Die geplante Novellierung des Naturschutzgesetzes des Bundes stößt in einem zentralen Punkt auf Kritik mehrerer Experten. Bei einer Anhörung von sieben Sachverständigen im Umweltausschuss wurde am Mittwoch besonders eine Regelung skeptisch gesehen, wonach das Bundesumweltministerium bei Maßnahmen zum Meeresschutz Einvernehmen mit vier weiteren Ressorts herstellen muss. Befürchtet wird, dass die Ministerien für Wirtschaft, Verkehr, Agrar und Forschung mit der Regelung, die deutlich über ein Beteiligungsrecht hinausgeht, ein Vetorecht erhalten.
Das Bundeskabinett hatte die Novelle am 8. Februar beschlossen. Sie soll unter anderem den Schutz der Natur in Nord- und Ostsee stärken. Gefährdete Arten wie Schweinswal, Kegelrobbe, Seehund, Sternrochen oder Islandmuschel sollen innerhalb der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone bis zu 200 Seemeilen per Rechtsverordnung unter Schutz gestellt werden können. Ein weiterer wichtiger Punkt der Novelle ist der Aufbau eines bundesweiten Biotopverbundes an Land bis Ende 2027, der zehn Prozent eines Landes umfassen soll. Zudem sollen Höhlen und Stollen künftig als geschützte Biotope gelten.
Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Prof. Beate Jessel, nannte die Einvernehmensregel unüblich. Die Arbeit ihrer Behörde würde so nicht einfacher. Rechtsanwalt Andreas Lukas von der Universität Kassel betonte ebenfalls, die Regelung verwundere aus rechtlicher Sicht. Rechtsanwältin Franziska Heß sprach von der Gefahr eines Präzedenzfalles, der auch bei anderen Gesetzesvorhaben Anwendung finden könnte. Heß befürchtet zudem, dass fachfremde Interessen beim Zuschnitt von Schutzgebieten den Blick auf den Naturschutz verstellen könnte. Die Grünen-Abgeordnete Steffi Lemke stellte daher den generellen Sinn der Novelle in Frage.
Vor der Anhörung hatten Umweltverbände bereits Alarm geschlagen und vor einem „Ausverkauf von Nord- und Ostsee“ gewarnt. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) startete unter dem Motto „SOS fürs Meer“ eine Petition an die Abgeordneten des Bundestages und wandte sich mit einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin. Die Ausschussvorsitzende Bärbel Höhn (Bündnis 90/Die Grünen) sagte in der Anhörung, Presseartikel zum Bundesnaturschutz seien selten. Zu dieser Novelle habe es aber welche gegeben.
Der geplante Biotopverbund fand Zustimmung und Kritik unter den Experten. Jessel verwies darauf, dass das Zehn-Prozent-Ziel schon seit 2002 vorgesehen, aber noch nicht länderübergreifend erreicht sei. Die Umsetzungsfrist bis 2027 nannte sie angemessen. Die kommunalen Spitzenverbände begrüßten in ihrer Stellungnahme, dass der Zeithorizont im Kabinettsbeschluss gegenüber dem Referentenentwurf des Umweltministeriums um zwei Jahre verschoben wurde. Torsten Mertins vom Deutschen Landkreistag bezeichnete aber die Frist als politisch willkürlich und die Umsetzung als schwierig.
Detlef Stöhr von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände äußerte sich ähnlich. Es sei auch wenig erforscht, ob der Biotopverbund etwas bringe. Nach Verbandsangaben sind 30 Prozent der Bundesrepublik mit Wald bedeckt, davon sind 48 Prozent in privatem Besitz. BfN-Präsidentin Jessel hielt dem entgegen, der Biotopverbund sei zur dauerhaften Sicherung wildlebender Populationen, die Anpassung von Arten an den Klimawandel und den Erhalt vernetzter Lebensräume essentiell.