Ältere Leser erinnern sich möglicherweise noch, als irakischen Truppen während des ersten Golfkrieges 1991 mehr als 700 der 900 kuwaitischen Ölquellen in Brand gesetzt hatten. Die Löschung der Feuer dauerte mehrere Monate. 

Eine Studie des Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz hat jetzt belegt,  dass sich Kriege, aber auch politische und wirtschaftliche Krisen auf die Luftqualiät auswirken. Das gleich gilt aber andererseits auch für strengere Umweltgesetze.

Politische und wirtschaftliche Krisen sowie internationale Konflikte können sich kurzfristig und drastisch auf die Schadstoffemissionen in einer Region auswirken. Militärs nehmen bislang wenig bis gar keine Rücksicht auf Umweltbelange in ihren Strategien.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie haben am Beispiel des Nahen Ostens die Stickoxidbelastung der Atmosphäre während der letzten zehn Jahre analysiert. Die Daten ermittelten sie aus Satellitenmessungen der atmosphärischen Stickstoffdioxidmenge. Demnach sanken die Stickoxidemissionen vor allem in Regionen, in denen bewaffnete Konflikte herrschen und aus denen viele Menschen geflohen sind. In Gegenden, in die sich die Flüchtlinge zurückzogen, stiegen die Emissionen dagegen stark an.

In bewaffneten Konflikten verlieren zahllose Menschen wenn nicht ihr Leben, dann zumindest ihre Existenz, und die Kriege bringen auch das Wirtschaftsleben zum Erliegen. Millionen Menschen etwa in Syrien und Irak werden zu Flüchtlingen. Die Schicksale dieser Menschen, aber auch wirtschaftliche Krisen hinterlassen in der Atmosphäre genauso Spuren wie mancherorts Maßnahmen, die Luftqualität zu verbessern. Die Veränderungen in der Atmosphäre belegt nun ein Team um Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie, mit Messungen, wie stark die Luft durch das gesundheits- und umweltschädliche Stickstoffdioxide belastet werden. Die Forscher analysierten Daten, die der Aura-Satellit der NASA von 2005 bis 2014 in einigen Mittelmeerstaaten und im Nahen Osten gemessen und täglich  zur Erde gefunkt hat.

MPI_Chemie

Während die Stickstoffdioxidemissionen von 2005 bis 2010 fast im ganzen Nahen Osten stiegen (obere Karte), sind sie zwischen 2010 und 2014 in vielen Regionen gesunken (untere Karte). Die Farben stehen für die Änderungen der Konzentration an Stickstoffdioxid in 1015 Molekülen pro Kubikmetern Luft während des betrachteten Zeitraums. (Foto: Science Advances 2015/MPI für Chemie)


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Demnach sind die Stickstoffdioxidemissionen von 2005 bis 2010 in nahezu allen bewohnten Gebieten des Nahen Ostens deutlich anstiegen. Dagegen sanken sie zwischen 2010 und 2014 vielerorts ab: in Israel, Syrien und im Iran, in und um Kairo, Bagdad und Riad, und auch in den für den Ölexport so wichtigen Häfen am persischen Golf. Im Libanon, in Teilen des Iraks und Jordanien stiegen die Stickoxidwerte im gleichen Zeitraum aber weiter an.

