Es ist fast so etwas wie eine Koinzidenz, während sich die Präsidentin der Europäischen Kommission dieser Tage in Indien aufhält, um für Investitionen und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen der EU und dem Subkontinent zu werben, erwirbt zeitgleich der indische Marktführer für Solarglas, die Borosil Gruppe, die Glasmanufaktur Brandenburg (GMB)

EU Präsidentin von der Leyen besuchte zeitgleich mit der Bekanntgabe des Erwerbs der den Hauptsitz der Internationalen Solarallianz, einer der Leitinitiativen Indiens zur Bekämpfung des Klimawandels, und traf sich mit Vorstandsvorsitzenden indischer und europäischer Energieunternehmen.

Sie erklärte: Wir sind bei der Bekämpfung des Klimawandels eng mit Indien abgestimmt. Die Solarenergie wird eine entscheidende Rolle dabei spielen, unsere Ziele auf dem Weg zur Klimaneutralität sowohl in Indien als auch in Europa zu erreichen. Investitionen in diesem Bereich werden auch zu einer Investition in unsere Sicherheit. Jede Kilowattleistung, die wir aus Sonnenenergie, Windenergie, Wasserkraft oder Biomasse erzeugen, verringert unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland.“

Und während die Kommissionspräsidentin in Indien um Zusammenarbeit warb, unterzeichnete derweil Indiens erstes und einziges Solarglas produzierendes Unternehmen Borosil Renewables Limited (“BRL”) und die Interfloat Gruppe (“Interfloat” mit Sitz in der EU)  heute ein verbindliches Übereinkommen, das es BRL ermöglicht gegen Bar- und Aktientransaktion 100 Prozent der Interfloat Gruppe zu übernehmen.  Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Die Interfloat Group besteht aus den beiden Unternehmen Glasmanufaktur Brandenburg GmbH (“GMB”) mit Sitz in Tschernitz/Brandenburg und der Interfloat Corporation mit Sitz in Liechtenstein. GMB ist mit einer Kapazität von 300 TPD Europas größter Produzent von Solarglas in Europa. Seit 2010 produziert GMB für den europäischen Markt Solarglas – sowohl für Thermosolar- als auch Photovoltaik-Anlagen. Mit nahezu 40 Jahren Erfahrung in der Glasproduktion ist GMB Teil einer tief verwurzelten Tradition der Glasherstellung in der Region.

Versorgung des europäischen Marktes

Das “Solar Manufacturing Accelerator”-Programm der Europäischen Union (EU) hat sich zum Ziel gesetzt die Produktion von Solar-Fotovoltaik-Modulen und den dafür notwendigen Komponenten innerhalb Europas massiv zu erhöhen, was zu einer erhöhten Nachfrage am europäischen Markt führen wird.

Die europäischen Abnehmer von Solarglas, das unter anderem auch für Glashäuser in der Landwirtschaft verwendet wird, sind auf ein diversifiziertes und verlässliches Angebot aus Europa angewiesen – umso mehr durch aktuelle Ausfälle in den globalen Lieferketten.

Mit der vorliegenden Akquisition wird sich die Produktionskapazität von BRL in Indien und Europa unmittelbar auf 750 TPD erhöhen, was eine sofortige Steigerung des Angebots von dringend benötigtem Solarglas am europäischen Markt bedeutet.

Dank neuester Technologien geringere Produktionskosten und weniger CO2

BRL – ein familiengeführtes und an der indischen Börse notiertes Unternehmen – wird in Tschernitz in neue Fertigungstechnologien investieren, die, auch durch Skaleneffekte, die Kosten der Produktion und den damit zusammenhängenden CO2-Output wesentlich verringern werden.  Die Produktivität des Werks erhöht sich durch die technologische Investition bis 2023 auf 500 TPD.

Durch den Expansionskurs von BRL in Indien rechnet das Unternehmen mit einer Produktionssteigerung auf 1000 TPD bis September 2022. Für die darauffolgende Expansionsphase wird eine Steigerung auf 1550 TPD bis Ende 2023/24 und 2100 TPD bis Ende 2024/25 prognostiziert. Insgesamt wird BRL mit 2600 TPD Produktionsvolumina Glas für Solarmodule für mehr als 15 Gigawatt zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig die Abhängigkeit von einem einzigen Produktionsstandort minimieren.

Pradeep Kheruka, Vorstandsvorsitzender von Borosil Renewables: “Diese Akquisition führt uns dem Ziel, das kundenfreundlichste Unternehmen seiner Art zu sein, einen großen Schritt näher. Indem wir bestehende Synergien und die vorhandenen Wissensressourcen zweier Unternehmen bündeln, werden wir unsere Kunden noch besser bedienen zu können. Der geplante Kapazitätsausbau in Indien und Europa sichert die gesamte Lieferkette unserer Produkte für unsere Kunden ab. Dabei achten wir unermüdlich auf die Reduktion des gesamten CO2-Fußabdrucks und sind darüber hinaus näher an den Wachstumsmärkten. Vor dem Hintergrund exorbitant steigender Energiepreise in Europa einerseits und dem Ausbau erneuerbarer Energien andererseits, ist unsere Akquisition als langfristig zu betrachten, um näher an den wichtigen Wachstumsmärkten zu sein. Unsere Investition ist gleichermaßen ein Bekenntnis zum Erhalt der Arbeitsplätze in der Region.”

Christian Kern, Präsident des Verwaltungsrates der Interfloat Gruppe und ehemaliger österreichischer Bundeskanzler: „Borosil Renewables ist globaler Innovationsführer in der nachhaltigeren Herstellung von Solarglas. Das Engagement von BRL ist ein Gewinn für die Produktionsstätte in Tschernitz und die gesamte Region Brandenburg. Die europäische Industrie leidet unter massiven Energiepreiserhöhungen. Der Ausbau der grünen Energieproduktion in Europa ist daher ein dringliches Gebot der Stunde. Starke internationale Partner können die Energiewende in Europa zusätzlich absichern.“ Auf expliziten Wunsch von Borosil wird Kern im Verwaltungsrat von Interfloat verbleiben.

Durch den teilweisen Aktientausch bleiben die bisherigen Eigentümer dem Unternehmen weiterhin verbunden.

Neue EU Strategie

Das Investment des indischen Unternehmens macht viel Sinn. Nicht nur dass in der strukturschwachen Lausitz damit Arbeitsplätze erhalten bleiben, die Investition orientiert such auch daran, dass die EU derzeit ihre Photovoltaik-Strategie neu überdenkt.

Bis 2025 sollen insgesamt 20 Gigawatt an Photovoltaik-Produktionen in Europa neu entstehen. Zur Zeit arbeitet die Kommission an einer neuen Strategie für die Europäische Solarbranche, laut eines Medienberichtes  bekräftigte Anfang März der EU-Energiekommissar Kadri Simson das Ziel, den Anteil des Solarstroms in der EU von 3 auf 15 Prozent bis 2030 steigern zu wollen. „Niemand kann den Zugang zur Sonne blockieren“, erklärte er mit Blick auf eine sichere Energieversorgung auf dem Kontinent. „Für die Branche kann es nur aufwärts gehen; die Technologien werden weiter wachsen, wenn die Nachfrage nach Solarenergie steigt. Das ist eine Chance für die Angebotsseite, und die EU hat die perfekten Voraussetzungen, um sie zu ergreifen“, erklärte Simson.