Kurz vor Beginn der diesjährigen UN-Ozeankonferenz im südfranzösischen Nizza haben rund 200 Küstenorte ein gemeinsames Bündnis gegen die Folgen des Klimawandels gegründet. Die Allianz, die künftig unter dem Dach der Vereinten Nationen firmiert, will sich insbesondere mit Fragen der Anpassung an den steigenden Meeresspiegel und zunehmende Extremwetterlagen beschäftigen.

Der Schulterschluss kommt zu einem Zeitpunkt wachsender geopolitischer und ökologischer Unsicherheit. Prognosen zufolge werden im Jahr 2050 weltweit mehr als eine Milliarde Menschen in Regionen leben, die weniger als zehn Meter über dem Meeresspiegel liegen – viele davon in dicht besiedelten Küstenstädten in Asien, Afrika und Nordamerika. Der UN-Generalsekretär António Guterres sprach jüngst von „einer langsamen, aber unaufhaltsamen Bedrohung für die menschliche Zivilisation“. Die neue Koalition soll nun konkrete Anpassungsstrategien aus der kommunalen Praxis auf globaler Ebene verfügbar machen.

Wenn Heimat verschwindet

Ein Spaziergang durch die Altstadt von Alexandria offenbart es schon heute: marode Infrastruktur, salzgeschwängerte Luft, Grundwasser in den Kellern. „Wir kämpfen hier nicht mehr gegen Wetter, sondern gegen den Ozean“, sagt Nour El-Din, ein pensionierter Lehrer. „Manche Nachbarn sind schon weggezogen – nicht wegen Arbeitslosigkeit, sondern wegen der Flut.“

In Jakarta, der indonesischen Hauptstadt, ist die Situation noch dramatischer. Stadtteile wie Muara Baru oder Pluit stehen bei jeder Springflut unter Wasser. Die Regierung hat bereits beschlossen, die Hauptstadt nach Borneo zu verlegen – eine geopolitische Zäsur, geboren aus ökologischer Not. Auch Miami kennt das Phänomen: „sunny day flooding“, wenn das Meer mitten am Tag die Straßen überschwemmt, ohne dass eine Wolke am Himmel steht.

Von der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit

„Wir zählen den Anstieg des Wassers nicht in Zentimetern, sondern in der Zahl der Menschen, die ihre Heimat verlieren könnten“, sagte Christian Estrosi, Bürgermeister der Gastgeberstadt Nizza und künftiger Vorsitzender der Initiative. Unterstützt wird er unter anderem von LaToya Cantrell, Bürgermeisterin von New Orleans – einer Stadt, die seit dem verheerenden Hurrikan Katrina 2005 als globales Sinnbild für die Verwundbarkeit urbaner Küstenregionen gilt.

In Bangladesch, wo ganze Landstriche im Süden regelmäßig überschwemmt werden, wehren sich viele Dörfer inzwischen mit selbstgebauten Deichen und schwimmenden Gärten. In Tuvalu, einem pazifischen Inselstaat, sind Umsiedlungspläne längst Bestandteil der nationalen Schulbildung. „Wir unterrichten nicht nur Geografie, sondern Vorbereitung auf Migration“, sagt ein Lehrer aus Funafuti.

Institutionalisierung und Multilateralismus

Der Sitz des Bündnisses wird in Nizza sein. Neben digitalen Fachkonferenzen ist ein jährliches Gipfeltreffen geplant. Das nächste soll 2026 in Marokko stattfinden. Innerhalb des Bündnisses sollen zudem thematische Arbeitsgruppen gebildet werden – etwa zu resilienter Bauplanung, Küstenschutz, Stadtentwicklung oder sozialer Absicherung bei klimabedingten Vertreibungen.

Die Initiative versteht sich dabei ausdrücklich als Ergänzung zu bestehenden multilateralen Formaten wie dem Pariser Klimaabkommen oder der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Als offizieller Partner der Vereinten Nationen soll sie künftig auch in internationalen Klimaverhandlungen eingebunden werden – als Stimme der Kommunen, die den globalen Wandel lokal bewältigen müssen.

Mehr als ein Symbol

Die Gründung des Bündnisses markiert einen Bedeutungsgewinn städtischer Akteure in der globalen Klimapolitik. Längst haben viele Bürgermeisterinnen und Bürgermeister verstanden, dass sie nicht länger auf nationale Strategien warten können. Während sich internationale Verhandlungen oft im Klein-Klein verlieren, zeigen lokale Partnerschaften wie diese: Anpassung ist machbar – vorausgesetzt, sie wird als geteilte Verantwortung verstanden.