Ja, der demografische Faktor. Bekanntermaßen wird Deutschland immer älter. Die Senioren werden abgeschoben in Alten- und Pflegeheime am Rande der Städte. Doch wollen sie das überhaupt?  
Während auf dem Lande auf den Höfen lange Zeit alle Generationen zusammen, zumindest aber auf dem Hof im sogenannten Altenteil, gelebt haben, gibt es seit der Verlagerung der Arbeit aus dem Haus heraus, neue Formen des Lebens und Arbeitens. Bis ins 19. Jahrhundert hinein, haben auch die Menschen in der Städten meistens unter einem Dach gelebt, gewohnt und gearbeitet. Erst die einsetzende Industrialisierung und die Verlagerung der Arbeit in die Fabrik hat dieses enge Band zerschnitten.
Nun ist ein interessanter Band unter dem Titel „GenerationenWohnen“ erschienen, in dem die Autorinnen Christiane Feuerstein und Franziska Leeb dieses Thema eben nicht allein auf das Zusammenleben von mehreren Generationen unter einem Dach reduzieren.
Vielmehr behandeln sie die vielfältigen, derzeit neu entstehenden Lebens-, Wohn- und Haushaltsformen mit fließenden Grenzen zwischen Arbeiten, Wohnen und Versorgen ein. Hier geht es vor allem um das Wohnumfeld. Denn individuellere Lebensstile erfordern neue, flexible Wohntypologien und kleinräumige Verknüpfungen verschiedener Wohn- und Betreuungsangebote im Quartier.
Die Autorinnen nähern sich dem drängenden Thema von zwei Seiten: der Architektur und der Soziologie. In einem einführenden Fachessay verfolgen sie die Entwicklungsgeschichte des Wohnens und die Veränderung der Grundrisse, Quartiere und Städte vom Mittelalter über die Industrialisierung bis heute. Experteninterviews mit Architekten, Stadtplanern und Sozialwissenschaftlern diskutieren aktuelle Tendenzen und Perspektiven. Diese gehen weit über die bereits viel erörterten Themen wie Barrierefreiheit oder Universal Design hinaus: Sie fordern ein generationengerechtes, unterstützendes Wohnumfeld mit einer guten sozialen Infrastruktur, wohnbegleitenden Hilfe-, Pflege- und Begegnungsangeboten. Das Buch stellt auch aktuelle Beispiele vor, die sich nicht an Defiziten orientieren, sondern die Fähigkeiten und die Erweiterung von Kompetenzen fördern.
Die in zwei Projektteilen – jeweils zum gemeinsamen Wohnen und zum Quartier – vorgestellten Konzepte sind unter diesen Aspekten ausgewählt und umfassen ein großes Spektrum an Planungen auf unterschiedlichen Maßstabsebenen von der Konzeption ganzer Siedlungen bis zur Gestaltung von Freibereichen und Innenräumen. So werden etwa Hausgemeinschaften  wie Mehrgenerationenhäuser in Berlin und in der Schweiz vorgestellt, die entweder um- oder neu gebaut wurden, zudem werden nicht nur Häuser, sondern auch ganze Stadtquartiere, die bestimmte nachbarschaftliche Qualitäten haben und Generationenübergreifend funktionieren sollen, präsentiert.  Hierzu führen die Autorinnen Beispiele aus Zürich, München, Wien, Graz und Hamburg auf.
Dieser Band liefert nicht nur Architekten und Stadtplanern Impulse, die zu neuen kreativen Denkweisen beitragen können, damit das Wohnen in allen Lebensphasen den jeweiligen Bedürfnissen entspricht. Die altersgerechte Infrastruktur beginnt sich in ein Netzwerk für alternsgerechte Unterstützung zu verwandeln. Auch für den einen oder anderen Stakeholder ist dies Buch durchaus interessant, wenn man über zukünftige generationsübergreifende Lebensformen nachdenkt.

Buchcover

Christiane Feuerstein, Franziska Leeb
Generationen Wohnen
Neue Konzepte für Architektur und soziale Interaktion | Alter(n)sgerechtes Planen und Bauen
ISBN 978-3-95553-261-1
EUR (D) 55,00 / CHF 87,00