Fahrradfahren in Deutschland boomt. Die Branchen blickt auf einen guten Saisonstart, insgesamt wurden im  ersten Halbjahr des vergangenen Jahres rund 2,86 Millionen Fahrräder und zunehmend auch e-Bikes verkauft. 
Grund genug für FAIReconomics mit Stephanie Engler, Geschäftsführerin Das Radhaus Zweirad Vertriebs- und Service GmbH dem führenden Anbieter von Fahrrädern in Berlin, über Trends, Entwicklungen, den Markt, aber auch über die Situation von Fahrradfahrern in Berlin zu sprechen.
Frau Engler, wie sieht die Marktsituation für den Fahrradhandel derzeit aus?
Nach einem sehr erfolgreichen Jahr 2014 war auch das Jahr 2015 erfolgreich. Was wir beobachten ist, dass das Interesse am Fahrradfahren bei den Deutschen ungebrochen ist, sie besitzen rund 73 Millionen Fahrräder. Fahrrad ist Lifestyle und das macht sich auch zunehmend bei den Käufen bemerkbar.
Unser Verband, der Zweirad-Industrie-Verband e.V. (ZIV) meldet , dass allein im ersten Halbjahr 2015 etwa 2,86 Mio. Fahrräder und E-Bikes verkauft wurden. Zwei Prozent mehr als im Vorjahr, wenn man bedenkt , dass fast jeder Deutsche mindestens ein Fahrrad besitzt, sind das positive Zahlen.  Dabei sind natürlich solche generellen Themen wie ein steigendes Umweltbewusstsein die Treiber im Markt.
Das heisst, das Fahrrad ist in der urbanen Mobilität eine wichtige Säule?
Ja, es nimmt eine wichtige Rolle ein. Ich sagte ja schon, aufs Fahrrad steigen die Menschen, weil es praktisch ist. Zeitersparnis ist dabei ein wichtiges Kriterium – und tatsächlich ist nach Angaben des Umweltbundesamtes das konventionelle Fahrrad auf Strecken bis einschließlich fünf Kilometer Länge und das Pedelec sogar bis knapp zehn Kilometer letztendlich schneller als das Auto.
Hinzu kommt, dass grundsätzlich bei uns in der Region Berlin und Brandenburg die Situation der Fahrradinfrastruktur besser geworden ist. Das heißt aber nicht, dass man auf dem Erreichten stehen bleiben darf. Gesicherte Abstellanlagen für Fahrräder an Bahnhöfen, S-und U-Bahnhaltestellen, bessere und sichere Fahrradwege, mehr Fahrradstraßen und kreuzungsfreie Radschnellwege gehören zu den Maßnahmen die dringend und zwingend anstehen.
Welche Trends sind am Markt zu beobachten? 

[blockquote pull=““ align=“left“ attributed_to=“Stephanie Engler, Geschäftsführerin Das Radhaus“ attributed_to_url=“{{attributed_to_url}}“]Wie schon gesagt, das Fahrrad wird immer stärker ein Lifestyle-Utensil und ist nicht nur ein Fortbewegungsmittel. Während das Fahrrad früher das Fahrzeug der einfachen Leute gewesen ist, ist es heute modern und hip. Auf der Branchenmesse in Friedrichshafen gab es einen Trend zu Mountainbikes mit Elektroantrieb zu verzeichnen.[/blockquote]

Wie bitte?
Ja, sie haben richtig gehört… Bei Citybike uns Tourenrädern gibt es diese Entwicklung ja schon länger, aber auch im Offroad-Bereich setzen sich elektrisch angetriebene Fahrräder durch. Wenngleich der Marktanteil der Elektrobikes am Gesamtmarkt nur etwa 12 Prozent ausmachen, liegen hier für den Handel und den Markt erhebliche Zukunftspotenziale. Zumal die Zeiten, in denen man ein Elektrofahrrad auf mehrere hundert Meter hin zu erkennen war, schon lange passé sind.
Die Preiskategorien für e-Bikes sind immer noch sehr hoch…
Wie man es nimmt. Interessant ist, woher die Kunden kommen. Es scheint so, als wenn vor allem diejenigen, die bislang Moped- oder Mofafahrer gewesen sind, zunehmend auf e-Bikes und Pedelcs umsatteln. Wir beobachten einen rückläufigen Markt für klassische benzingetriebene Mofas.
Darüber hinaus  ist natürlich das Fahrrad auf bestimmten Strecken, auch eine gute Alternative zum ÖPNV, zumal die gefühlte Pünktlichkeit von Bussen und anderen Verkehrsmitteln, nicht immer zuverlässig gegeben ist. Auf dem Fahrrad ist man halt einfach unabhängiger.
Familien besitzen heute häufig nur noch ein Auto und steigen sonst aufs Fahrrad um. Zahlen belegen, dass der Autobesitz in Berlin abnimmt. Zudem nimmt die Nachfrage nach Kinderanhängern und weiterem Zubehör stetig zu. Das Fahrrad ist also Verkehrsmittel und nicht nur Spaßfahrzeug.
Lassen Sie uns zurück zum Fahrradmarkt kommen, was sind weitere Trends? 
Deutschland ist ein großer Fahrradmarkt. Auch wenn in Europa kaum noch gefertigt wird. Die meisten Komponenten werden importiert, so wird aber hierzulande noch montiert. Wir haben zwischen Flensburg und Passau schon einige Eigenheiten, die kaum ein anderes Land hat. So lässt sich kaum noch ein Fahrrad ohne Nabendynamo verkaufen. Auch die Beleuchtungsanlagen haben sehr große Spezifika, die es so nur in Deutschland gibt.
Ähnlich sieht es bei den Bremsen aus. So ziehen auch im Rennradbereich zunehmend Scheibenbremsen ein. Puristen bevorzugen nach wie vor zwar die klassische Felgenbremse, die vor allem bei trockenen Untergründen gut funktioniert, aber insbesondere bei nassen oder feuchten Untergründen haben die Scheibenbremsen absolute Vorteile.
Und natürlich tüfteln alle Hersteller am Gewicht der Räder, auf dem Markt befindet sich inzwischen ein Rennrad mit lediglich viereinhalb Kilo Gewicht. Das Gewicht spielt gerade in Städten, auch da wo es um kombinierte Verkehre geht, eine wichtige Rolle. Wer mag schon gern sein zig Kilo schweres Gefährt die Treppen zur U- und S-Bahn hinauf- oder hinunterwuchten? So verkaufen wir aus diesem Grund kaum noch Hollandfahrräder.
Gibt es einen Trend zum Zweitfahrrad?
Nicht nur das, wir haben Kunden, die haben sogar vier oder fünf verschiedene Fahrräder besitzen.  Fahrradfahren ist nicht mehr etwas wie die einfachen Leute, sondern ist modern und hip. Retrolook, hochwertige Manufakturräder und Designmodelle sind besonders gefragt.
Frau Engler, Danke für das Gespräch.