Die Bundesregierung verstößt gegen Grundrechte, wenn sie nicht weitere Maßnahmen ergreift, um das deutsche Klimaziel für das Jahr 2020 noch zu erreichen. Denn dieses ist keine rein politische Zielsetzung, sondern justiziabel und bindend.
Das ist die Basis der Klage, die Greenpeace gemeinsam mit drei Familien beim Berliner Verwaltungsgericht einreicht. Die Kläger-Familien führen auf der Insel Pellworm, im Alten Land bei Hamburg und in Brandenburg ökologische Landwirtschaftsbetriebe und sind direkt betroffen von den Folgen der Erderhitzung. Dazu zählen etwa Ernteausfälle durch Extremwetter wie Trockenheit und Starkregen oder Schädlingsbefall. „Die Kläger-Familien erfahren schon heute einen Vorgeschmack darauf, wie existenziell die Klimakrise bei uns werden kann“, sagt Anike Peters, Klima-Expertin von Greenpeace. „Die Bundesregierung muss alles dafür tun, dass der Klimawandel künftig nicht immer häufiger die Lebensgrundlage von Familien gefährdet.“
Deutschland hat sich schon seit 2007 verpflichtet, bis zum Jahr 2020 40 Prozent weniger Treibhausgase gegenüber 1990 auszustoßen. Ohne zusätzliche Anstrengungen wird dieses Ziel deutlich verfehlt. „Die Bundesregierung muss deutlich mehr tun, um den CO2-Ausstoß entsprechend dem bindenden Ziel bis 2020 zu senken“, sagt Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen. „Weitere Handlungen jetzt zu unterlassen, bleibt nicht folgenlos, sondern resultiert in erheblich mehr Treibhausgasemissionen bis 2020. Dies zuzulassen, obwohl das 40 Prozent-Ziel verbindlich ist, verletzt die Grundrechte zum Schutz von Eigentum, Beruf sowie Leben und Gesundheit.“ Die Bundesregierung verstößt zudem gegen europäisches Umweltrecht, das u.a. durch das 2020 Ziel und seine Umsetzungsprogramme eingehalten werden soll. Als Umweltverband klagt Greenpeace deshalb auf die Einhaltung von deutschem und europäischem Umweltrecht.
Deutschland kann das Klimaziel für das Jahr 2020 bei sicherer Stromversorgung noch erreichen. Dies zeigt zum Beispiel eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts im Auftrag von Greenpeace. Dazu muss das älteste Drittel der Braunkohlekraftwerke sofort abgeschaltet, weitere Braunkohleblöcke gedrosselt werden und saubere Alternativen wie Sonne und Wind konsequent ausgebaut werden.
Auf Pellworm ist der Klimawandel jetzt schon spürbar
Eine der klagenden Familien ist die Familie Backenden, die einen Biobauernhof auf Pellworm betreibt. „Die Halligen und Inseln in der Nordsee sind zuerst betroffen. Der ansteigende Meeresspiegel macht mir große Sorgen, denn die Deiche können irgendwann nicht mehr erhöht werden“, sagt Silke Backsen von der Nordseeinsel Pellworm. Zusammen mit ih- rem Mann Jörg Backsen bewirtschaftet sie einen Bio-Hof mit Rinderhaltung. Der Bio-Hof “Edenswarf” auf der Nordseeinsel Pellworm ist seit circa 1703 in Familienbesitz und wird seit 25 Jahren als ökologische Landwirtschaft geführt. Der Hof umfasst rund 90 Hektar Eigenland und rund 90 Hektar Pachtland, 120 Hektar davon sind Ackerland. Der Betrieb ist auf Rinderhaltung und Getreideanbau fokussiert und betreibt Weidemast. Die 200 Rinder werden die Hälfte des Jahres auf der Weide und über den Winter im Stall gehalten. Zusätzlich hält die Familie Backsen Schafe auf dem Deich der Insel und betreibt fünf Ferienwohnungen. Auch in Schleswig-Holstein sind die Folgen der Erderhitzung spürbar. Bereits heute ist die Durchschnittstemperatur 1,3°C höher als zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die Familie hat aufgrund von Wetterextremen 2018 massive Einbußen auf ihren Feldern erlebt. Im September 2017 stand ein Drittel der Insel Pellworm komplett unter Wasser, das nur langsam abfließen kann – ein Zustand der sich mit dem Anstieg des Meeresspiegels verschlim- mert. Bei extremen Wetterlagen – wenn es also entweder zu nass oder zu trocken ist – fällt auch die Ernte geringer aus. Dann muss Futter zugekauft werden, um die Tiere ernähren zu können. Wegen des Dürresommers rechnen die Backsens für 2018 mit Einbußen von etwa 30 Prozent.
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