Das Themenfeld Tourismus und Entwicklungszusammenarbeit wird in der deutschen Öffentlichkeit nicht besonders deutlich wahr genommen. Auch wenn hierzulande die größten Tourismusanbieter Europas beheimatet sind, ist der Fremdenverkehr, seine Auswirkungen und seine Entwicklungsmöglichkeiten kein Thema des politischen Diskurses.
Die Forderungen der Verbände nach einem eigenen Ministerium verhallen seit langem und auch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit scheint das wichtige Thema nicht unbedingt auf der Agenda zu haben.
Nun soll das Sektorvorhaben Tourismus, mit dem die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GiZ, den Bereich Tourismus fördert, sang- und klanglos seine Bedeutung verlieren und zukünftig eine untergeordnete Funktion spielen.
„Tourismus bietet den Entwicklungsländern große Chancen, Infrastruktur aufzubauen, Arbeitsplätze zu schaffen, lokale Wirtschaftskreisläufe zu fördern, Naturschätze zu bewahren und so auch die Armut der Bevölkerung zu reduzieren. Andererseits birgt die touristische Entwicklung auch große Risiken; sie kann Gesellschaft, Kultur und Natur eines Landes schwer schädigen“, heißt es dazu beim zuständigen Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Und auch der Bundesverband der Tourismuswirtschaft hat errechnet, wie wichtig der Tourismus für Entwicklungs- und Schwellenländer ist. So reisen allein aus Deutschland mehr als 11 Millionen Touristen jährlich in Entwicklungs- und Schwellenländer, die 2012 gaben dabei 13,5 Milliarden Euro ausgaben. Mit fast sieben Milliarden Euro davon tragen sie direkt zum Bruttoinlandsprodukt in den Entwicklungs- und Schwellenländern bei. Und, noch eine Zahl: Etwa 740.000 Jobs in den Entwicklungs- und Schwellenländern existieren allein dank der touristischen Reisen aus Deutschland, das heißt: 15 deutsche Touristen sorgen im Zielland für einen Arbeitsplatz. Finanziell unterstützt wurde die Studie vom zuständigen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, das immerhin der größte Auftraggeber der GiZ ist, in dem das Sektorvorhaben kassiert wird.
Minderung des Migrationsdrucks
Umso wichtiger erscheint es Experten, diesen Part der Entwicklungszusammenarbeit eher zu fördern als zu beerdigen. Denn nicht nur das: Die Tourismuswirtschaft ist durchaus auch in der Lage Arbeitsmigration zu verhindern, da sie in Afrika, aber auch in Asien, in Ländern mit starken Migrationsdruck qualifizierte Arbeitsplätze schaffen kann, um vor Ort wirtschaftliche Fluchtursachen wirksam bekämpfen zu können.
Und auch die Weltbank weiss um die Bedeutung der Tourismusentwicklung, so dass sie zunehmend die Branche als Hebel und Katalysator benutzt um Projekte beispielsweise im Klimawandel anzuschieben. So widmete die Organisation Ende vergangenen Jahres eine Tagung unter dem Titel „Driving Development through Tourism“ , den Themen Armutsbekämpfung durch Tourismus oder der Frage, wie der nachhaltige Naturtourismus die Armut in Entwicklungsländern reduzieren kann.
Gute Beispiele für Entwicklungsarbeit im Tourismus
Dabei gibt es aus der Vergangenheit eine ganze Reihe von Beispielen, wo die GiZ guter Arbeit geleistet hat. Beispielsweise in Mosambik. Unkontrollierte Fischerei, rücksichtslose Urlauber und gleichgültige Behörden können Umwelt und Einkommen der Einheimischen gefährden. In Mosambik unterstützen Deutsche an der Küste den Aufbau eines nachhaltigen Tourismus.
Riesige Walhaie und mächtige Mantarochen gleiten nahe der Oberfläche durch blaugrünes Wasser. Aufgeregt ziehen Touristen auf einem Ausflugsboot ihre Flossen an, setzten die Masken auf. Der Himmel strahlt in Hellblau, durchwirkt von weißen Tupfern der Lämmerwölkchen. Fischer wiegen ihren Fang aus dem Indischen Ozean. Palmenblätter rascheln in leichter Brise. Jung und Alt, Schwarz und Weiß vergnügen sich am Sandstrand, über und unter Wasser.
