Wie und mit welchen Verkehrsmitteln man sich als Erwachsener bewegt, diese Verhaltensweisen legen sich im Kindes- und Jugendlichenalter fest und verändern sich kaum noch im Erwachsenenalter. Für ein nachhaltiges Verkehrsverhalten ist also die frühe Festlegung auf eine sinnvolle Nutzung von Verkehrsmitteln besonders wichtig. In Österreich ist jetzt ein Projekt unter dem Titel „BewusstMobil – Bewusstseinsbildende Mobilitätssoftware für Kinder und Jugendliche“ entwickelt worden, in dem mehrere Forschungseinrichtungen und Firmen ein Spiel fürs Handy, das Kindern und Jugendlichen Bewusstsein für nachhaltige Mobilitätsformen näher bringen soll, testen.
Das Spiel verknüpft die virtuelle mit der realen Welt: Man gibt an, mit welchem Verkehrsmittel man unterwegs ist, und erhält Punkte – je nachhaltiger die Wahl der Fortbewegung, desto mehr Punkte. Mit den Punkten kann man im Spiel Strecken bauen, um zu vorgegebenen wichtigen Orten zu kommen und Preise zu gewinnen.
Bei dem Spiel handelt es sich um ein sogenanntes „Real Life Game“ bzw. ein Serious Game, also ein ernsthaftes Spiel, das nicht nur der Unterhaltung dient, sondern auch einen Lerneffekt haben soll. Damit soll erreicht werden, dass nachhaltige Mobilität emotional positiv besetzt und damit die bleibende Wirkung unterstützt wird. Im Projekt wurde ein Prototyp entwickelt und mit SchülerInnen getestet. Das Projekt „BewusstMobil“ wendet sich gezielt an Kinder und Jugendliche.
„Man begreift bei dem Spiel sehr leicht, worum es geht. Eine Erkenntnis des Projekts war es, dass eine Verhaltensänderung bei den Jugendlichen durch das Spiel möglich ist“, erklärt Frank Michelberger, Leiter des Carl Ritter von Ghega Instituts für integrierte Mobilitätsforschung der FH St. Pölten. Spielerisches Lernen und eine Verhaltensänderung bei Jugendlichen reichen jedoch noch nicht aus, um später auch das Verhalten als Erwachsene zu beeinflussen. „Daher haben wir im Projekt auch Wissen um nachhaltige Mobilität vermittelt und zur Reflexion des eigenen Mobilitätsverhaltens angeregt“, sagt Michelberger.
Preise als Anreiz
Wichtig für das Projekt war, Kinder und Jugendliche so anzusprechen, dass man sie auch erreicht. Da sowohl Social Media als auch Videospiele im Alltag von Kindern und Jugendlichen sehr häufig vorkommen, wurde beides im Projekt eingesetzt. Über soziale Netzwerke sollen Jugendliche auch gegeneinander spielen können. Je nachhaltiger man unterwegs ist, je mehr Wissen man sich aneignet und je mehr man das eigene Mobilitätsverhalten reflektiert, desto mehr Punkte werden gesammelt.
Das Konzept des Spiels setzt dabei nicht nur auf Punkte und den Spielsieg als Motivation: So könnten etwa gesammelte Bonuspunkte für die Wahl des nachhaltigeren Verlkehrsmittels auch gegen Sachwerte eingetauscht werden. „Das funktioniert ähnlich wie bei Flugmeilen, wo man für ein bestimmtes Verhalten belohnt wird. Nur hier basiert es eben auf nachhaltiger Mobilität“, sagt Michelberger. Dass Menschen in ländlichen Gegenden sich schwerer tun, vom Auto auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen, wird im Spiel berücksichtigt. Wenn Alternativen fehlen, kann man auch anders Punkte sammeln.
Entscheidend für den Spielspaß ist laut Michelberger, dass das Spiel das Verkehrsmittel erkennt und man nichts händisch eingeben muss. Das Handy sollte feststellen, ob man in einem Zug, mit der U-Bahn oder Straßenbahn, dem Auto oder mit dem Rad unterwegs ist. „Einer der technischen Knackpunkte ist noch das automatische Erkennen des Verkehrsmittels durch das Handy. Anhand von GPS-Informationen, der gemessenen Geschwindigkeit, Beschleunigungssensoren im Handy und Infos zu Fahrplänen sollte dies prinzipiell möglich sein. Das funktioniert derzeit aber noch nicht genau genug“, so Michelberger.
Interdisziplinäres Team
Das Spiel wurde von einem Team unter der Leitung des Projektentwicklers netwiss OG entworfen, das aus TechnikerInnen, PädagogInnen, GesundheitswissenschaftlerInnen und SoziologInnen besteht. Die anspruchsvolle Entwicklung des Spiels wurde durch mehrere Schulen begleitet, die sowohl bei der Konzeption als auch beim Testen der verschiedenen Komponenten eingebunden waren. Dadurch wird sichergestellt, dass die Bedürfnisse und die Trends der Jugendlichen bestmöglich berücksichtigt werden, sodass die intendierte Alltagsnähe und der größtmögliche „Lerneffekt“ erreicht werden.
Derzeit gibt es das Spiel noch nicht am Markt. Im Projekt wurde ein Prototyp entworfen. Die weitere Entwicklung ist geplant, ebenso ein Nachfolgeprojekt mit Tests durch eine größere Zielgruppe Erwachsener. Ob das Spiel auch tatsächlich das Verhalten späterer Erwachsener beeinflussen könnte, ließe sich etwa erst durch eine Langzeitstudie in einem Folgeprojekt klären.
Auch wurde im aktuellen Projekt der Einfluss der Kinder auf die Eltern nicht untersucht. „Es wäre aber denkbar, dass Kinder die Eltern beeinflussen könnten, ein anderes Verkehrsmittel zu benutzen, oder dass sie früher aus dem Auto auszusteigen, um zu Fuß zu gehen und somit Punkte zu sammeln“, so Michelberger.
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