IEA-Bericht 2025: Deutschlands Energiewende zwischen Ambition und Realität – wo der Fortschritt stockt
Mit ihrem aktuellen Länderbericht „Germany 2025“ legt die Internationale Energieagentur (IEA) eine differenzierte Zwischenbilanz der deutschen Energiepolitik vor. Die Analyse kommt zur rechten Zeit: Deutschland steht unter massivem Druck, seine Klimaziele zu erreichen – und das trotz anhaltend hoher Energiepreise, globaler Unsicherheiten und eines zunehmend fragmentierten politischen Umfelds. Der Bericht lobt Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien, identifiziert aber auch ernsthafte Bremsspuren – vor allem im Verkehrssektor, in der Wärmeversorgung und bei der Marktintegration neuer Technologien.
Erfolge beim Strom, Rückstand beim Verkehr
Deutschland hat den Stromsektor in den vergangenen Jahren grundlegend umgebaut. Bereits mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms stammt aus erneuerbaren Quellen – eine beachtliche Leistung, die international Beachtung findet. Doch wie die IEA betont, ist Strom nur ein Teil des Energiesystems. In den Bereichen Verkehr und Gebäude läuft die Energiewende weit hinterher. Besonders im Verkehrssektor verfehlt Deutschland seit Jahren systematisch seine Klimaziele – mit erheblichen Folgen für die nationale CO₂-Bilanz.
Der Bericht kritisiert die mangelnde Transformation im Mobilitätsbereich: Der Bestand an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bleibt hoch, während der Hochlauf der Elektromobilität ins Stocken gerät. Zwar sei der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge gestiegen, doch gleichzeitig wachse auch der Gesamtfahrzeugbestand – was die Effizienzgewinne wieder relativiere. Die Ladeinfrastruktur hinkt hinterher, und gerade im ländlichen Raum fehlt es an flächendeckenden Angeboten. Zudem fehle ein umfassendes Konzept für den Schienenverkehr und den Gütertransport – zwei Schlüsselbereiche für eine klimaneutrale Mobilität.
Die IEA fordert daher eine deutlich ambitioniertere Verkehrsstrategie. Nötig seien stärkere Preissignale – etwa durch eine CO₂-basierte Reform der Kfz-Steuer und des Dienstwagenprivilegs –, ein beschleunigter Ausbau des öffentlichen Verkehrs sowie klare politische Zielvorgaben für Kommunen, etwa zur Verkehrsvermeidung und Umgestaltung des städtischen Raums. Ohne eine echte Mobilitätswende, so der Bericht, sei das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 kaum zu erreichen.
Wärmewende: Aufbruch mit angezogener Handbremse
Auch im Gebäudesektor erkennt die IEA strukturelle Verzögerungen. Zwar habe die Bundesregierung mit dem Gebäudeenergiegesetz und der kommunalen Wärmeplanung wichtige Reformen angestoßen, doch mangele es an Stringenz und Geschwindigkeit in der Umsetzung. Die Sanierungsrate sei mit rund einem Prozent pro Jahr deutlich zu niedrig, und besonders bei Mietwohnungen fehlten oft Anreize für energetische Sanierungen. Die Folge: Ein Großteil der Gebäude wird weiterhin mit fossilen Energien beheizt, vor allem mit Gas und Öl.
Die IEA mahnt hier gezielte Förderprogramme an, insbesondere für einkommensschwächere Haushalte. Gleichzeitig müsse die Fernwärme strategisch ausgebaut und konsequent dekarbonisiert werden – etwa durch den Einsatz von Großwärmepumpen, Geothermie oder industrieller Abwärme. Derzeit sei Fernwärme in vielen Kommunen noch nicht klimaneutral, was ihre Rolle als Hebel der Wärmewende einschränke.
Marktdesign und Investitionsklima als Schlüssel
Ein weiteres Hindernis sieht der Bericht in der Unsicherheit der politischen Rahmenbedingungen. Häufige Gesetzesänderungen, regulatorische Flickenteppiche und Debatten wie zuletzt um das Heizungsgesetz hätten das Vertrauen von Investoren erschüttert. Die IEA plädiert für langfristige, verlässliche Rahmensetzungen – sowohl für den Ausbau von Erneuerbaren als auch für Wasserstoffprojekte und Speichertechnologien. Gerade der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft brauche Klarheit in der Nachfrageentwicklung, internationale Lieferketten und staatliche Unterstützung in der Hochlaufphase.
Deutschland muss umsteuern – nicht beim Ziel, sondern beim Tempo
Der IEA-Bericht ist Mahnung und Bestätigung zugleich. Deutschland verfügt über technologische, industrielle und gesellschaftliche Ressourcen, um die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Doch zu oft fehlt die Kohärenz im politischen Handeln, und zu viele Sektoren agieren losgelöst voneinander. Während der Stromsektor voranschreitet, bleiben Gebäude und Verkehr zurück. Ohne sektorübergreifende Steuerung, konsequente Prioritätensetzung und eine ehrliche Debatte über soziale wie wirtschaftliche Auswirkungen wird die Energiewende ins Stocken geraten.
Die IEA empfiehlt daher einen integrierten Ansatz: mehr Klarheit und Stabilität für Unternehmen, mehr Unterstützung für Bürgerinnen und Bürger – und mehr Mut, unbequeme Reformen anzugehen. Denn der Bericht macht auch deutlich: Die Kosten des Zögerns werden mittelfristig höher sein als die Herausforderungen des Handelns.
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