lokale Entscheidungen zum Einschlagen Einspruch einlegen zu können. Wirtschaftliche Interessen müssen zweitranging werden. Jeder Baum sollte erhalten werden.

Zusätzlich muss durch gemeinsame Anstrengungen versucht werden massenhaft aufzuforsten. Hier sind alle Menschen auf der Welt angesprochen. Für Aufforstungen müssen Gelder bereitgestellt werden, aber nicht über Regierungen wo meist das Geld zum großen Teil versickert, sondern durch intelligente Systeme. Ich setze mich dafür ein jedem Baum einen Wert zu geben und diesen jährlich mit einem Betrag X zu vergüten, solange er lebt und gedeiht. Dass würde vielen Menschen helfen sogar ein Rentensystem aufzubauen. Dazu ein Beispiel: Sie räumen ihren Schottergarten frei und pflanzen dort sieben Baume. Jeder bringt ihnen neben mehr Lebensqualität 20 Euro im Jahr. 140 Euro im Jahr addieren sich zu 2.800 Euro in 20 Jahren. Sie verdienen durch etwas Baumpflege sogar Geld. Wenn Sie schlau sind suchen Sie nach einem Grundstück, wo sie siebenhundert Baumen pflanzen können. Rechnen Sie bitte selbst.

Einwände, dass es nicht kontrollierbar ist sind schlicht falsch. Drohnen erfassen inzwischen Setzlinge wie ich es selbst kaum für möglich gehalten habe. Wir zoomen in Karten mit frisch angepflanzten Mangroven, nicht grösser als ein Zimmermannsbleistift sind. Allerdings nicht mit unserer Hobby-Drohne, sondern mit einer deren Kameras und Programme auf Auswertungen von Landschaften ausgerichtet sind.

Im Moment scheint es einen Run auf sogenannte Waldinvestments zu geben? Sind diese sinnvoll, und wenn ja, worauf sollte man achten? 

Von einem Run ist es noch weit entfernt, aber mehr Menschen erkennen, dass es ohne Wald nicht geht. Außerdem ist es ein schönes Gefühl Kapital zu bilden durch das Wachsen von Baumen. Wichtig ist zu wissen, dass es keine Waldinvestments sind. In der Regel wird Nutzholz angebaut. Der gekaufte Baum wird nach einer bestimmten Zeit gefällt und das investierte Geld ist mit dem Baum gewachsen. Eine Bewertung ist schwierig, weil zu viele Komponenten im Spiel sind. Ich trete auch hier für einen Wandel ein, möchte also vom Maximalprofit abrücken mit denen einige Anbieter werben. Das sind Denkweisen aus der Kolonialzeit. Wenn ein Holzinvestment, dann bitte eines mit sozialer und belastbarer Ausrichtung. Die Menschen vor Ort sollen nicht nur am Holz verdienen, sie müssen auch am Gewinn beteiligt werden.

Mein Motto für die neue Gesellschaft: An den Bäumen sollt ihr sie erkennen.

Kapital Baum. Das Buch der Bäume“