EU-finanzierte Forscher beschleunigen die Einführung selbstfahrender Lkw auf öffentlichen Straßen, um den Fahrermangel zu beheben und die Sicherheit und Nachhaltigkeit im europäischen Logistiksektor zu verbessern.

Von Bárbara Pinho

In nicht allzu ferner Zukunft könnten ungewöhnlich aussehende Lastkraftwagen mit großen schwarzen Windschutzscheiben und ohne menschlichen Fahrer am Steuer zum alltäglichen Anblick auf europäischen Straßen werden.

Dabei handelt es sich um automatisierte Langstrecken-Lkw, die für die Zukunft des europäischen Güterverkehrs eine Schlüsselrolle spielen. EU-finanzierte Forscher arbeiten hart daran, ihre Einführung so reibungslos wie möglich zu gestalten.

Selbstfahrende Fahrzeuge sind keine Neuheit mehr. Kleine autonome Busse an Flughäfen, autonome U-Bahnen oder Einschienenbahnen und sogar fahrerlose Pkw sind in den letzten Jahren immer häufiger anzutreffen.

Selbstfahrende Lkw befinden sich jedoch noch weitgehend in der Testphase. Sie sind groß und schwer und müssen sich schnell bewegen, um Waren auf öffentlichen Straßen auszuliefern, weshalb die Forscher ihre Fortschritte sorgfältig beobachten.

Eine derjenigen, die die neuen Lkw testen, ist Dr. Ragnhild Wahl, Direktorin für Forschung und Innovation bei ITS Norway. Sie koordiniert eine von der EU finanzierte Forschungsinitiative namens MODI, die darauf abzielt, den europäischen Logistiksektor durch eine stärkere Automatisierung zu verbessern.

„Bei diesem Projekt geht es darum, ein Sprungbrett für den flächendeckenden Einsatz von Flotten automatisierter Fahrzeuge zu schaffen“, erklärte sie. Das Hauptziel ist die Entwicklung und Erprobung eines Systems, das es uns ermöglicht, selbstfahrende Lkw für den Gütertransport in Europa einzusetzen.

Gewährleistung eines sicheren Rollouts

Das Endziel der Modernisierung des Güterverkehrs besteht darin, die so genannte „Stufe 4“ der Automatisierung zu erreichen, bei der die Fahrzeuge innerhalb vordefinierter geografischer Bereiche ohne Menschen an Bord fahren.

Diese Lkw werden in der Lage sein, kontinuierlich ohne Pausen zu fahren, was die Fahrzeiten verlängert und die Effizienz der Logistik verbessert. Sie werden Sensoren, Radare, Kameras und fortschrittliche KI-Algorithmen für die Entscheidungsfindung und Fahrzeugsteuerung nutzen.

Außerdem wird es Kommandozentralen mit Fernbedienungen geben, die den Betrieb rund um die Uhr überwachen. Um automatisierte Lkw auf die Straße zu bringen, müssen die Forscher jedoch dafür sorgen, dass es keine Überraschungen gibt.

„Wir arbeiten daran, Barrieren für die Automatisierung zu identifizieren und zu senken“, so Wahl. Ihr internationales Forschungsteam entwickelt sogenannte kooperative, vernetzte und automatisierte Mobilitätslösungen (CCAM) in realen Logistikabläufen vor Ort.

Die EU ist weltweit führend in der CCAM-Forschung und fördert sie als besten Weg zur Modernisierung des Verkehrssektors, wobei MODI eine der Vorzeigeinitiativen ist.

Neben der Ökologisierung und Digitalisierung des Verkehrs könnte die Automatisierung auch dazu beitragen, den wachsenden Mangel an Lkw-Fahrern zu beheben.

Jüngste Zahlen zeigen, dass in ganz Europa immer mehr Lkw-Fahrerstellen unbesetzt bleiben. Die Internationale Straßentransport-Union prognostiziert, dass bis 2028 in Europa 745 000 Lkw-Fahrer fehlen könnten – 17 % des gesamten Arbeitskräftebedarfs.

„Es herrscht ein gravierender Fahrermangel, der sich in den kommenden Jahren noch verschärfen wird“, sagt Pia Wijk, Projektmanagerin bei Einride, einem schwedischen Unternehmen für Frachttechnologie, das sich auf elektrische und autonome Fahrzeuge spezialisiert hat.

Wijk arbeitet auch im MODI-Forschungsteam mit, das Experten aus 36 öffentlichen und privaten Organisationen wie Volvo Technology AB und DAF Trucks aus sieben EU-Ländern und Norwegen zusammenbringt.

Umweltfreundlichere und effizientere Zustellung von Waren

Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen selbstfahrende Lastwagen.

Diese eleganten, weißen, futuristisch aussehenden Fahrzeuge haben eine abgedunkelte Windschutzscheibe an der Vorderseite und sind mit Kameras und Sensoren ausgestattet, die für zusätzliche Sicherheit sorgen.

Die autonome Technologie von Einride, die auf künstlicher Intelligenz und Präzisionssensoren basiert, analysiert mehr als 5 Millionen Datenpunkte pro Sekunde, wodurch die fahrerlosen Fahrzeuge in der Lage sind, komplexe Routen zu navigieren, Objekte genau zu erkennen und Bremswege vorauszusehen.

Laut Wijk könnten autonome Fahrzeuge dazu beitragen, die Zahl der Verkehrstoten zu senken. Dies ist zum Teil den Funktionen zur Unfallvermeidung und dem geringeren Spielraum für menschliche Fehler zu verdanken.

