Ein Kommentar zur neuen Klimaagenda der schwarz-roten Koalition von Frank Tetzel

Die Zahlen sind eindeutig, die Lage ist dramatisch – und die Realität lässt sich längst nicht mehr schönreden: Europa ist der am schnellsten erwärmende Kontinent der Welt. 2024 war das bislang heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, begleitet von sintflutartigem Regen, Dürren, Hitzewellen und über 300 Todesopfern durch Wetterextreme. Und auch 2025 beginnt nicht besser: Trockenheit in Deutschland, Überflutungen auf den Kanaren, erste Waldbrandwarnungen im April.

Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, dass sich CDU/CSU und SPD in ihrem neuen Koalitionsvertrag der Klimaanpassung widmen. Das Thema ist kein „Nice-to-have“ mehr, sondern eine Überlebensfrage. Es geht nicht um ferne Szenarien, sondern um unsere Städte, unsere Straßen, unsere Wälder – kurz: um unsere Lebensrealität.

Die Pläne lesen sich solide: Unterstützung für Kommunen, Investitionen in natürlichen Klimaschutz, beschleunigter Küstenschutz, vier Milliarden Euro bis 2026. Das ist gut. Doch gut ist nicht gut genug.

Denn ein Koalitionsvertrag ist kein Schutzwall gegen den nächsten Starkregen. Entscheidend ist nicht, was darin steht, sondern was tatsächlich umgesetzt wird. Und da bleibt – wie so oft – vieles vage. Wo ist der klare Umsetzungsplan? Wie genau werden Kommunen entlastet? Was, wenn die versprochenen Mittel durch Haushaltskürzungen ins Wanken geraten?

Gleichzeitig fällt auf, dass sich die internationale Klimapolitik zwar rhetorisch in alle Richtungen öffnet – aber strategisch unterbelichtet bleibt. Von echter Partnerschaft mit dem Globalen Süden ist wenig zu spüren. Stattdessen lesen sich viele Passagen wie eine Verlängerung klassischer Interessenpolitik: Migrationskontrolle hier, Rohstoffsicherung dort. Wo ist die neue Klima-Außenpolitik, die nicht nur reagiert, sondern auf Augenhöhe gestaltet?

Und dann ist da noch CCS – die CO₂-Speicherung, die nun auch auf Gaskraftwerke ausgeweitet werden soll. Ja, wir brauchen technologische Offenheit. Aber wir brauchen auch Ehrlichkeit: Wer auf Zukunftstechnologien setzt, darf nicht gleichzeitig reale Emissionsminderungen auf morgen verschieben – oder gar ins Ausland outsourcen.

Die neue Koalition hat recht: Sicherheit wird in Zeiten der Klimakrise nicht mehr nur militärisch gedacht, sondern ökologisch. Doch wer Klimaanpassung ernst nimmt, muss sie auch als Gerechtigkeitsfrage begreifen – innen wie außen. Sie beginnt mit mehr Hitzeschutz in Altenheimen und endet nicht bei Milliardenversprechen an die globale Bühne.

Was wir brauchen, ist kein Klein-Klein zwischen Hochwasserschutz und Förderprogramm. Was wir brauchen, ist ein neuer, mutiger Gesellschaftsvertrag – einer, der Klimaschutz nicht als Kostenfaktor, sondern als Daseinsvorsorge begreift.

Jetzt. Nicht später.