Man kann sich an Lärm gewöhnen.
Oder man kann herausfinden, wie sehr er uns trotzdem krank macht.
Und warum ein Stück Grün manchmal stärker heilt als jedes Medikament.

Es beginnt mit einem schmalen Streifen Gras. Zwei Bänke, drei Bäume, ein Stück Himmel zwischen Betonwänden. Wer hier sitzt, hört noch den Verkehr, spürt aber schon: Etwas ist anders. Das Herz schlägt ruhiger, der Kopf wird freier. Ein paar Minuten reichen manchmal, um die Last des Alltags leichter werden zu lassen.

Woran liegt das? Eine Frage, die Forscherinnen und Forscher der Empa und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) beschäftigt hat. In einer groß angelegten Studie untersuchten sie, wie stark urbane Grünflächen tatsächlich die Stressbelastung in lärmerfüllten Städten verringern. Die Antwort: Deutlich stärker, als bisher angenommen – und messbar, sowohl kurzfristig als auch langfristig.

Freiwilliger Stresstest

Im Empa-Labor wurden Freiwillige gezielt gestresst: Aufgaben unter Zeitdruck, begleitet von verschieden starkem Verkehrslärm. Danach tauchten sie in virtuelle Welten ein – einmal in eine typische städtische Umgebung, einmal in eine grüne Landschaft mit natürlichen Geräuschen. Ergebnis: Schon der kurze Aufenthalt im virtuellen Grünen senkte den körperlichen Stress merklich. Weniger Schweiss an den Händen, geringere Cortisolkonzentrationen im Speichel. Die Erholung war spürbar und physiologisch nachweisbar.

Am stärksten wirkten Umgebungen, in denen Natur nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören war – Vogelgezwitscher, Wasserrauschen, Blätterrauschen. Wenn urbane Geräusche dominierten, schwand der positive Effekt. Verkehrslärm blieb ein Stressfaktor – egal ob kognitiver Druck hinzukam oder nicht.

Auch außerhalb des Labors bestätigte sich der Befund. In einer Feldstudie in Zürich besuchten die Forschenden mehr als 230 Personen in ihren Wohnquartieren, dokumentierten Umgebung, nahmen Haarproben und führten Interviews. Ergebnis: Menschen, die in begrünten und ruhigeren Stadtteilen lebten, hatten niedrigere Langzeitstresswerte.

Grünflächen sind damit nicht nur Rückzugsorte, sie sind aktive Gesundheitsressourcen. Sie kompensieren zumindest teilweise die Belastungen einer lauten Stadt – vorausgesetzt, sie sind vorhanden.

Das RESTORE-Projekt, unter dessen Dach die Studien durchgeführt wurden, liefert nun fundierte Daten für Politik und Stadtplanung. Denn angesichts wachsender Städte wird klar: Urbane Erholung braucht mehr als dekorative Grünstreifen. Sie braucht echte Ruheinseln – durchdacht gestaltet, nachhaltig gesichert.

Nicht jede Fläche zwischen Häusern macht die Stadt leiser. Aber jede bewusste Investition in Grün macht sie lebenswerter.