In einer kürzlich in Nature veröffentlichten Studie haben Wissenschaftler, die Tausende von Unfallberichten analysiert haben, an denen sowohl autonome Fahrzeuge als auch solche mit menschlichen Fahrern beteiligt waren, festgestellt, dass autonome Fahrzeuge in den meisten Situationen tatsächlich sicherer sind als Menschen.

„Wir glauben, dass die autonome Technologie das Potenzial hat, den Verkehr sicherer zu machen als je zuvor“, so Wijk.

Im Jahr 2024 kamen nach Angaben der Europäischen Kommission EU-weit etwa 19 800 Menschen bei Straßenverkehrsunfällen ums Leben.

 

Dies entspricht einem Rückgang von 3 % gegenüber dem Vorjahr, und dies inmitten der anhaltenden Bemühungen der EU zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit. Ziel ist es, die Zahl der Verkehrstoten bis 2030 zu halbieren und schließlich bis 2050 keine Verkehrstoten mehr zu haben.

Tests in komplexen, realen Umgebungen

Das MODI-Forschungsteam untersucht derzeit, wie der automatisierte Verkehr in den Logistiksektor integriert werden kann, wobei der Schwerpunkt auf wichtigen Verkehrskorridoren in Europa liegt. Dabei stellen sie eine Reihe von Herausforderungen fest, die bewältigt werden müssen.

Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass wesentliche Aufgaben, die jede Frachtreise begleiten – wie Grenzübertritt, Dokumentation, Betankung und Be- oder Entladung – auch in einer automatisierten Transportumgebung effektiv durchgeführt werden können.

Bis zum Abschluss des Projekts im März 2026 wird das Team detaillierte Folgenabschätzungen durchgeführt, die Ergebnisse zusammengetragen und Geschäftsmodelle entwickelt haben, um sowohl Unternehmen als auch politische Entscheidungsträger zu informieren.

Das Hauptaugenmerk von MODI liegt auf dem 1 200 Kilometer langen Straßenkorridor von Rotterdam in den Niederlanden nach Oslo in Norwegen. Die Forscher prüfen, ob die Infrastruktur für das automatisierte Fahren geeignet ist.

Die Strecke verläuft über vier Landesgrenzen und umfasst, da Norwegen nicht zur EU gehört, auch die Zoll- und Mautabfertigung zwischen EU- und Nicht-EU-Gebieten.

Die MODI-Forscher testen auch technologische Lösungen anhand von vier spezifischen Anwendungsfällen in Hafengebieten entlang des Korridors, die jeweils eine andere Stufe der logistischen Lieferkette darstellen. In Rotterdam wird untersucht, wie gut autonome Fahrzeuge in stark frequentierten Hafengebieten mit gemischtem Verkehr funktionieren. In Hamburg (Deutschland) gehören die Übergänge zwischen Autobahnen und städtischen Straßen zu den Kernelementen.

In Göteborg (Schweden) liegt der Schwerpunkt auf den Herausforderungen von Knotenpunkt zu Knotenpunkt, wie automatisches Aufladen, Be- und Entladen. Die automatisierte Mauterhebung wird beim Grenzübertritt nach Norwegen getestet.

In Moss (Norwegen) wird die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastruktur während der Fahrt auf öffentlichen Straßen getestet.

Eine fahrerlose Zukunft am Horizont

Einride setzt seine autonomen Fahrzeuge bereits im kommerziellen Betrieb in Europa ein und transportiert seit Dezember 2024 für einen der größten schwedischen Apotheken-Einkaufsautomaten Fracht zwischen Lagerhäusern. Die Lkw fahren mit einer Genehmigung der schwedischen Verkehrsbehörde auf einer öffentlichen Strecke.

Kurzfristig erwartet Wahl, dass der Einsatz auf kurzen Strecken und in kontrollierten und begrenzten Umgebungen wie Terminals und Häfen am einfachsten sein wird.

Bei den schweren Langstrecken-Lkw werden die Fortschritte jedoch langsamer sein. „Für den Langstrecken-Güterverkehr müssen automatisierte Lkw mit hohen Geschwindigkeiten über Hunderte von Kilometern fahren, so dass ihre Einführung sorgfältig geplant werden muss“, so Wahl.

Öffentliche Straßen sind streng reglementiert, komplexer und für die Gemeinden von entscheidender Bedeutung, so dass die Einführung selbstfahrender Fahrzeuge sowohl eine technische als auch eine gesellschaftliche Herausforderung darstellt. Dennoch sind die ersten Anzeichen ermutigend.

„Als wir in den 1990er Jahren begannen, mit automatisierten Fahrzeugen zu arbeiten, waren alle skeptisch“, so Wahl. „Heute nimmt die gesellschaftliche Akzeptanz von selbstfahrenden Kleinbussen zu, wie wir am Einsatz von Robotaxis und kleinen Einheiten sehen, die sich langsam in kontrollierten Umgebungen wie Flughäfen bewegen.“

Größere Lkw werden mehr Zeit und Mühe brauchen, um Unterstützung zu gewinnen und regulatorische Hürden zu überwinden. Doch dank EU-geförderter Initiativen wie MODI rückt die fahrerlose Zukunft immer näher.

Die Forschung in diesem Artikel wurde durch das Horizon-Programm der EU finanziert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider.

 

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