Die Auswirkungen des Klimawandels beeinträchtigen zunehmend Flüsse und Seen und gefährden das ökologische Gleichgewicht in diesen Gewässern. Anpassungsmaßnahmen sind erforderlich. Um sie gezielt umsetzen zu können, braucht es jedoch mehr Wissen über die komplexen Wirkungszusammenhänge in aquatischen Ökosystemen.
Auch für die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die auf einen „guten ökologischen Zustand“ der Gewässer abzielt, empfehlen sich Anpassungen. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei im Projekt GewässerKlima, das vom Umweltbundesamt gefördert wurde.
Starkregen und Hochwasser, lange Hitzeperioden und ausgedehnte Dürren, lokale Stürme – mit dem Klimawandel gehen viele Extremereignisse einher, die schon jetzt das ökologische Gleichgewicht in Oberflächengewässern wie Flüssen und Seen negativ beeinflussen. Doch auch schleichende Veränderungen wie steigende Temperaturen, höhere Sonneneinstrahlung, weniger Schneefall und Eisbedeckung im Winter und die saisonale Verschiebung von Niederschlägen wirken sich auf die Gewässer aus.
Welche konkreten Folgen für Flüsse und Seen zu erwarten sind, haben Forschende des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) im Projekt GewässerKlima (Entwicklung der ökologischen Beschaffenheit von Oberflächengewässern im Klimawandel) für das Umweltbundesamt untersucht. Sie gingen außerdem der Frage nach, inwieweit die Bewertungsverfahren der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (EG-WRRL) auch noch angesichts des Klimawandels eine verlässliche Einschätzung des ökologischen Zustands der Gewässer ermöglichen. Die Basis der Untersuchungen bildeten eine umfassende Literaturrecherche zu den schon heute prognostizierbaren Auswirkungen des Klimawandels sowie der Fachaustausch mit Expertinnen und Experten der wasserwirtschaftlichen Fachbehörden, Wissenschaft und Praxis.
Gefahren für Wasserqualität und biologische Vielfalt
Die Forschenden zeigen anhand verschiedener Wirkpfade auf, wie vielfältig die Folgen des Klimawandels Seen und Flüsse direkt und indirekt beeinflussen können. Durch steigende Temperaturen, Niedrigwasser oder Trockenfallen von Gewässern etwa leidet die Wasserqualität, ebenso durch lokale Starkregenereignisse, die Sedimente und Schadstoffe in die Gewässer spülen können. Allgemein kann sich das Durchmischungsregime von Seen drastisch ändern. Eine stärkere Schichtung und reduzierte Durchmischung haben Folgen für die Nährstoffverfügbarkeit, aber auch für den Austausch von sauerstoffreichem Oberflächenwasser mit tieferen Wasserschichten. Höhere Temperaturen steigern die biologische Aktivität in den Gewässern und damit auch den Sauerstoffverbrauch bei gleichzeitig geringerer Löslichkeit von Sauerstoff.
Ohne ausreichend Sauerstoff können viele Gewässerorganismen nicht überleben. Niedrigwasser kann zudem zu hohen Konzentrationen von Salzen und Phosphatverbindungen im Wasser führen – der pH-Wert der Gewässer kann aus dem Gleichgewicht geraten. Auf die in den Gewässern lebenden Organismen wirken diese Entwicklungen in unterschiedlicher Weise. Es gibt Gewinner und Verlierer. Auch hierzu haben die Forschenden vielfältige Erkenntnisse zusammengetragen. Für kälteliebende Arten kann der Einfluss des Klimawandels auf Flüsse und Seen zum Verhängnis werden. Wärmeliebende Arten dagegen haben einen Vorteil. Die sich wandelnden Bedingungen in den Gewässern können somit zu einer deutlichen Veränderung der Lebensgemeinschaften führen. Die Verbreitung invasiver Arten oder neuer Krankheiten und Parasiten kann der Klimawandel ebenso begünstigen – mit unklaren Folgen für die biologische Vielfalt in den Gewässern.
Gewässer besser schützen: Handlungsempfehlungen formuliert
„Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Herausforderungen ist es umso wichtiger, dass wir für einen guten Schutz unserer Gewässer sorgen“, erläutert Projektleiter Dr. Marco Neubert vom IÖR. „Deshalb haben wir im Projekt untersucht, inwieweit sich die Methoden und Bewertungssysteme der EG-Wasserrahmenrichtlinie unter den veränderten klimatischen Randbedingungen als nutzbar erweisen.“ Seit 2000 bildet die EG-WRRL in allen europäischen Mitgliedstaaten die Grundlage für den Gewässerschutz. Ihr Ziel ist es unter anderem, einen „guten ökologischen Zustand“ von Gewässern zu gewährleisten. Dies wurde bisher kaum erreicht. Die Richtlinie würde aus Sicht der Forschenden von Anpassungen profitieren, die den Wandel von klimatischen Randbedingungen berücksichtigen. „Effektive Monitoring- und Bewertungssysteme bilden die Basis, die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die ökologische Beschaffenheit von Oberflächengewässern zu ermitteln und geeignete Managementmaßnahmen zur Umsetzung der Ziele der EG-WRRL umzusetzen“, fassen die Forschenden in ihrem Abschlussbericht zusammen.
In dem Bericht formulieren sie dafür umfangreiche Handlungsempfehlungen. Das A und O sei eine gute Datengrundlage. Hier gelte es, Lücken zu schließen. Die Forschenden empfehlen unter anderem, weitere Indikatoren, welche die Auswirkungen des Klimawandels anzeigen könnten, in das Gewässermonitoring aufzunehmen. Zu nennen sind etwa die Sichttiefe als Maß für die Wassertransparenz bzw. Trübung in Seen oder die konsequente Beprobung von Zooplankton, also kleinste tierische Organismen, in den Gewässern, die ein wichtiges Bindeglied zwischen dem pflanzlichen Plankton und höheren Organismen wie Fischen darstellen. Um eine höhere Messfrequenz zu erreichen, könnten bei der Datenerhebung modernste Technik wie vor Ort installierte Multiparametersensoren und Fernerkundungsdaten zum Einsatz kommen, so eine weitere Empfehlung der Forschenden. Eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse und Handlungsempfehlungen haben die Forschenden von IÖR und IGB in der Fachzeitschrift „KW Korrespondenz Wasserwirtschaft“ veröffentlicht. Der ausführliche Abschlussbericht zum Projekt GewässerKlima ist als Nummer 139/2022 in der Reihe TEXTE des Umweltbundesamtes erschienen.
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