Winde tragen Partikel fort
Die Wissenschaftler, darunter auch Forscher der beiden Max-Planck-Institute für Chemie und für Biogeochemie, konnten zeigen, dass über dem Regenwald Abwinde für den Transport der feinsten Partikel verantwortlich sind. Diese Winde, die sich meist im Zusammenhang mit Niederschlag bilden und räumlich begrenzt sind, befördern die winzigen Teilchen aus der oberen Troposphäre aus einer Höhe von mehreren Kilometern nach unten. So versorgen sie die bodennahe Schicht, die atmosphärische Grenzschicht, mit Aerosolpartikeln. Aus dieser Schicht heraus, die über dem Amazonasregenwald nur etwa ein bis zwei Kilometer hoch ist, entstehen Wolken und später Niederschlag. „Im Regenwald liegt die Kinderstube der kleinen Aerosolpartikel nicht in den unteren Kilometern der Atmosphäre, wie es in belasteten Gebieten der Fall ist, sondern in viel größeren Höhen“, kommentiert Christopher Pöhlker, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz die Messergebnisse.
Darin erläutern die Forscher, wie sie die Größenverteilung der Aerosolpartikel über dem Regenwald bestimmt haben. Sie nutzen dazu einerseits die ATTO-Messstation (Amazon Tall Tower Observatory), die sich 150 Kilometer nordöstlich von Manaus inmitten des Urwalds befindet und gemeinsam von der Max-Planck-Gesellschaft und dem brasilianischen Institut für Amazonasforschung INPA betrieben wird. In einer Höhe von 60 Metern und somit deutlich über den Baumkronen sammelten sie kontinuierlich Luftproben. Ein Partikelsammler bestimmte anschließend die Anzahl und Größe der Aerosolpartikel. Die Partikelverteilung in einer Höhe von 60 Metern ist dabei charakteristisch für die Verteilung in der atmosphärischen Grenzschicht, da diese Luftschicht in sich gut durchmischt ist.
In der Troposphäre finden sich Aerosole
Außerdem überflogen die Wissenschaftler mit einem Forschungsflugzeug das Gebiet in unterschiedlichen Höhen und zu unterschiedlichen Zeiten. An Bord des Flugzeugs, einer Gulfstream-1 des US-amerikanischen Energieministeriums, befand sich ein Lufteinlasssystem, über das die Partikel zu einem Messinstrument gelangten, das ebenfalls die Anzahl und Größe bestimmte.
Mit Hilfe des Messflugzeugs stellten die Wissenschaftler fest, dass die Konzentration an Partikeln, die kleiner als 50 Nanometer (Millionstel Millimeter) waren und somit zu den kleinsten Partikeln zählen, in der mittleren und oberen Troposphäre sehr hoch ist. An der Bodenmessstation registrierten sie, dass die Anzahl dieser kleinen Partikel nach Regen oder Sturm deutlich höher war als zuvor. Während vor dem Zeitpunkt des Niederschlags die durchschnittliche Partikelgröße deutlich über 100 Nanometer lag, sank sie direkt nach dem Niederschlag auf unter 50 Nanometer. Daraus schließen die Forscher, dass Abwinde, wie sie bei Regen oder Gewittern auftreten, die kleinen Aerosolpartikel aus der oberen Troposphäre in die bodennahe Grenzschicht befördern. In dieser Schicht wachsen die Partikel zu größeren heran, an denen Feuchtigkeit kondensieren kann, wodurch sich wiederum Wolken bilden. Man kann also sagen, dass der Regen im Amazonasgebiet dafür sorgt, dass neuer Regen entstehen kann.
Als nächstes werden die Forscher der Frage nachgehen, woher genau die kleinen Aerosolpartikel in der Troposphäre stammen. Allerdings haben sie bereits eine Vermutung, die sie aus noch unveröffentlichten Messungen mit dem deutschen Forschungsflugzeug HALO über dem Amazonas ableiten: „Diese Partikel stammen wahrscheinlich aus chemischen Reaktionen in der oberen Troposphäre“, sagt Meinrat O. Andreae, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz. „Wenn es uns gelingt, dies zu belegen, sind wir einen großen Schritt weiter im Verständnis, wie Niederschlagsprozesse abliefen, bevor der Mensch irreversibel die Natur und auch die Atmosphäre verändert hat“, fügt er mit Blick auf das Anthropozän, das Zeitalter des Menschen, hinzu.
Die Ergebnisse des Forscherteams aus Brasilien, China, Deutschland, Finnland, Schweden und den USA haben aber noch eine weitere wichtige Bedeutung: In den Computermodellen, die den Klimawandel berechnen und vorhersagen, spielen Aerosolpartikel eine wichtige Rolle. Gleichzeitig sind die Teilchen noch einer der größten Unsicherheitsfaktoren in den Modellen, da man bisher nur eingeschränkt verstand, wie sie unter natürlichen Bedingungen entstehen. Die neuen Erkenntnisse über den Transport der kleinen Vorläufer der Wolkenkeime über dem Regenwald werden also dazu beitragen, die Vorhersagen des Klimawandels noch zuverlässiger zu machen.
In einer gemeinsamen Studie haben Wissenschaftler der Max-Planck-Institute für Chemie in Mainz und für Biogeochemie in Jena untersucht, wie sich Wolken und damit Regen über dem Amazonasregenwald entwickeln. Sie fanden heraus, dass dort winzige Aerosolpartikel, die anschließend zu Wolkenkeimen werden, aus höheren atmosphärischen Schichten in die Luftschicht gebracht werden, aus der Wolken entstehen.
Dafür sorgen die Abwinde, die bei Regen entstehen. Regen ist im Amazonaswald also die Voraussetzung für neuen Regen. Da es in diesem Gebiet keine Aerosolpartikel aus anthropogenen Quellen gibt, könnten diese Erkenntnisse erklären, wie Wolken und Niederschlag vor der Industrialisierung entstanden.
Damit Feuchtigkeit in der Luft kondensieren kann und sich so Wolken bilden, braucht es Aerosolpartikel. Manche Partikel wie Mineralstaub, Seesalze oder Pollen werden direkt von der Erde an die Luft abgegeben. Die meisten aber entstehen erst aus Gasen in der Atmosphäre und sind zunächst nur wenige Millionstel Millimeter groß. Anschließend wachsen sie durch Kondensation so lange, bis sie zu größeren Kondensationskeimen werden, an denen sich Nebel, Wolken und Niederschlag bilden können.
Welcher Mechanismus hinter der Neubildung der kleinen Partikel steckt, wissen Forscher für dichtbesiedelte Gebiete recht genau: Verbrennungsprozesse setzen Schwefeldioxid frei, aus dem wiederum Schwefelsäurepartikel entstehen. Nicht so im Amazonasregenwald. In dem Gebiet, das zu den unberührtesten Regionen der Erde zählt, fehlen die Schwefelsäurepartikel aus anthropogenen Quellen, und die Atmosphäre ist in der Regenzeit meist beinahe so sauber wie vor der Industrialisierung. Daher hat ein internationales Team von Wissenschaftlern an einem abgelegenen Ort mitten im Urwald untersucht, woher dort die Vorläufer der Wolkenkeime stammen. Denn das könnte helfen, die Frage zu klären, wie in vorindustrieller Zeit Wolken und Niederschlag entstanden sind.
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