Der heiße Becher Tee am Morgen. Für viele ist das ein stiller Moment der Ruhe – ein Ritual, das den Tag beginnt. Doch was, wenn hinter diesem scheinbar einfachen Genuss das Schicksal für tausende Familien steckt? Was, wenn genau dieser Tee zur Antwort auf drängende Fragen unserer Zeit wird: Wie können wir Energie sauberer, Landwirtschaft nachhaltiger und ganze Branchen widerstandsfähiger und resilienter machen?
In den grünen Hügeln Kenias, wo Teesträucher in langen Reihen die Landschaft zeichnen, startet jetzt ein innovatives Projekt, das all das miteinander zu verbinden versucht. Eine kleine Fabrik, betrieben mit Biomasse statt Diesel, könnte zum Pilotprojekt für ein ganzes Land werden. Mit Unterstützung der Vereinten Nationen und internationaler Partner entsteht hier nicht nur ein Modell für grüne Energie – sondern auch ein Zeichen dafür, dass Wandel möglich ist, wenn Technologie auf lokale Stärke trifft.
Im Rahmen der Accelerate-to-Demonstrate (A2D) Facility, die von der UNIDO (Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung) verwaltet wird, will man mit diesem Projekt die Dekarbonisierung der Teeindustrie vorantreiben. Ziel der A2D-Förderung ist es, durch Zuschüsse zwischen einer und fünf Millionen US-Dollar die Umsetzung und Kommerzialisierung klimafreundlicher Technologien in Entwicklungsländern zu beschleunigen – mit einem besonderen Fokus auf Wasserstoff, saubere Energie, kritische Rohstoffe und industrielle Dekarbonisierung. Die Finanzierung stammt unter anderem vom britischen Ministerium für Energiesicherheit und Netto-Null-Ziele (DESNZ), das initial rund 80 Millionen US-Dollar zugesagt hat.
Eines der geförderten Projekte trägt den Titel „Green Tea: Creating clean heat and power with biomass residues and gasification technology to future-proof your cuppa“. Durchgeführt wird es vom Unternehmen Compact Syngas Solutions (CSS). Das Projekt erhält Fördermittel in Höhe von rund 4,3 Millionen US-Dollar und läuft von Januar 2025 bis März 2028.
Im Zentrum steht die Errichtung und der Betrieb einer innovativen Biogasanlage in einer kenianischen Teefabrik, die mit landwirtschaftlichen Reststoffen und Biomasse betrieben wird. Durch den Einsatz dieser Technologie sollen CO₂-Emissionen erheblich gesenkt und zugleich die Nachhaltigkeit im Teeanbau verbessert werden. Konkret wird eine Emissionsreduktion von rund 5.532 Tonnen CO₂ erwartet. Neben sauberer Energie wird auch die Nutzung von Biokohle zur Bodenverbesserung gefördert.
Das Projekt verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Es soll nicht nur die Produktionskosten in der Teefabrik senken, sondern auch die Produktivität in umliegenden landwirtschaftlichen Betrieben steigern. Etwa 20 Zulieferbetriebe, 50 Mitarbeitende der Teefabrik sowie Kleinbäuerinnen und -bauern profitieren durch Schulungen, Technologietransfer und Kapazitätsaufbau. Darüber hinaus plant das Projekt die Einbindung zentraler Akteure – von Regierungsbehörden über Energiedienstleister bis hin zu Teekäufern –, um die Technologie breit in der Region zu verankern.
Nachhaltigkeit und Energie in Kenias Landwirtschaft
Kenia zählt zu den Ländern in Afrika, die besonders stark auf landwirtschaftliche Wertschöpfung angewiesen sind. Der Agrarsektor beschäftigt über 60 % der Bevölkerung und trägt erheblich zum Bruttoinlandsprodukt bei. Gleichzeitig ist die Branche stark vom Klimawandel betroffen – durch Dürren, extreme Regenfälle und unzuverlässige Energieversorgung.
In diesem Kontext gewinnen Projekte, die Landwirtschaft und nachhaltige Energie miteinander verbinden, zunehmend an Bedeutung. In verschiedenen Regionen Kenias entstehen Biogasanlagen, Solartrockner, energieeffiziente Bewässerungssysteme und – wie im vorliegenden Fall – Vergasungstechnologien, die aus landwirtschaftlichen Abfällen Strom und Wärme erzeugen können. Solche Lösungen bieten nicht nur wirtschaftliche Vorteile für landwirtschaftliche Betriebe, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energieunabhängigkeit in ländlichen Regionen.
Tee – mehr als ein Exportgut
Tee ist eines der wichtigsten Exportgüter Kenias und zugleich kulturell tief verwurzelt. Das ostafrikanische Land ist weltweit der größte Exporteur von Schwarztee und der drittgrößte Teeproduzent überhaupt – hinter China und Indien. Die Teebranche erwirtschaftet jedes Jahr hunderte Millionen US-Dollar an Devisen und sichert das Einkommen von über 600.000 Kleinbäuerinnen und -bauern sowie Tausenden Beschäftigten in Verarbeitungsbetrieben.
Doch der Sektor steht unter Druck: steigende Energiekosten, schwankende Weltmarktpreise und klimatische Veränderungen setzen viele Teefabriken und Farmen unter Stress. Gerade hier setzen nachhaltige Energieprojekte wie „Green Tea“ an – sie senken Kosten, reduzieren Abhängigkeiten von fossilen Energien und stärken die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche.
Das Projekt „Green Tea“ ist mehr als ein technologisches Pilotvorhaben – es ist ein Modell dafür, wie Klimaschutz, wirtschaftliche Entwicklung und soziale Teilhabe miteinander verbunden werden können. Indem es lokale Ressourcen nutzt, landwirtschaftliche Reststoffe verwertet und gleichzeitig Arbeitsplätze schafft, zeigt es, wie grüne Transformation in Afrika aussehen kann: dezentral, praxisnah und wirkungsvoll.
Wenn Kenia seinen Weg hin zu einem nachhaltigen Agrar- und Energiesystem fortsetzt, kann das Land nicht nur seine eigene Bevölkerung stärken – sondern auch als Vorbild für andere Länder in der Region dienen.
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