Bis zu 50 Prozent weniger Stickstoffdioxid über Syrien
Die Ursachen für die verminderten beziehungsweise erhöhten Werte sind sehr unterschiedlich: Während in Israel und im Saudi-Arabischen Riad strengere Umweltgesetze zur Reduktion der Stickoxidemissionen führten, geht die Verminderung in anderen Gebieten einher mit politischen und wirtschaftlichen Konflikten, Kriegen und Flüchtlingsströmen. [blockquote pull=“left“ align=“left“ attributed_to=“Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie,“ attributed_to_url=“{{attributed_to_url}}“]Es ist sehr tragisch, dass die beobachteten Negativtrends der Stickoxidemissionen zum Teil mit humanitären Katastrophen einhergehen“,[/blockquote]
Dies wird besonders am Beispiel Syriens deutlich. Seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 sanken die Stickoxidwerte über Damaskus und Aleppo um 40 bis 50 Prozent. Laut Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als 11 Millionen Syrer auf der Flucht. Vier Millionen davon flohen bereits aus ihrem Land, unter anderem in den benachbarten Libanon, in dem die Emissionswerte allein in 2014 um 20 bis 30 Prozent anstiegen.
Im Irak zeigt sich ein wesentlich kompliziertes Bild der Emissionen: Nach der Invasion durch die USA und Großbritannien im Jahr 2003 stieg der Energieverbrauch des Landes seit 2005 um vier bis fünf Prozent, das Bruttoinlandsprodukt sogar um sechs bis sieben Prozent pro Jahr an. Parallel dazu stiegen die Stickoxidemissionen von 2005 bis 2014 im kurdischen Norden und im Süden des Iraks kontinuierlich an. In Kerbala, einer vorwiegend von Schiiten bewohnten Stadt südlich von Bagdad, sogar um etwa zehn Prozent pro Jahr. Anders sieht es in und um Bagdad sowie in den zeitweise von der Terrormiliz Islamischer Staat eroberten Gebieten im Zentrum des Landes aus: Hier sanken die Stickoxidemissionen zwischen 2010 und 2014 deutlich.
Satellitenmessungen belegen effektive Wirtschaftssanktionen im Iran
Für die drastischen Veränderungen der Stickoxidemissionen im Iran machen die Forscher die Sanktionen verantwortlich, die die Vereinten Nationen im Jahr 2010 deutlich verstärkten. Dadurch fiel 2013 und 2014 nicht nur das zuvor hohe Bruttoinlandsprodukt um sechs Prozent, auch die Emissionswerte lagen 2014 deutlich niedriger als im Jahr 2010. Sichtbar wird auch, dass die Emissionen des iranischen Schiffsverkehrs, der wichtig ist für den Erdöltransport, deutlich sanken. „Wir haben anhand der Satellitenmessungen gesehen, dass die Wirtschaftssanktionen im Iran seit 2010 große Wirkung hatten“, sagt Jos Lelieveld. Seine Gruppe wird beobachten, wie sich die Emissionswerte im Iran zukünftig entwickeln, wenn die UN-Sanktionen aufgehoben werden.
Auch die Wirtschaftskrise in Griechenland lässt sich in den Stickoxidemissionen ablesen. So sanken die Emissionen seit 2008 um 40 Prozent. Im gleichen Zeitraum fiel das Bruttoinlandsprodukt um fünf Prozent pro Jahr.
Luftqualitäts- und Klimamodelle arbeiten mit pauschalen Emissionstrends
Dass die Stickstoffdioxidemission in vielen Ländern stark mit der Wirtschaftsleistung zusammenhängt, ist nicht sehr überraschend. Denn Stickoxide entstehen zwar auch auf natürliche Weise, werden aber in erster Linie bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas durch Industrie und Verkehr freigesetzt. Vor allem Stickstoffdioxid kann Erkrankungen der Atemwege hervorrufen. Generell tragen Stickoxide maßgeblich zur Bildung von Ozon und Feinstaub in der Troposphäre bei und spielen eine Rolle beim  Klimawandel.
„Stickoxidemissionswerte fließen in globale Luftqualitäts- und Klimamodelle ein“, sagt Jos Lelieveld. Bisher werden Stickoxidwerte zumeist langfristig aus dem wirtschaftlichen Status eines Landes beziehungsweise seinen Kohlendioxidemissionen vorhergesagt. So geht beispielsweise ein Szenario (RCP8,5) im Bericht des Weltklimarates IPCC davon aus, dass die Stickoxidemissionen im Nahen Osten zwischen 2005 und 2030 um zwei Prozent pro Jahr ansteigen. Die aktuelle Studie der Mainzer Forscher zeigt nun, dass solche pauschalen Prognosen nicht mehr zutreffen, wenn in  Ländern Krisen ausbrechen oder im besten Fall bei der Reinhaltung der Luft erfolgreich sind.
Über die Satellitenmessung
Die Daten, die die Mainzer Wissenschaftler auswerteten, stammen vom so genannten Ozon Monitoring Instrument, kurz OMI, das als holländisch-finnische Kooperation auf dem Satelliten Aura der US-amerikanischen Raumfahrtagentur NASA die Erde umkreist. Es erlaubt anhand des gemessenen Spektrums des von der Erde reflektierten Sonnenlichts die Bestimmung des Ozongehalts der Atmosphäre sowie weitere Spurengase wie Stickstoffdioxid (NO2). Die räumliche Auflösung, mit der OMI täglich die Erde vermisst, beträgt bis zu 13 mal 24 Kilometer.