Herr Dr. Lischka, Sie sind Mitgründer des in Berlin ansässigen Startups Manuyoo. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, mangelnde Wertschöpfung, die zu Abhängigkeiten im Rohstoffhandel führt in Afrika zu verbessern. Dazu haben Sie eine Plattform entwickelt, dass es Unternehmen vom afrikanischen Kontinent ermöglicht, ihre Waren in Deutschland anzubieten.

Nun sind durch das Internet und Internetplattformen Waren und Güter weltweit sowieso erreichbar und kaufbar. Was unterscheidet Sie beispielsweise von einem Anbieter Amazon?

Wir Deutschen konsumieren nach wie vor nach kolonialistischen Prinzipien: Rohstoffe aus Afrika – die Wertschöpfung passiert hier in Europa oder anderswo auf der Welt: aktuell kommen nur zwei Prozent unserer Import aus den 55 Ländern Afrikas, der Großteil davon sind unverarbeitete Rohstoffe. Anders gesagt: in unseren privaten Warenkörben finden sich aktuell fast keine Produkte mit Wertschöpfung auf dem afrikanischen Kontinent. Das hat verschiedene Gründe: trotz Internethandel ist es für Hersteller schwierig, ihre Produkte auf den europäischen Markt zu bringen. Auch die Logistik ist oft eine Herausforderung: ein direkter Versand nach Europa ist in aller Regel unwirtschaftlich. Hinzu kommen immer noch verbreitete Vorurteile gehen Produkte afrikanischer Herkunft: Made-in-Afrika wird selten mit Qualität und Zuverlässigkeit assoziiert. Negativ besetzte Afrika-Bilder von Armut, Instabilität, fehlender Entwicklung sind bei uns sehr präsent und haben einen Einfluss auf unser Konsumverhalten. Hier ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten.

Dr. Jan-Marc Lischka ist Mitgründer der Onlineplattform Manuyoo

Wie definieren Sie die Produkte, die sie in Ihrem virtuellen Kaufhaus aufnehmen?

Im Gegensatz zu Plattformen wie Amazon bieten wir ein kuratiertes Produktprogramm: Entscheidend ist ein hoher Wertschöpfungsanteil auf dem afrikanischen Kontinent, das heißt Produktentwicklung und wesentliche Herstellungsschritte. Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen bei den Herstellern sind Grundvoraussetzung. Die Produkte heben sich von Stereotypen ab und stehen für ein neues, selbstbewusstes Afrika. Gleichzeitig portraitieren wir die Unternehmer:innen und erzählen ihre Geschichten.

Ein Beispiel ist Tambour, eine aus Palmenwein hergestellte Spirituose aus dem westafrikanischen Benin: aus einem traditionellen Landwirtschaftsprodukt entsteht ein Exportschlager, der es in Bars der ganzen Welt geschafft hat und von der New York Spirits Competition ausgezeichnet wurde.  Ein weiteres Beispiel sind die nachhaltig produzierten Laufschuhe von Enda – natürlich aus Kenia, dem Land der schnellsten Läufer. Das Unternehmen wurde von der Kenianerin Navalayo Osembo gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Laufen als Wirtschaftsfaktor und Jobmotor für ihr Land nutzbar zu machen und so eine neue Industrie in Kenia angesiedelt hat – und damit in einem hart umkämpften Markt weltweit Erfolg hat.

Werden die Produkte direkt aus Afrika an die Kunden versendet oder haben Sie ein Lager?

Wir beliefern unsere Kunden aus unserem Lager im Süden von Berlin. So können wir die aufwändigen Transporte aus den Herkunftsländern bündeln und unsere Kunden schnell beliefern.

Wie stellen Sie die Qualität sicher?

Natürlich testen wir die Produkte intensiv selbst, bevor wir sie in den Shop aufnehmen. Im Rahmen des Qualifizierungsprozesses verschaffen wir uns einen Einblick in die Arbeitsweise und Qualitätskultur unserer Partner. Vertrauen ist für uns die Grundlage einer erfolgreichen Geschäftsbeziehung. Insbesondere für Lebensmittel arbeiten wir mit zertifizierten Laboren zusammen, um die Qualität sicherzustellen.

Wenn wir über Wertschöpfung sprechen, wie hoch sind die Overheadkosten in ihrem Unternehmen bzw. welche Aufschläge schlagen sie auf die Produktkosten auf.

Wir verstehen uns als Unternehmen der Gemeinwohlökonomie, das heißt Impact geht uns immer vor Profit. Als relativ junges Unternehmen haben wir noch einen Weg zu gehen, um kostendeckend zu arbeiten – denn wirtschaftliche Nachhaltigkeit ist die Voraussetzung um unser Ziel zu erreichen. Unser Geschäftsziel geht über Import und Verkauf von Produkten Made-in-Afrika hinaus: Wir setzen uns dafür ein, dass unsere Partnerunternehmen perspektivisch mit eigenen Vertriebskanälen in die EU Erfolg haben bzw. auch in den großen Einzelhandelsketten zu erhalten sind. Denn nur so erreichen wir unsere Vision: dass jeder Haushalt mehr als 100 afrikanische Produkte ganz selbstverständlich benutzt.

Afrikanische Produkte zu vertreiben – außer eventuell Kaffee und Schokolade – ist eine Herausforderung. Güter sind international geworden, interessiert es den Konsumenten überhaupt, wer seine Waren herstellt und wird die Zielgruppe, an die Sie sich richten, nicht künstlich eingeschränkt?

Wir erleben, dass Nachhaltigkeit in der Herstellung ein immer wichtigeres Kaufkriterium wird. Wobei sich das für uns nicht nur auf ökologische sondern auch soziale Aspekte bezieht, Stichwort Wertschöpfungsgerechtigkeit. Gleichzeitig wächst das Interesse an der Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent und die Begeisterung für seine außergewöhnlichen Unternehmer:innen – und genau deren Produkte und Geschichten präsentieren wir.

Welche Marketingstrategie verfolgen Sie?

Neben den Produkten sind für uns die Geschichten der Hersteller entscheidend. Es sind stolze, innovative, außergewöhnliche Unternehmer:innen. Wir bieten ihnen und ihren Marken eine Bühne. Mit der Kombination aus Produkterlebnis und Storytelling wollen wir ein Umdenken erreichen, ein neues Bild von Afrika – und das braucht es, um Wirtschaftsbeziehungen auf Augenhöhe zu entwickeln. Der Onlinehandel ist unser Hauptstandbein, das war in der Pandemie natürlich hilfreich. Ab Ende Juli 2021 gehen wir auch erstmalig in den stationären Einzelhandel: einige unserer Produkte werden im Conceptstore „The Latest“ am Berliner Kurfürstendamm zu erhalten sein.