Korruption und wenig Sensibilität
Es könnte so paradiesisch sein am Praia do Tofo und anderen Stränden in Mosambik. Wenn da nicht die Konflikte wären, die es überall auf der Welt gibt, die in dem südostafrikanischen Land aber besonders ausgeprägt sind. Schnellboote und Jet-Ski-Fahrer düsen übers Wasser. Das ärgert Umweltschützer und viele Einheimische. Fischer, die die Tiere nur töten, um deren Flossen abzuschneiden und teuer an Chinesen zu verkaufen, schüren Wut und Vorurteile. Behördenmitarbeiter sind oft korrupt, kümmern sich zu wenig um Umweltschutz.
Frank Weetjens und sein kleines Team sollen das unter einen Hut und alle Betroffenen an einen Tisch bringen sowie helfen, die Umwelt zu bewahren und eine nachhaltige Tourismuswirtschaft aufzubauen. Der 51-Jährige ist Mitbegründer des sechs Jahre alten nationalen Taucherverbandes AMAR, der sich vor allem Meeres- und Küstenschutz auf die Fahne geschrieben hat.
Das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) hat den Belgier an den Verband vermittelt. CIM ist eine Arbeitsgemeinschaft Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und im Auftrag der Bundesregierung tätig.
„Wir versuchen, die Interessen der Fischer und der Tauchbranche in Einklang zu bringen“, sagt Weetjens, der über 15 Jahre Afrika-Erfahrung hat. „Das ist ein langer Prozess, aber es gibt Fortschritte. Unser Wort hat immer mehr Gewicht. Tauchschulen, Kommunen, Meeresschutzbehörde und Fischer arbeiten mit uns enger zusammen“, berichtet der Belgier. AMAR sei nun von der Regierung als offizieller Vermittler anerkannt.
Touristen wollen heile Welt
Zerstörter Lebensraum und wegbleibende Tiere vertreiben auch die Touristen. „Das ist heute auch den meisten Küstenbewohnern und Fischern klar“, sagt Claudio Zunguze. Der 31-Jährige ist technischer Assistent bei AMAR, hier an der Küste aufgewachsen und kennt die Region um die Provinzhauptstadt Inhambane, die gleichnamige Bucht sowie nahe Strand- und Tauchreviere so gut wie kaum ein anderer.
Der junge Mann aus Mosambik, aber auch Frank Weetjens, hatten unvergessliche Erlebnisse unter Wasser. Der Belgier schildert: „Es war vor wenigen Wochen. Ein Walhai und ich schwammen wohl zehn Minuten einträchtig zusammen, meist nur einen Meter voneinander entfernt. Das Tier schaute mich immer wieder neugierig an. Seine Augen waren wie bei allen Walhaien winzig. Er blieb total relaxt, wog vielleicht sechs Tonnen, war schätzungsweise acht Meter lang. Wenn ich tiefer tauchte, verdeckte der massige Körper das Licht der Sonne. Es war ein sehr bewegender Moment in meinem Leben.“ Doch solche Begegnungen werden in Mosambik seltener.
In der internationalen Taucherszene gilt das Land als eine der besten Destinationen, aber nicht mehr als Geheimtipp. Es gibt kaum einen Platz auf der Welt, wo Walhaie, Mantas und auch Buckelwale öfter zu beobachten sind. Doch im Vergleich zu 2003 und 2006 sehen Einheimische und Touristen an diesem Küstenabschnitt inzwischen deutlich weniger Walhaie und große Mantas. Diese Rochen haben eine Flügelweite von bis zu sechs Metern und sind ebenso sanfte Riesen, die Plankton einsaugen und sich von Kleinstgetier ernähren.
Das AMAR-Team hat schon schwere Konflikte gelöst: Zwei Gruppen rivalisierender Fischer stritten erbittert um Fanggebiete. Dabei kappten sie auch Bojen, mit den Tauchanbieter Riffe markierten. Weetjens betont: „Alle haben sich an einen Tisch gesetzt und geredet. Eine gemeinsame schriftliche Vereinbarung wird nun von allen akzeptiert.“
Schulung
Umweltbewusstsein und Naturschutz wird auch in den Schulen von Mosambik mehr zum Thema. Die GIZ unterstützt AMAR mit ihrem Know-how. Dazu zählen auch Alternativen zum Fischfang. Auf den Philippinen zum Beispiel werden Fischer zu Meeresgärtnern und produzieren spezielle Algen, die in der Kosmetikbranche gefragt sind. Doch so weit ist es in Mosambik noch nicht. „Wir sind aber auf dem richtigen Weg“, sagt Experte Weetjens.
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