Von Michael Allen
Als der Ozeanograph Toste Tanhua und sein Team 2023 ein Testsystem zur Überwachung von Aquakultur-Bedingungen nahe Barcelona einrichteten, hatten sie die Verwüstungen eines mächtigen Sturms drei Jahre zuvor noch klar vor Augen.
Im Januar 2020 hinterließ der Sturm Gloria im Südosten Spaniens eine Spur der Zerstörung: 13 Menschen kamen ums Leben, und der Schaden belief sich auf Millionen Euro. Am Hafen von Barcelona krachten sieben Meter hohe Wellen über die Schutzwälle, überfluteten Küstenorte mit Meerschaum und verwüsteten Strandresorts. „Wir hatten den Sturm Gloria fest im Blick“, erklärt Tanhua, Chemie-Ozeanograph am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Der Wissenschaftler nahm bereits an mehr als 35 meereswissenschaftlichen Expeditionen teil, unter anderem in der Arktis, im Atlantik und in der Antarktis.
Lücken in der Überwachung
Das Desaster in Spanien verdeutlichte den dringenden Bedarf an verbesserten Überwachungs- und Warnsystemen für die europäischen Ozeane. Trotz der zentralen Bedeutung der Meere – sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich – gibt es nach wie vor erhebliche Lücken bei der Beobachtung und Vorhersage von ozeanischen Prozessen.
Die Überwachung der Meere ist eine großangelegte wissenschaftliche Herausforderung, die große Teams und Ressourcen erfordert. Die EU hat in den letzten Jahrzehnten erhebliche Mittel investiert, um die Entwicklung von Beobachtungssystemen voranzutreiben und nationale Anstrengungen besser zu koordinieren.
Tanhua leitet ein internationales Team, das europäische nationale Beobachtungssysteme in ein globales Netzwerk integriert. Im Rahmen der vierjährigen EU-finanzierten Forschungsinitiative EuroSea, die Ende 2023 abgeschlossen wurde, brachten Forschende Expertinnen und Experten aus 56 Organisationen in Europa und darüber hinaus zusammen.
Zu den Partnern gehörten das Global Ocean Observing System (GOOS), die Weltorganisation für Meteorologie, die internationale Organisation Mercator Ocean International und das European Global Ocean Observing System (EuroGOOS).
Internationale Zusammenarbeit
EuroSea ist Teil einer Reihe wissenschaftlicher Projekte, die die Entwicklung des Copernicus Marine Service (CMS) der EU unterstützten. Dieser Service, als mariner Bestandteil des EU-Programms Copernicus, liefert kostenfreie, zuverlässige Informationen zur Unterstützung europäischer und internationaler Ozean-Management-Strategien.
Ziel des CMS ist es, entscheidende Veränderungen in und um die Weltmeere zu beleuchten – von Wetter- und Ozeanvorhersagen bis hin zur Erkennung langfristiger Klima- und Ökosystemsignale.
„Historisch war die Ozeanforschung von Neugier getrieben“, so Tanhua. „Heute besteht die Notwendigkeit für ein nachhaltiges Überwachungssystem, das Informationen über die Gesundheit der Ozeane, Biodiversitätsveränderungen und die Auswirkungen des Klimawandels liefert.“
Diese operativen Dienste sind unerlässlich für Schifffahrt, Aquakultur, Offshore-Windkraft und Tourismus.
Langfristige Bemühungen
Die Ursprünge des CMS reichen zurück zu einem früheren EU-finanzierten Forschungsprojekt namens MERSEA-STRAND 1, das 2003/2004 die Stärken und Schwächen europäischer ozeanografischer Systeme analysierte.
„Damals trafen sich erstmals alle operativen ozeanografischen Zentren Europas, um über den Aufbau eines voll funktionsfähigen Systems zur Ozeanmodellierung und -vorhersage zu diskutieren“, erinnert sich Pierre-Yves Le Traon, wissenschaftlicher Direktor von Mercator Ocean International.
Diese Arbeit führte zu einer Reihe von EU-Programmen, die Satellitendaten und Vor-Ort-Beobachtungsnetzwerke integrierten, um präzisere Ozeanmodelle zu entwickeln. Schließlich wurde 2014 der operative CMS ins Leben gerufen.
„Wir brauchen die Fähigkeiten von Copernicus, um die Meere nachhaltiger zu bewirtschaften, die blaue Wirtschaft zu fördern und marine Ökosysteme besser zu schützen“, betont Le Traon.
Verbesserte Datenqualität
Das EuroSea-Team arbeitete daran, Daten aus verschiedenen Quellen zu verknüpfen, um die Qualität im EuroGOOS-System zu verbessern. Neben der Aquakultur-Überwachung bei Barcelona richteten die Forschenden auch eine Datensammlung im Irischen Meer ein, um irische Fischzüchter zu unterstützen.
In Irland konzentrierte sich die Datenerhebung auf die Überwachung der Ozeangesundheit, einschließlich Sauerstoffgehalt und Algenblüten. In Spanien hingegen standen Wellen, Strömungen und Winde im Fokus – mit dem Ziel, ein Warnsystem für extreme Wetterbedingungen zu entwickeln.
Autonome Überwachung und digitale Zwillinge
Ein weiteres Highlight des Projekts war ein solarbetriebener Drohnensegler, der mehr als ein Jahr lang den Atlantik durchquerte und dabei Kohlenstoffdioxidwerte auf der Meeresoberfläche maß. „Die Ozeane nehmen etwa ein Viertel der vom Menschen verursachten CO₂-Emissionen auf“, erklärt Tanhua.
Der nächste Schritt ist die Entwicklung des Europäischen Digitalen Zwillings der Ozeane (EU DTO), das mit Echtzeitdaten und KI verschiedene Klimaszenarien simulieren soll.
„Das wird Entscheidungsträgern helfen, die Meere besser zu managen“, sagt Le Traon.
Die Forschung in diesem Artikel wurde durch das Horizon-Programm der EU finanziert. Die Ansichten der Interviewten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider.
weiterführende LINKS:
- EuroSea
- EuroSea project website
- MERSEA-STRAND 1
- Copernicus Marine Service
- European Digital Twin of the Ocean
Der Artikel wurde in Englisch bei Horizon dem EU Research and Innovation Magazine veröffentlicht.
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